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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 46

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Der Morgen danach

Jack und Elena waren erst sehr spät in der Nacht in ihr neues Domizil zurückgekehrt. Da das Haus bereits vollständig eingerichtet war, als Jack und Elena es am Vortag übereilt bezogen hatten, konnten sie sich nach ihrer Rückkehr direkt in die komfortablen Betten fallen lassen. Das Haus war mehr ein Anwesen als eine einfache Wohngelegenheit. Jack, der sich schon bei seiner ersten Besichtigung am Vortag erschlagen gefühlt hatte, kam sich in der Nacht in diesem großen Haus ziemlich verloren vor. Es war eine Vielzahl von Jahren her, dass er ein Haus dieses Ausmaßes bewohnt hatte und ebenso lange war es her, dass er die Betten der Wohlhabenden gegen die harte Koje eines Matrosen eingetauscht hatte. Die Zimmer, die sie im Goldenen Schwan gemietet hatten, erfüllten schon alle Wünsche, die man an eine Unterkunft haben konnte. Doch dieses Haus war ein Traum.

Der Comte hatte ihm am Vortag erklärt, dass der Besitzer derzeit nicht in Caracas weilen würde, ihn aber gebeten hatte, sich um die Veräußerung zu kümmern. Er war bereit, Jack bis zur Rückkehr des Kaufmannes, dem dieses Anwesen gehörte und der sich mit irgendwelchen Kreditgeschäften übernommen hatte, hier wohnen zu lassen. Jack sollte sich dann nach der Rückkehr des Besitzers mit ihm über den Kaufpreis einigen. Dem Kapitän war es recht, dass der Comte die Angelegenheit so unkompliziert sah. So konnte er den Schein, sich dauerhaft in Caracas niederlassen zu wollen, noch etwas besser wahren und musste dafür noch nicht einmal etwas bezahlen. Viel mehr hatte er die Möglichkeit, seine Mannschaft in seiner unmittelbaren Nähe zu haben und sparte darüber hinaus die Miete für die beiden Zimmer im Goldenen Schwan.

Auch Elena war von dem Gemach, dass sie als das ihrige auserkoren hatte, angetan. Der Raum war groß, mit hohen Decken und einem goldenen Leuchter, der mit einer Vielzahl von Armen in der Mitte des Zimmers von der Decke herabhing. Sie war sich zwar nicht sicher, wie man die Kerzen auf dem Leuchter entfachen sollte, war das Gebilde doch viel zu hoch, um es aus dem Stand zu erreichen. Aber da auch einige andere Kerzen und zwei Lampen in dem Raum standen, benötigte sie den Deckenleuchter nicht.

Am Morgen, etwa drei Stunden nach Sonnenaufgang, erhob Elena sich müde, noch immer völlig erschlagen von der Anstrengung des letzten Abends. Nach dem Essen waren die Herren und Damen der kleinen Runde in den Salon des Gouverneurspalastes gegangen. Hier hatten sich kleine Gruppen gebildet, die auf den einzelnen Sitzgelegenheiten Platz genommen hatten, um sich über Belanglosigkeiten auszutauschen. Nach etwa einer halben Stunde wurde Musik gespielt, sodass etwas getanzt werden konnte.

Die Art, wie Maria sich den ganzen Abend an Jack herangeworfen hatte, war Elena zwar zuwider, aber sie musste auch gestehen, dass es das Beste war, was ihnen hatte passieren können. Dennoch nahm sie es mit gemischten Gefühlen auf, als Jack ihr auf dem Heimweg berichtete, dass er und die Tochter des Gouverneurs sich für den heutigen Tag verabredet hatten. Die junge Dame wollte dem Edelmann, der für Caracas eine so große Chance bot, die Stadt zeigen und ihm einiges über die Geschichte des Ortes erzählen. Zwar war Jack wenig an der Historie einer eher unbedeutenden spanischen Handelsniederlassung interessiert, die erst durch die Zuteilung eines Gouverneurssitzes eine gewisse Bedeutung errungen hatte. Aber es war eine Möglichkeit, Zeit mit der jungen Frau zu verbringen, die als Einzige zwischen ihm und der Erfüllung seiner Aufgabe stand.

Elena hingegen hatte am Abend zuvor mit Besorgnis festgestellt, dass Jack der jungen Dame, die ihm die eindeutigsten Avancen gemacht hatte, nicht unbedingt abgeneigt war. Zwar hatte sie sich immer wieder eingeredet, dass der Kapitän nur seine Pflicht erfüllte. Aber er hätte sie auch mit weniger Enthusiasmus erfüllen können. Vor allem die Art, wie er die Blicke der Spanierin erwiderte, versetzte Elena ein ums andere Mal einen Stich ins Herz. Auch wenn sie nicht bereit war, es sich einzugestehen, die Eifersucht in ihr wuchs beständig und so war ihr erster Gedanke, als sie am Morgen ihr Gemach verließ, ob Jack wohl bereits wieder in Gedanken bei Maria war. Sie suchte den Kapitän, den sie schließlich im großen Empfangssaal es Hauses fand. Hier hatte er sich in einem bequemen Sessel niedergelassen und starrte auf die große Tür, die hinaus auf den Vorhof des Anwesens führte. Es würde nicht mehr lange dauern, und die Ihren würden das Anwesen erreichen. Dann konnten sie beginnen, die Planungen für die nächsten Tage voranzutreiben. Am Vorabend war es Elena mehrmals gelungen, kurze Gespräche mit Joe zu führen. Ihr Alternativplan schien aufzugehen, denn der als Priester verkleidete Seemann hatte es geschafft, das Vertrauen des Gouverneurs zu erlangen. Es konnte nicht schaden, eine Geheimwaffe in der Hinterhand zu haben. Denn die Art, wie der Comte mittlerweile mit Jack umging, dieses freundschaftlich Anhängliche, welches Elena das Gefühl gab, dass der Comte Jack auf Schritt und Tritt beobachtete, stärkte in ihr das Gefühl, dass der Spanier mehr wusste, als er zugab. Auch wenn Jack es nicht wahr haben wollte, irgendetwas führte der Adlige im Schilde. Und Elena hatte sich fest vorgenommen herauszufinden, was das war.

Elena setzte sich in einen Sessel neben den neuen Hausherrn und schenkte ihm ein freundliches Lächeln.

»Guten Morgen Käpt´n. Den gestrigen Abend gut überstanden?«

»Das Tanzen war anstrengend«, erwiderte Jack ebenfalls lächelnd. »Lieber einen guten Schwertkampf als dieses Duell mit Musikanten und Damen, die erwarten, dass man jeden Schritt dem Protokoll gemäß setzt.«

Beide lachten und das Lachen wirkte befreiend.

Elena spürte, wie ihre Verkrampfung sich langsam löste. Offenbar würde sich nichts zwischen ihnen ändern, auch nicht durch diese Gouverneurstochter. Elena war sich zwar noch nicht sicher, ob sie darüber froh sein sollte oder ob sie eine Veränderung ihres Verhältnisses herbeisehnte. Aber es war zumindest eine Konstante, an der sie sich festklammern konnte. Wenigstens vorerst.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2012 by Johann Peters