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Abenteuer des Captains Bonneville 17

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Sechzehntes Kapitel

Missgeschicke von Mathieu und seiner Partie. Rückkehr zu den Versteckgruben am Salmon River. Gefecht zwischen den Nez Percé und den Blackfeet. Heldenmut eines Weibes der Nez Percé. Sie wird unter ihre Kriegshelden aufgenommen.

Am 3. Februar kam Mathieu mit dem Rest seiner Gruppe im Lager an. Er hatte eine traurige Geschichte zu erzählen. Nachdem er sich von dem Captain Bonneville im Green River Valley getrennt hatte, war er westwärts gezogen, indem er sich nördlich der Eutaw-Gebirge hielt, die ein Zweig der großen Felsgebirgskette sind. Hier hatte er ein sehr beschwerliches Reisen für seine Pferde und entdeckte bald, dass er wenig Wahrscheinlichkeit habe, die Shoshone anzutreffen. Er setzte nun seine Reise am Bear River, ein von den Biberfängern häufig besuchter Fluss, in der Absicht fort, seine Richtung zum Salmon River zu nehmen und sich zum Captain Bonneville zu begeben.

Er wurde jedoch entweder aus Unwissenheit oder Verräterei eines indianischen Scouts irre und in ein wildes Tal geführt, in dem er während des Herbstes und am Anfang des Winters fast in Schnee begraben und fast verhungernd lagerte.

Früh in der Jahreszeit schickte er fünf seiner Leute mit neun Pferden ab, sich in die Nähe des Sheep Rock am Beaver River zu begeben, wo Wild im Überfluss war, um sich dort Vorräte für das Lager zu verschaffen.

Sie waren noch nicht weit auf ihrem Zuge gekommen, als ihre Spur von einer Partie von neun bis zehn Indianern entdeckt wurde, die sie sogleich heimlich verfolgten und ihnen fünf bis sechs Tage auf dem Fuße nachschlichen. So lange sie ihren Lagerplatz gut gewählt hatten und eine gehörige Wache unterhielten, blieben die vorsichtigen Wilden in der Entfernung. Da sie aber endlich wahrnahmen, dass sie unvorsichtigerweise ihr Lager an einem Ort aufgeschlagen hatten, dem man sich heimlich nähern konnte, so kroch der Feind unter dem Schutz des Flussufers verstohlen hinzu und bereitete sich vor, plötzlich über seine Beute herzufallen. Sie waren jedoch noch nicht bis auf Schussweite gekommen, als sie von einem der Biberfänger wahrgenommen wurden. Er benachrichtigte seine Kameraden sogleich, aber in der Stille davon. Sie sprangen alle auf ihre Pferde, um sich in eine sichere Stellung zurückzuziehen. Einer von der Partie jedoch, mit Namen Jennings, zweifelte an der Richtigkeit der Angabe und wollte, ehe er sich zu Pferd setzte, die Sache untersuchen. Seine Kameraden drangen in ihn, aufzusteigen, allein vergeblich; er war ungläubig und hartnäckig. Eine Salve von Feuergewehren vonseiten der Wilden zerstreute seine Zweifel, überwältigte aber seine Nerven so, dass er unfähig war, in den Sattel zu kommen. Da seine Kameraden seine Gefahr und seine Verwirrung sahen, sprangen sie großmütig von ihren Pferden ab, um ihm beizustehen. Ein Büchsenschuss streckte ihn nieder und in seiner Todesangst rief er den anderen zu, ihn nicht zu verlassen. Zwei von ihnen, Le Roy und Roß, wurden nach einer verzweifelnden Gegenwehr von den Wilden gefangen genommen. Die Übrigen schwangen sich in ihre Sättel und retteten sich durch eine eilige Flucht, nachdem sie nahe an dreißig Meilen verfolgt worden waren. Sie kamen glücklich wieder in Matthieus Lager an, wo ihre Erzählung eine solche Furcht vor den lauernden Indianern erregte, dass die Jäger nicht vermocht werden konnten, auf einen neuen Streifzug nach Lebensmitteln auszugehen. Sie blieben deshalb beinahe verhungernd im Lager, indem sie dann und wann nur ein untaugliches Pferd zum Essen schlachteten, während die Elentiere und Gebirgsschafe ungehindert in den benachbarten Bergen umherzogen.

Der unglückliche Überfall dieser Jagdpartie wurde von Captain Bonneville angeführt, um die Wichtigkeit der Wachsamkeit und die kluge Wahl einer Lagerstätte im Land der Indianer zu zeigen. Die meisten dieser, Pelzhändlern und Biberfängern begegnenden Unfälle entstanden aus einer sorglosen Unaufmerksamkeit auf den Zustand ihrer Wache und Munition, die Unterbringung ihrer Pferde bei Nacht, die Lage ihrer Umgebung und das Ausstellen der Nachtwachen. Der Indianer ist ein wachsamer und listiger Feind, der keineswegs unbedachtsame Angriffe macht; er greift selten an, wenn er seinen Feind vorbereitet und auf der Hut findet. Vorsicht ist ein ebenso wirksamer Schutz dagegen, wie der Mut.

Die Indianer, welche diesen Angriff machten, wurden anfänglich für Blackfeet gehalten, bis Captain Bonneville späterhin im Lager der Bannock ein Pferd, Sattel und Zaum sah, die er für die eines seiner Jäger erkannte. Die Bannock leugneten jedoch hartnäckig, solche in einem Gefecht erbeutet zu haben, und behaupteten fest, dass dieser gewaltsame Überfall durch die Blackfeet geschehen sei.

Captain Bonneville blieb beinahe drei Wochen nach Matthieus und seiner Partie Ankunft am Snake River. Nachdem sich seine Pferde wieder soweit erholt hatten, um eine Reise machen zu können, traf er Anstalten, zu den Nez Percé zurückzukehren oder vielmehr seine Versteckgruben am Salmon River zu besuchen, um sich dort Güter und Kleider für die eröffnete Jahreszeit zu holen. Er ließ demnach sechszehn Mann am Snake River zurück und brach am 19. Februar mit sechszehn anderen zu den Versteckgruben auf.

Den Fluss durchwatend, marschierte er bis zum Rande des tiefen Schnees, wo er sein Lager unter dem Schutz ungeheurer, aufgeschichteter Massen verbrannter Felsen aufschlug. Der Schnee war hinlänglich gefroren, um einen Fußgänger zu tragen, allein die Pferde brachen durch die Eisdecke ein, sanken und strengten sich bei jedem Schritt an. Sie waren vom Eis so aufgerissen und verwundet, dass es notwendig wurde, alle hundert Yard die Fronte zu ändern und andere Pferde vorauszuschicken, um den Weg zu bahnen.

Ein scharfer und schneidender Wind wehte von Nordwesten über die offenen Prärien Bei Nacht hatten sie ihre Erfindungsgabe anzustrengen, sich Obdach zu verschaffen, um nicht zu erfrieren. Sie gruben zuerst tiefe Höhlen in den Schnee und warfen zum Schutz gegen den Wind Wälle davon auf. Unter diesen breiteten sie Büffelfelle aus und legten sich in vollem Anzug auf dieselben mit Kappen, Mänteln und Mokassins und bedeckten sich mit vielen wollenen Decken; dem ungeachtet litten sie oft hart von der Kälte.

Am 28. Februar kamen sie an die Ufer des Godin’s River. Dieser Strom kommt aus den Gebirgen gegenüber, ein östlicher Zweig der Malad Range. Er bildet einen tiefen und raschen Strom von ungefähr zwanzig Yards Breite, der schnell durch einen Engpass strömt, dem er seinen Namen gibt, und dann in die große Ebene fließt, wo, nachdem er sich vierzig Meilen fortgeschlängelt hat, er sich endlich in der Region der Burned Rocks verliert.

An den Ufern dieses Stromes war Captain Bonneville so glücklich, auf eine Büffelspur zu kommen. Sie stromaufwärts verfolgend, kam er in den Engpass, wo er zwei Tage lang gelagert blieb, um den Jägern Zeit zu lassen, Büffel zu töten und einen Vorrat von deren Fleisch zu trocknen.

In diesem geschützten Engpass war das Wetter sehr mild und das Gras bereits wieder einen Zoll hoch emporgeschossen. Es befand sich hier ebenfalls ein Überfluss von Salzkraut, das im tonigen und öden Kieselboden in großer Menge wächst. Es gleicht dem Flohkraut und hat seinen Namen von seinen salzigen Teilen. Es ist ein nahrhaftes Futter für die Pferde im Winter. Sie weigern sich aber. welches zu fressen, sobald ihnen das junge Gras eine hinlängliche Nahrung gibt.

Nachdem sie sich hinlänglich mit Fleisch versehen hatten, setzte die Partie ihren Weg weiter fort und bewegte sich vergleichsweise mit ziemlicher Leichtigkeit; mit Ausnahme da, wo sie ihren Weg durch Schneetriften nehmen mussten, die vom Wind zusammengeweht worden waren.

Am 11. sahen sie eine kleine Rauchwolke in einem tiefen Teil der Talschlucht aufsteigen. Es wurde sogleich ein Lager gebildet und Späher wurden auf Kundschaft ausgeschickt. Sie kehrten mit der Nachricht zurück, dass es eine Partie der Flathead wäre, die mit Fleisch beladen von einer Büffeljagd zurückkehrten. Captain Bonneville erreichte sie am nächsten Tag und beredete sie, mit seiner Partie einige Meilen weiter zu den Versteckhöhlen unten zu gehen, wohin er auch die Nez Percé einladen wollte, die er irgendwo in der Nachbarschaft zu finden hoffte. Wirklich gesellte sich am 13. dieser freundliche Stamm zu ihm, der, seitdem er sich am Salmon River von ihnen getrennt hatte, gleichfalls auf die Büffeljagd ausgegangen war, aber beständig von ihren alten Feinden, den Blackfeet, verfolgt und geneckt worden waren, denen es wie gewöhnlich gelang, eine Menge Pferde wegzuführen.

Im Laufe dieser Jagdpartie hatte sich eine Gruppe von zehn Zelthütten von der Haupttruppe getrennt, um bessere Weideplätze für ihre Pferde aufsuchen zu gehen. Um den 1. März vereinigten sich die zerstreuten Partien der Blackfeet bis zur Zahl von dreihundert streitender Männer und beschlossen einen Hauptschlag auszuführen. Nachdem sie an die frühere Lagerstätte der Nez Percé gekommen waren, fanden sie die Hütten verlassen, worauf sie sich in die Weiden und Gebüsche versteckten, um den einzelnen Nachzüglern aufzulauern, damit sie ihnen den Weg zum gegenwärtigen Aufenthalt ihrer ersehenen Opfer zeigten.

Das Schicksal wollte, dass Kosato, der Renegat der Blackfeet, der Erste war, der mit seinem bluterkauften Weib vorüberging. Er befand sich auf dem Weg von der Haupttruppe zu der kleinen Abteilung der zehn Hütten. Die Blackfeet bemerkten und erkannten ihn, als er vorüberging. Ihre Augen funkelten vor rachsüchtiger Wut. Er fand sich auf Bogenschussweite von ihrem Hinterhalt. So sehr sie aber nach seinem Blut dürsteten, so enthielten sie sich doch, einen Pfeil auf ihn abzuschießen, indem sie ihn für den Augenblick schonten, damit er sie auf die Spur ihrer Beute führe. Ihm heimlich nachfolgend, entdeckten sie die Hütten der unglücklichen Nez Percé und fielen sie mit schrecklichem Geschrei und Geheule an.

Es waren der Nez Percé nur zwanzig Mann, allein neun waren mit Flinten bewaffnet. Sie erwiesen sich jedoch ebenso tapfer und geschickt im Krieg, wie sie mild und duldend im Frieden gewesen waren. Ihre erste Sorgfalt war, Höhlen in ihre Hütten zu graben. So verschanzt, fochten sie wie verzweifelt und streckten mehrere Feinde tot nieder, während sie nicht einen einzigen Krieger verloren, obwohl einige von ihnen verwundet wurden.

In der Hitze des Gefechts sah eine Frau der Nez Percés ihren Krieger arg verwundet und unfähig zu fechten. Sie ergriff seinen Bogen und seine Pfeile und verteidigte seine Person tapfer und mit Erfolg, sodass sie zur Rettung der ganzen Partie mit beitrug. In einem anderen Teil des Schlachtfeldes hatte sich ein Nez Percé hinter den Stamm eines gefallenen Baumes gekauert und unterhielt von seinem Versteck aus ein lebhaftes Feuer. Ein Blackfeet, der dies sah, verschaffte sich einen runden Klotz. Hinter ihm ausgestreckt, rollte er diesen auf den Baumstamm zu, hinter welchem sein Feind gekauert lag. Es war ein Augenblick atemloser Erwartung, denn wer sich zuerst zeigte, war in Gefahr, erschossen zu werden. Der Nez Percé machte der Ungewissheit zuerst ein Ende. In dem Augenblick, wo der Klotz den Stamm berührte, sprang er auf. Schnell wie der Blitz entlud er den Inhalt seiner Flinte in den Rücken seines Gegners.

Die Blackfeet hatten sich nunmehr der Pferde bemächtigt, mehrere ihrer Krieger lagen tot auf dem Wahlplatz und die Netz Percés, in ihre Hütten verschanzt, schienen entschlossen zu sein, sich bis auf den letzten Atemzug zu verteidigen. Es war zufällig der Fall, dass der Häuptling der Blackfeet ein Renegat der Nez Percé war. Allein er hegte nicht wie Kosato, eine rachsüchtige Wut gegen seinen eigenen Stamm, sondern war vielmehr nun, wo er die Beute hatte, geneigt, unnötiges Blutvergießen zu verhüten. Er hielt deshalb eine lange Besprechung mit den Belagerten und zog endlich seine Krieger, siebzig Pferde mit sich nehmend, zurück. Es erwies sich nachher, dass die Blackfeet ihre Kugeln in dem Gefecht gänzlich verschossen hatten, sodass sie genötigt waren, Steine statt derselben zu gebrauchen. Zu Beginn des Gefechtes focht Kosato, der Renegat, eher mit Wut als mit Tapferkeit, indem er die anderen sowohl durch Worte als auch durch Taten anfeuerte. Eine Büchsenkugel jedoch, die er in den Kopf erhielt, streckte ihn bewusstlos zu Boden. Hier blieb sein Körper liegen, als das Gefecht vorüber war, und die Sieger die Pferde fortführten. Sein unglückliches Weib hing über ihm und jammerte. Die Sieger hielten ein und drangen in sie, den leblosen Renegaten zu verlassen und mit ihnen zu ihren Verwandten zurückzukehren. Sie weigerte sich jedoch, ihren Bitten Gehör zu geben und sie gingen weg.

Während sie so da saß und Kosatos Züge betrachtend sich einem leidenschaftlichen Schmerz überließ, glaubte sie zu bemerken, dass er atme. Sie hatte sich nicht geirrt. Die Kugel, die, ehe sie ihn traf, beinahe matt gewesen war, hatte ihn nur betäubt, statt ihn zu töten. Durch die Pflege seines treuen Weibes erholte er sich nach und nach und lebt zu verdoppelter Liebe gegen sie und zwiefachem Hass gegen seinen Stamm wieder auf.

Was die Frau anbelangt, die ihren Mann so tapfer verteidigt hatte, so wurde sie von ihrem Volk zu einem weit über ihr Geschlecht gehenden Range erhoben. Es wurde ihr, neben anderen ehrbaren Auszeichnungen, erlaubt, fernerhin an den kriegerischen Tänzen der Braven teilzunehmen.