Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Jack Lloyd Folge 45

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Ein interessantes Abendmahl

Elena kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Anders als erwartet hatte der Gouverneur für den heutigen Abend tatsächlich nur eine kleine Gesellschaft geladen. Da waren Jack und Elena, der Priester, von dem Elena hoffte, dass er möglichst bald seine auffälligen Versuche, mit Jack Augenkontakt aufzunehmen, einstellen würde. Dann war der Comte anwesend, einige Männer, von denen Elena annahm, dass es sich um reiche Kaufleute oder Adlige aus Caracas selbst handelte, und schließlich der Gouverneur und seine kleine Familie. Alles in allem nicht mehr als dreißig Personen. Und die Tatsache, dass Jack und Elena einen Platz in unmittelbarer Nähe des Gouverneurs zugewiesen bekamen, verdeutliche der jungen Frau noch einmal, dass sie der Mittelpunkt des heutigen Abends waren. Weniger sie als viel mehr ihr männlicher Begleiter. Sie hätte eher bedenken müssen, welche Wirkung die Ankunft eines spanischen Adligen mit unmittelbaren Kontakten zur Krone in einer kleinen Provinzstadt wie Caracas haben würde. Selbst wenn die Handelsniederlassung einen eigenen Gouverneur hatte, der diese Stadt und die umliegenden zu seinem Herrschaftsbereich zählte, so handelte es sich doch nach wie vor um eine der kleineren Garnisonen an der spanischen Karibikküste. Nicht zu vergleichen mit Maracaibo, Havanna oder Santa Cruz. Caracas war ein Dorf im Vergleich zu den großen Handelshäfen, und offenbar witterte der Gouverneur heute eine Gelegenheit, den Stellenwert seiner kleinen Stadt etwas anzuheben.

Jack schien sich wenig Gedanken um diese Dinge zu machen. Er hatte viel mehr fast nur noch Augen für die junge Spanierin, die ihm, man mochte meinen, das wäre ein weiterer kluger Schachzug des Stadtoberhauptes gewesen, eigenartigerweise direkt gegenübersaß. Es dauerte nicht lange und der Gouverneur hatte Jack in ein Gespräch über die derzeitigen Vorgänge am königlichen Hof verwickelt. Zu ihrem Erstaunen schlug sich der britische Seeräuber bei dieser Plauderei ausgezeichnet. Joe, der etwas weiter hinten an der Tafel Platz genommen hatte, schien sich mittlerweile damit abgefunden zu haben, dass sein Kapitän sich nicht um ihn kümmerte. Er war ebenfalls in ein Gespräch mit mehreren anderen Gästen vertieft. Elena hörte lächelnd zu, während er von seinen Abenteuern bei den Wilden berichtete und wie die Menschen mit der bronzefarbenen Haut begierig das Wort des Herrn aufgesaugt hätten, wie Ertrinkende, die nach der lebensrettenden Luft schnappen. Jeder schien seine Rolle perfekt zu spielen, nur Elena selbst fühlte sich unwohl in ihrer Haut.

»Und wie kommt es, dass Ihr das aufregende Leben am Hofe gegen eine Überfahrt in die neue Welt und den Aufbau einer Handelsniederlassung in unserem schönen Städtchen eingetauscht habt, Señor?«, hauchte Maria gerade über den Tisch, als Elena begann, sich wieder auf das Gespräch zwischen Jack und ihren Gastgebern zu interessieren.

»Nun, Señorita, ich muss gestehen, dass das Leben bei Hofe beileibe nicht so aufregend ist, wie man meinen mag. Ich suchte einfach die Abwechslung. Abgesehen davon«, Jack hob seinen Becher und prostete dem Gouverneur zu, »sieht meine Familie in Caracas ein bedeutendes Potential. Diese Stadt könnte in den nächsten zehn Jahren zu einem der Hauptumschlagspunkte in diesen Gewässern werden. Und wir sind wild entschlossen, daran einen Anteil zu haben.«

Die Augen des Gouverneurs glänzten förmlich vor Stolz und Gier, während er, ebenfalls seinen Becher erhebend, antwortete: »Es wäre uns eine Ehre, wenn Ihr Euch eine Weile in Caracas niederlassen würdet. Wie ich vor Kurzem hörte, habt Ihr bereits eine Residenz ausgewählt.«

Jack nickte zustimmend. »Der Comte, ein alter Freund meines Onkels, hat mir dieses Haus empfohlen. Ich denke, ich hätte es nicht besser treffen können.«

»In der Tat. Ihr werdet Euch mit Sicherheit wohlfühlen hier in Caracas. Wenn wir dabei etwas für Euer Wohlergehen tun können, zögert nicht es uns zu sagen.«

»Habt Dank, Señor Gouverneur. Ich bin mir sicher, dass wir zu gegebener Zeit über die eine oder andere Angelegenheit sprechen werden.«

»In welchem Bereich wollt Ihr vor allen Dingen investieren, Señor Mendoza?«, fragte Maria, die ihrem Gegenüber dabei einen schmachtenden Augenaufschlag schenkte.

Elena wurde fast schlecht vor Scham. Doch die junge Spanierin schien völlig unempfindlich für derlei Gefühle zu sein.

»Ich muss mich zuerst noch mit meinen Beratern, die in den nächsten Tagen hier eintreffen werden, darüber austauschen. Um ehrlich zu sein, ist es für meine Familie derzeit nicht so wichtig, welches Gut wir hier in Caracas anbauen. Wir werden das wählen, was für uns und für die Stadt selbst am profitabelsten erscheint. Wichtig ist, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren hier einige Plantagen und ein Handelskontor errichtet haben, das sich selbst trägt und nicht ständig mit neuem Geld aus der alten Heimat gespeist werden muss.«

»Das klingt nach einem ausgezeichneten Plan. Und was beabsichtigt Ihr danach aus dieser Grundlage zu machen?«

Jack betrachtete Maria kurz. Dann schenkte er ihr ein herzliches Lächeln, dass Elena einen Stich ins Herz versetzte. Sie wusste, dass der Kapitän mit dieser jungen Frau anbandeln musste, damit sie Erfolg haben konnten. Aber sie war sich in diesem Moment nicht so sicher, ob Jack nur eine Rolle spielte oder ob der junge Mann wirklich Gefallen an der Dame fand, die sich ihm hier mehr als offensichtlich anbot.

»Nun, Señorita. Ich beabsichtige, sobald sich eine solide Grundlage gefunden hat, hier eine eigene Handelsflotte zu errichten, die sich ausschließlich auf den Handel in der Karibik konzentrieren soll. Wir wollen reagieren können, wenn in einer der Städte, die unserer geliebten Krone untertan sind, ein Notstand ausbricht.«

»Und diesen dann gewinnbringend nutzen«, fügte Maria hinzu, wobei sie voller naiver Freude und Bewunderung in die Hände klatschte.

Auch der Gouverneur und seine Frau wirkten ganz angetan von der hervorragenden Geschäftsidee des jungen Adligen.

Elena musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Das Prinzip, das Jack hier gerade ausgebreitet hatte, beachteten alle Kaufleute der Karibik, seit es den Handel in der neuen Welt gab. So zu tun, als hätte der Mann hier am Tisch den Stein der Weisen entdeckt, die Möglichkeit aus Steinen Gold zu machen, war nichts anderes als das Bauchpinseln eines Provinzgouverneurs, der sich eine Verbesserung seines Einkommens und seines Standes bei der Krone versprach.

»Und Ihr wollt Señor Mendoza bei diesen Plänen wie behilflich sein, Señorita Elena?«

Dass Maria sich direkt an sie wandte, hätte Elena nicht erwartet. Aber es war klar, dass irgendwann die Frage aufkommen würde, was genau sie an der Seite des spanischen Edelmannes zu suchen hatte.

»Nun, mein Vater und Señor Mendoza sind enge Freunde, und so baten beide mich, ihn mit den Eigenheiten der Menschen hier in der neuen Welt etwas vertrauter zu machen.«

»Und, mein Lieber Señor Mendoza. Fühlt Ihr Euch gewappnet für den Menschenschlag, den Ihr hier antrefft?«, fragte der Gouverneur wohlwollend lächelnd.

»Ich möchte Elena als Beraterin an meiner Seite nicht missen müssen, Señor Gouverneur. Sie hat in den letzten Monaten bereits ein ausgezeichnetes Verständnis für Menschen und Handelsbeziehungen bewiesen. Beides ist für meine Zukunftspläne unerlässlich.«

Elena spürte Stolz in sich aufsteigen, sah aber auch die Eifersucht in den Augen Marias, die sie offenbar von diesem Augenblick an als ernste Konkurrentin ansah.

»Auch wenn ich fürchte, dass ich die junge Dame bereits in wenigen Monaten wieder ihrem Vater werde übergeben müssen. Es war schwierig genug, ihren Verlobten in Havanna von der Notwendigkeit ihrer Begleitung zu überzeugen«, fuhr Jack fort.

Elena, die einen Moment benötigte, um zu begreifen, dass ihr Kapitän sie gerade verlobt hatte, spürte auf einmal, dass die Blicke der gesamten Gouverneursfamilie auf ihr lagen.

»Ihr seid verlobt?«, fragte Maria voller Begeisterung in der Stimme.

Elena war sich sicher, dass diese Freude eher eine gewisse Beruhigung als ehrliche Anteilnahme war. »Es ist noch nicht offiziell«, erklärte Elena schnell. Sie musste einen Grund dafür finden, dass sie keinen dementsprechenden Ring trug. »Aber die Verlobung soll offiziell gemacht werden, sobald ich zurückgekehrt bin. Ich habe mich dem Mann meines Herzens bereits versprochen.«

»Dann wollen wir Euch zu dieser Entscheidung beglückwünschen, Señorita Elena«, erklärte der Gouverneur, während er seinen Becher erhob und ihr zuprostete. Elena erwiderte den Gruß mit ihrem Becher. Jack hatte geschickt alle Untiefen, die sie am heutigen Abend passieren musste, umschifft. Jetzt konnten sie beginnen, ihre eigentlichen Pläne zu verfolgen.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2012 by Johann Peters