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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 43

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Ein neuer Priester in der Stadt

Der Mann in dem langen schwarzen Mantel war kurz nach der Mittagszeit in den Gouverneurspalast gekommen. Er hatte sich bei einem der Diener angemeldet und kundgetan, dass er den Gouverneur zu sprechen wünschte. Als der Bedienstete ihn unwirsch hatte abweisen wollen, hatte der Fremde ihm höflich aber bestimmt erklärt, dass das Stadtoberhaupt kaum erfreut sein würde, zu hören, dass einer seiner Diener einen Mann der Kirche, der noch dazu ein Diener der spanischen Inquisition war, abgewiesen hatte. Der Angestellte beeilte sich, seinem Herrn den unerwarteten Besuch zu melden, und so dauerte es nicht allzu lange, bis der Fremde zum Gouverneur vorgelassen wurde. Joe – denn um niemanden anderen handelte es sich – betrat das Arbeitszimmer des Stadtfürsten und sah sich einen Augenblick lang interessiert um. Um ihn herum sprach alles von einem ruhigen, beherrschten und alles durchplanenden Geist. In diesem Raum gab es keine Unordnung. Der Gouverneur war organisiert und offenbar ein sehr ordnungsliebender Mensch. Das bedeutete, dass Joe und seine Kameraden gute Chancen hatten, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Wenn der Gouverneur wirklich ein Freund pedantischer Planung war, dann bedeutete das, das jeder Augenblick an dem Tag, an dem die Schatzflotte in Caracas eintreffen sollte, minutiös durchgeplant war. Dann sollte es auch möglich sein, etwas über diese Pläne zu erfahren und eine Schwachstelle in ihnen zu finden, die man sich zunutze machen konnte. Auf jeden Fall waren ihre Möglichkeiten dadurch nicht kleiner geworden.

Joe, dessen kurzer Rundumblick durch den Raum nur einen winzigen Augenblick gedauert hatte, betrachtete den Gouverneur genauer. Die weiße, gepuderte, Perrücke saß dem Mann gerade auf dem Kopf, die Uniform des Adligen wirkte makellos. Jack hatte nicht übertrieben. Dieser Mann war ganz und gar Spanier und in jeder Hinsicht das Gegenteil zu seinem Amtskollegen in Port Royal.

»Seid gegrüßt, Padre Miguel. Was führt einen Mann der Kirche und noch dazu einen Diener der geheiligten Inquisition in diesen Tagen in meine geliebte kleine Stadt?«

Joe lächelte. Der Gouverneur hielt sich nicht lange mit Vorgeplänkel auf. Der Mann wirkte leicht angespannt, wahrscheinlich eine Nebenwirkung der harten Arbeit und der schlaflosen Nächte, die ihm der Besuch der Schatzflotte in der jüngeren Vergangenheit beschert haben dürften.

»Habt Dank, dass Ihr mich empfangt, Senior Gouverneur. Ich bin auf der Reise in die Heimat.«

»Ihr wollt nach Spanien? Woher kommt ihr, Padre?«, hakte der Gouverneur freundlich nach, während er Joe mit einer Handbewegung einen Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite seines Schreibtisches anbot.

Joe ließ sich, dankbar nickend, nieder und konnte sich ein Lächeln nur schwerlich verkneifen. Entweder war der Gouverneur so sehr von wichtigeren Dingen vereinnahmt, dass er die Unfreundlichkeit, die er da gerade beging, nicht registrierte, oder er wollte dem Kirchenmann zeigen, dass er eigentlich keine Zeit für ihn hatte und ihn nur gnädigerweise empfing. In beiden Fällen musste Joe Vorsicht walten lassen. Auf jeden Fall sprach der Umstand, dass ihm lediglich ein Stuhl am Arbeitstisch des Gouverneurs zugewiesen worden war und nicht in einem der angenehmen Sessel, die unter dem Fenster etwas abseits in einer Sitzgruppe standen, dafür, dass der Gouverneur den Besuch eher als eine Art Pflichtempfang betrachtete. Es würde Joe einige Überzeugungsarbeit kosten, den Mann dazu zu bringen, ihn in irgendwelche Pläne einzuweihen.

»Ich komme aus dem Hinterland. Unser weiser König hat es zu einem seiner großen Ziele erklärt, den Wilden, die hier leben, die Wahrheit unseres gütigen und allmächtigen Herrn darlegen zu lassen.«

»Und Ihr seid einer der Missionare, die zu den Menschen gesandt wurden, um ihnen das Wort des Herrn zu bringen?«

»Dieses und die Erlösung des Heilands. Denn ohne die Taufe durch das Wasser würden sie ewiglich vom Angesicht Gottes abgeschnitten sein. Und wer möchte einem anderen Menschen schon das Seelenheil vorenthalten?«

»Amen, Padre«, der Gouverneur nickte beifällig. Seine ursprünglich zur Schau getragene Abneigung gegen Joe schien langsam aufzuweichen. Offenbar hatte er, wie jeder vernünftige Mensch, ein Stück weit Angst vor der Inquisition und zu ihren Schergen, sonst hätte er Padre Miguel nicht sofort empfangen. Aber das war eben nur eine Geste, die halt notwendig war, um sich nicht den Zorn dieser mächtigen kirchlichen Institution zuzuziehen. Doch als er gehört hatte, dass der Mann der ihm gegenübersaß, weniger Inquisitor als mehr Prediger unter den Ureinwohnern war, wurde aus der gesunden Furcht eine Art Respekt.

Joe schöpfte neue Hoffnung. Vielleicht hatte Elena den Mann, den schon ihr Vater gut gekannt hatte, nicht so falsch eingeschätzt, wie es zuerst aussah.

»Wie lange ward Ihr unter den Wilden?«

»Es sind fast zehn Jahre gewesen, Senior. Man verlernt eine Menge, wenn man so lange Zeit unter Menschen lebt, die die Vorzüge unseres Fortschrittes und der christlichen Religion nicht kennen.«

»Das kann ich mir vorstellen. Ich habe ja gelegentlich mit diesen Menschen zu tun und ich möchte nicht mehr Zeit als notwendig mit ihnen verbringen«, erklärte der Gouverneur, sich lächelnd in seinem Stuhl zurücklehnend. »Was natürlich nicht heißen soll, dass ich die Notwendigkeit Eures Dienstes nicht voll und ganz anerkenne und Euren Einsatz für unsere heilige Kirche und die Krone nicht zu schätzen wüsste«, schob der Adlige direkt hinterher.

Joe nickte und lächelte den Gouverneur wohlwollend an.

»Doch sagt, Padre. Wie kann ich Euch in dieser Angelegenheit eine Hilfe sein?«

»Nun, Senior Gouverneur. Wie erwähnt, suche ich eine Passage in die Heimat. Vielleicht könnt Ihr mir ein Schiff empfehlen, dass sicher in Spanien ankommen wird? Darüber hinaus bräuchte ich zumindest für diese eine Nacht eine Unterkunft. Ich habe leider hier in Caracas keine Ordensbrüder, die mich aufnehmen könnten.«

»Ich verstehe«, erklärte der Gouverneur nickend. »Ihr seid natürlich mein Gast, Padre. Und was Eure Heimkehr angeht, ich wüsste da ein Schiff, wie es sicherer nicht sein könnte.«

»In der Tat? Oh das wäre ganz wunderbar. Möge der Herr Euch Eure Güte vergelten.«

»Der Herr hat schon so viel für mich und meine Familie getan, da ist dieser kleine Dienst an einem seiner treuen Diener das Wenigste, was ich für ihn tun kann.«

»Mag sein. Doch bedenkt die Worte unseres Heilands: Wer einem meiner geringsten Diener Gutes getan hat, der hat es mir getan. Der Herr wird nicht übersehen, was Ihr für mich, seinen geringsten Diener zu tun im Begriff seid.«

»Ihr übertreibt«, erwiderte der Gouverneur sichtlich geschmeichelt.

»Doch sagt mir bitte, was für ein Schiff ist es, von dem Ihr sprecht?«

»In wenigen Tagen wird ein Schiff hier in Caracas eintreffen, dass von einer kleinen Eskorte begleitet wird. Dieses ist auf dem Weg in das gute alte Spanien. Ich denke, Ihr werdet an Bord willkommen sein.«

»Ganz ausgezeichnet.«

Der Blick des Gouverneurs wanderte zur Tür, die in diesem Augenblick von einem Diener dezent geöffnet worden war. Das Stadtoberhaupt nickte dem Diener knapp zu.

»Entschuldigt mich nun bitte, Padre. Dieser Mann wird Euch die Gemächer zeigen, die während Eures Aufenthaltes die Euren sein sollen. Ich hoffe, Ihr genießt die Zeit in meinem bescheidenen Haus.«

»Das werde ich mit Sicherheit. Und ich werde für Euch und die Euren beten.«

»Habt Dank, Padre. Heute Abend werde ich einen kleinen Empfang geben. Es wäre mir eine Ehre, auch einen Mann Gottes an meiner Tafel sitzen zu haben. Wollt Ihr mir diese Ehre erweisen?«

»Gern. Die Ehre liegt ganz bei mir«, erwiderte Joe, während er sich erhob und einen Schritt auf die Tür zu machte.

»Wenn der Gong ertönt, ist das Essen angerichtet. Wenn Ihr neue Kleider braucht oder ein Bad nehmen möchtet, lasst es Sandro wissen. Er wird sich um alles kümmern.«

Die Verbeugung des jungen Dieners in der Tür zeigte Joe, dass es sich bei diesem um Sandro handelte. Joe nickte dem Gouverneur noch einmal zu und folgte dem jungen Spanier. Der erste Teil des Plans hatte besser geklappt, als er gedacht hatte. Aber es lag noch eine Menge Arbeit vor ihm.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters