Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Abenteuer des Captains Bonneville 13

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Zwölftes Kapitel

Ein Winterlager in der Wildnis. Buntes Gemisch von Biberfängern, Jägern und Indianern. Seltenheiten des Wildes. Neue Anordnung im Lager. In die Ferne geschickte Abteilungen. Sorglosigkeit der Indianer, wenn sie lagern. Krankheit unter den Indianern. Vortrefflicher Charakter der Nez Percé – des Captains Bemühungen Frieden zu stiften. Gründe eines Indianers zu Gunsten des Kriegs. Räubereien der Blackfeet. Langes Leiden der Nez Percé. Ein Jäger-Elysium in den Gebirgen. Noch mehr Räubereien. Der Captain predigt einen Kreuzzug. Die Wirkung auf seine Zuhörer.

Den größten Teil des Monats November über blieb Captain Bonneville an seinem derzeitigen Aufenthaltsort am Salmon River. Er war nun im Vollgenuss all seiner Wünsche, indem er das Leben eines Jägers im Inneren der Wildnis unter Umgebung all seiner wilden Bevölkerung führte.

Außer seinen eigenen Leuten, die ein buntes Gemisch an Charakter und Aufzug bildeten – Creolen, Kentuckier, Indianer, Halbblute, gemietete und freie Biberfänger – war er von Lagern der Nez Percé und Flathead umgeben, deren Herden die Hügel und Ebenen bedeckten. Es war, wie er erklärt, eine wilde, lebhafte Szene: die Jagdpartie der weißen und roten Menschen, die beständig auszogen und wiederkehrten; die Gruppen der verschiedenen Lager, von welchen einige kochten, andere arbeiteten, andere sich mit verschiedenen Spielen unterhielten, das Wiehern der Pferde, das Schreien der Maultiere, der Widerhall von den Hieben der Holzaxt, der laute Knall der Büchse, das Kriegsgeschrei, das Hallo und die häufigen Ausbrüche des Gelächters mitten in einer Region, deren einsame Stille nur durch einen vorübergehenden Aufenthalt von Jägern plötzlich unterbrochen worden war. Dies alles verwirklichte, sagte er, die Idee einer bevölkerten Einöde.

Der freundlich wohlwollende Charakter des Captains hatte offenbar Einfluss auf die fremdartigen Menschenrassen, die sich so zufällig zusammenfanden. Die vollkommenste Harmonie herrschte zwischen ihnen. Die Indianer, sagte er, waren freundschaftlich in ihrem Umgang mit den weißen Menschen. Es ist wahr, dass sie etwas lästig in ihrer Neugierde und beständig im Wege waren, da sie alles mit forschenden Blicken untersuchten und jede Bewegung der Weißen beobachteten. Dies alles ertrug der Captain jedoch mit der besten Laune und seine Leute nach seinem Beispiel. Wirklich zeigte er sich in all seinen Handlungen als ein Freund der Indianer, sein Benehmen gegen sie wart über alles Lob erhaben.

Die Nez Percé, die Flathead und die Pend d’Oreille tun sich viel auf die Zahl ihrer Pferde zu gut, von welchen sie im Verhältnis mehr als andere Gebirgsstämme in den Büffel-Regionen besitzen. Viele der indianischen Krieger und Jäger, die um Captain Bonneville herum lagerten, besaßen jeder zwischen dreißig bis vierzig Pferde. Ihre Pferde sind starke, wohlgebaute Klepper von großer Schnelle und fähig, die härtesten Strapazen auszuhalten. Die Geschwindesten von ihnen sind jedoch diejenigen, die sie von den Weißen erhalten, wenn sie noch jung genug sind, um akklimatisiert und zum rauen Dienst der Gebirge abgehärtet zu werden. Nach und nach fing die starke Bevölkerung des Lagers an, ihre Nachteile zu zeigen. Die ungeheuren Herden der den Indianern gehörenden Pferde zehrten das Gras auf den umgebenden Hügeln auf, während man Menschen und Tiere der Gefahr des Verlustes ausgesetzt hätte, wenn man sie auf entferntere Weiden in der Nachbarschaft hätte treiben wollen, die voll von lauernden und tödlichen Feinden waren. Auch das Wild fing an, sehr selten zu werden. Es wurde bald aus der Nähe verjagt und verscheucht. Obwohl die Indianer einen weiten Umweg durch die Gebirge in der Hoffnung nahmen, die Büffel zum Winterlager zu treiben, so waren ihre Bemühungen doch vergeblich.

Offenbar konnte eine so große Partie weder daselbst noch an einem anderen Ort während des Winters bestehen. Captain Bonneville veränderte daher seinen ganzen Plan. Er schickte fünfzig Mann nach dem Süden ab, um am Snake River zu überwintern und an seinen Gewässern im Frühling Biber zu fangen, mit dem Auftrag, ihn im Monat Juli am Horse Creek im Green River Valley wieder aufzusuchen, das er zu einem allgemeinen Zusammenkunftsort seiner Leute für das nächste Jahr bestimmte.

Von seinem ganzen Trupp behielt er nun nur noch eine kleine Zahl von freien Biberfänger bei sich, mit denen er beabsichtigte, unter den Nez Percé und Flathead zu bleiben und die indianische Weise zu befolgen, dem Wild und dem Gras nachzuziehen. Jene Banden brachen in der Tat bald nachher ihre Lager ab und nach minder besuchten Gegenden auf.

Captain Bonneville blieb einige Tage zurück, um heimlich Versteckgruben zu graben, worin er alles unterbrachte, was nicht zu seinen täglichen Bedürfnissen erforderlich war. So alles Überflüssigen entledigt, brach er am 20. November auf, um seine indianischen Verbündeten einzuholen. Er fand sie in einem abgesonderten Teil des Landes an der Quelle eines kleinen Stromes gelagert. Da sie sich in diesem abgesonderten Platz außer aller Gefahr vonseiten ihrer Erbfeinde, der Blackfeet, befanden, so bot ihr Lager das Ansehen der größten Vernachlässigung ihrer Sicherheit dar. Ihre Zelthütten waren auf allen Hügeln rings in großer Entfernung zerstreut, ihre Pferde weideten auf den Anhöhen das Büschelgras ab, das dort in großer Menge wuchs, und obwohl verdorrt, dennoch seine währende Eigenschaft beibehält, statt sie wie andere Grasarten im Herbst zu verlieren.

Wenn die Nez Percé, die Flathead und Pend d’Oreille in einer gefährlichen Nachbarschaft lagern, sagt der Captain Bonneville, so verwenden sie die größte Sorgfalt auf ihre Pferde, diese Hauptbestandteile des indianischen Reichtums und Gegenstände der indianischen Räubereien. Jeder Krieger hat sein Pferd bei Nacht an einen Pfahl festgebunden, den er vor seiner Zelthütte eingeschlagen hat. Hier bleiben sie angebunden bis zum hellen Tag, um welche Zeit die jungen Männer des Lagers bereits um die umgebenden Hügel schwärmen. Jede Familie treibt sodann ihre Pferde an einen erwählten Ort, wo sie solche ohne Aufsicht grasen lassen. Ein junger Indianer begibt sich gewöhnlich auf die Weide, um ihnen Wasser zu geben und zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Die Pferde sind so an diese Behandlung gewöhnt, dass sie sich auf der Weide, wo man sie gelassen hat, zusammenhalten. So wie die Sonne hinter die Berge sinkt, sieht man sie von allen Seiten zum Lager eilen, wo sie sich freiwillig über Nacht anbinden lassen. Selbst in Lagen der Gefahr lässt der Indianer selten sein Lager bewachen, indem er dies gänzlich seinen wachsamen und gut abgerichteten Hunden überlässt.

In einem Lager von solcher vermeintlicher Sicherheit jedoch, wie das, in welchem Captain Bonneville seine indianischen Freunde fand, wird die erwähnte Vorsicht, rücksichtlich ihrer Pferde, meist außer Acht gelassen. Sie treiben sie nur bei Einbruch der Nacht in eine kleine abgesonderte Niederung und lassen sie hier in vollkommener Freiheit bis zum folgenden Morgen.

Eine der Ursachen der Überwinterung des Captains Bonneville unter diesen Indianern war die, sich das Frühjahr mit frischen Pferden zu versehen. Sie überließen ihm solche jedoch äußerst ungern. Mit großer Schwierigkeit erkaufte er zum Preis von zwanzig Dollar jedes, einige wenige für mehrere seiner freien Biberfänger, die nicht beritten waren, und er auszustatten hatte.

In diesem Lager blieb Captain Bonneville vom 21. November bis zum 9. Dezember, während welcher Zeit der Wärmemesser zwischen 13 und 42° F schwebte. Es fiel bisweilen Schnee, allein gewöhnlich schmolz er fast gleich wieder, und die zarten Hälmchen von neuem Gras begannen unter dem alten aufzuschießen. Am 7. Dezember fiel jedoch der Thermometer auf 7° F.

Der Leser wird sich erinnern, dass Captain Bonneville bei Verteilung seiner Leute im Green River Valley eine Partie unter der Leitung eines Führers, namens Matthieu, mit allen schwachen und untauglichen Pferden zum Bear River geschickt hatte, um dort zu verweilen, die Banden der Shoshone abzuwarten und dann in seinem Winterlager am Salmon River wieder mit ihm zusammen zu kommen.

Es war nun eine mehr als hinlängliche Zeit verstrichen, Matthieu aber noch nicht erschienen. Man fing an, seinetwegen Besorgnisse zu hegen. Captain Bonneville schickte vier Mann aus, die Gegend zu durchstreifen, durch die er kommen musste, um womöglich Nachrichten von ihm einzuziehen, denn sein Weg ging über die große Snake River Plain, die sich gleich einer arabischen Wüste ausdehnt und auf welcher ein Reitertrupp in großer Entfernung wahrgenommen werden konnte.

Die Kundschafter kehrten, nachdem sie nicht weiter als bis an den Rand der Ebene gekommen waren, unter dem Vorwand zurück, dass ihre Pferde lahmten. Es war aber offenbar, dass sie sich gefürchtet hatten, sich in so geringer Anzahl in diese gefährliche Gegend zu wagen.

Eine Krankheit, welche Captain Bonneville für eine Brustentzündung hielt, brach zu dieser Zeit unter den Indianern aus und richtete große Verheerungen unter ihnen an, indem sie eine Menge derselben nach Verlauf von drei bis vier Tagen hinraffte. Der würdige Captain machte den Arzt bei ihnen, verordnete ihnen häufiges Schwitzen und Aderlässe, gewöhnlich mit vielem Glück, wenn der Kranke nachher mit gehöriger Sorgfalt behandelt wurde. In außerordentlichen Fällen riefen die Wilden ihre eigenen Doktoren oder Beschwörer zu Hilfe, die sie unter vielem Lärm und Mummereien, aber auch mit geringem Erfolge bedienten. Diejenigen, welche während dieser Epidemie starben, wurden in Gräber nach Art der Weißen begraben, allein ohne Rücksicht auf die Lage des Kopfes. Es ist bemerkenswert, dass, während diese Krankheit solche Verheerungen unter den Wilden anrichtete, nicht ein einziger Weißer den geringsten Anfall davon bekam.

Ein etwas längerer, vertrauter Umgang mit den Nez Percé und Flathead hatte Captain Bonneville nun von ihrem friedlichen und wohlwollenden Charakter überzeugt. Er fing an, ein großes Interesse für sie zu hegen, und fasste die Idee, ein Friedensstifter zu werden und die Todfeindschaft zwischen ihnen und den Blackfeet beizulegen, durch welche sie so viel erduldeten. Er schlug die Sache einigen ihrer Anführer vor und drang in sie, mit den Häuptern der Blackfeet zu einer großen Friedensberatung zusammenzukommen, indem er sich erbot, zwei seiner Leute mit Pfeife, Tabak und einer Friedensflagge in das feindliche Lager zu schicken, um wegen der vorgeschlagenen Zusammenkunft in Unterhandlung zu treten.

Die Weisen der Nez Percé und der Flathead hielten hierauf einen zweitägigen Kriegsrat, in welchem viel geraucht, lange geschwatzt, und beides, Beredsamkeit und Tabak fast erschöpft wurden. Endlich kamen sie zu dem Entschluss, den Vorschlag des würdigen Captains zu verwerfen, und das aus ziemlich wichtigen Gründen, wie der Leser beurteilen mag.

»Krieg,« sagten die Häuptlinge, »ist ein blutiges Geschäft und führt viele Übel mit sich. Allein er hält die Augen der Häuptlinge immer geöffnet und macht die Glieder der jungen Leute stark und geschmeidig. Im Krieg ist ein jeder auf der Hut. Wenn wir eine Spur sehen, so wissen wir, dass es die eines Feindes ist. Wenn die Blackfeet zu uns kommen, so wissen wir, dass es geschieht, um Krieg mit uns zu führen, und wir sind in Bereitschaft. Der Frieden im Gegenteil weckt nicht auf. Die Augen der Häuptlinge sind im Schlaf verschlossen und die jungen Leute nachlässig und faul. Die Pferde irren in den Gebirgen umher und die Weiber und ihre Kleinen gehen allein. Das Herz eines Blackfeet ist aber eine Lüge und seine Zunge eine Falle. Wenn er vom Frieden spricht, so geschieht es, um zu täuschen. Er kommt zu uns als ein Bruder. Er raucht die Pfeife mit uns. Allein wenn er sieht, dass wir schwach und nicht auf der Hut sind, so wird er morden und stehlen. Wir wollen keinen solchen Frieden – es möge also Krieg sein!«

Diesem Urteil war Captain Bonneville genötigt, beizupflichten. Da aber die scharfsinnigen Flathead und ihre Verbündeten lieber im Kriegszustand zu verbleiben wünschten, so verlangte er, dass sie wenigstens die gerühmte Wachsamkeit ausüben sollten, die der Krieg zu veranlassen pflegt, und dass sie ihre Augen geöffnet halten möchten. Er stellte ihnen vor, dass zwei so beträchtliche Völkerstämme unmöglich durch das Land ziehen könnten, ohne Spuren zu hinterlassen, an denen man sie verfolgen könne. Es befänden sich überdies unter den Braven der Blackfeet mehrere Nez Percé, die in früher Jugend gefangen genommen, von ihren Fängern adoptiert und in diesen kriegerischen und räuberischen Gesinnungen aufgezogen worden wären. Sie hätten alle Sympathie zu ihrem Stamm verloren und würden sich geneigt finden lassen, den Feind in ihre geheimen Schlupfwinkel zu führen. Er ermahnte sie daher, stets auf ihrer Huth zu sein und in ihrer Wachsamkeit nicht nachzulassen, während sie sich im Bereich eines so listigen und grausamen Feindes befänden.

Alle diese Ratschläge gingen bei seinen leichtsinnigen und einfältigen Zuhörern verloren. Eine sorglos gleichgültige Nachlässigkeit herrschte in ihrem Lager. Sie ließen ihre Pferde bei Nacht losgebunden von Hügel zu Hügel streifen. Captain Bonneville tat seine Pferde bei der Nacht ein, ließ sie gehörig an Pfähle binden und bewachen. Das Übel, das er vorausgesehen hatte, trat bald ein. In einer einzigen Nacht, in welcher die Blackfeet einen räuberischen Streifzug durch die Weideplätze der Umgebung machten, wurden sechzig der schönsten Pferde weggeführt. An einem in die Augen fallenden Ort waren von den Räubern eine Peitsche und ein Seil, zum Spott über die dummen Tröpfe zurückgelassen worden, die sie unberitten gemacht hatten.

Lange vor Sonnenaufgang verbreitete sich die Nachricht dieses Unglückfalles wie ein Lauffeuer durch die verschiedenen Lager. Captain Bonneville, dessen eigene Pferde an ihren Pfählen unberührt geblieben waren, erwartete mit jedem Augenblick einen Aufbruch der Krieger der Nez Percé und der Flatheads, um die Räuber wütend zu verfolgen. Aber nichts von all diesem – sie begnügten sich mit fleißigem Suchen durch Berg und Tal, um die Pferde einzeln aufzugreifen, die den Händen der Räuber entwischt waren, und trösteten sich über ihren Verlust mit der exemplarischen Gelassenheit.

Einige freilich, die ihre Pferde alle verloren hatten, machten sich zu einem Bettelbesuch bei ihren Vettern, wie sie sie nennen, den Nez Percé, auf den Weg, welche die unteren Gegenden um den Columbia River bewohnen und einen Überfluss an Pferden besaßen. Zu diesen begaben sie sich, wenn sie in Not waren, und verfehlten ihren Zweck selten, sich durch Tausch und Bettelei noch einmal beritten zu machen.

Wild war jetzt in der Nähe des Lagers sehr selten geworden, und es wurde notwendig, nach der Gewohnheit der Indianer sich in ein minder besuchtes Revier zu begeben. Captain Bonneville schlug die Pferdeprärie vor, allein seine indianischen Freunde wendeten ein, dass viele der Nez Percé gegangen seien, ihre Vetter zu besuchen und die Zahl der Weißen so gering sei, dass ihre vereinten Kräfte nicht hinreichten, sich in die Büffelreviere zu wagen, die von den Banden der Blackfeet unsicher gemacht würden.

Sie sprachen nun von einem Platz in nicht großer Entfernung, den sie als ein wahrhaftes Jägerelysium beschrieben. Es läge an dem rechten oder Hauptarm des Stromes, von Klippen und Abgründen eingeschlossen, wo keine Gefahr von herumschweifenden Banden zu befürchten wäre, und wohin die Blackfeet nicht zu kommen wagen würden. Hier sagten sie, gäbe es eine Menge Elentiere und das Gebirgsschaf sähe man auf den Felsen und Hügeln in Herden beisammen. In einer kleinen Entfernung, jenseits derselben, seien auch Büffelherden außerhalb des Bezirks der Gefahr anzutreffen. Dorthin schlugen sie vor, ihr Lager zu verlegen.

Der Vorschlag gefiel dem Captain, der begierig war, durch Hilfe der Indianer mit allen geheimen Schlupfwinkeln des Landes bekannt zu werden. Am 9. Dezember brachen sie also ihre Zelte ab und setzten sich in kurzen Etappen in Bewegung, da viele der Indianer noch sehr schwach von ihrer letzten Krankheit waren.

Dem rechten Arm des Flusses folgend, kamen sie an einen Platz, wo derselbe sich in eine tiefe Bergschlucht verlor, durch welche man zu der, von den Indianern so gerühmten, abgeschiedenen Region gelangte. Captain Bonneville machte Halt und blieb drei Tage vor dem Eingang der Schlucht gelagert, ehe er in dieselbe einzog.

Während dieser Zeit schickte er fünf seiner freien Biberfänger ab, um das Gebirge zu durchstreifen und so viele Elentiere wie möglich zu töten, ehe der Haupttrupp hineinkäme, da sie, wenn dieses geschähe, durch die verschiedenen, indianischen Jägerpartien bald weggescheucht sein würden.

Während ihres Lagerns waren sie noch immer den Räubereien der Blackfeet ausgesetzt. Captain Bonneville ermahnte seine indianischen Freunde, wachsam zu sein. Die Nez Percé waren aber ungeachtet ihres neulichen Verlustes noch immer sorglos in Betreff ihrer Pferde. Sie trieben solche bloß an einen abgesonderten Ort und ließen sie dort die Nacht hindurch, ohne eine Wache bei ihnen aufzustellen. Die Folge davon war, dass sie abermals bestohlen und einundvierzig Stück weggeführt wurden. Dieses ertrugen sie mit derselben philosophischen Gleichgültigkeit, wie das erste Mal. Es wurden keine Anstalten getroffen, die Pferde wiederzuerlangen oder sich an den Dieben zu rächen.

Die Nez Percé wurden jedoch hinsichtlich ihrer übriggebliebenen Pferde vorsichtiger, indem sie solche jeden Abend regelmäßig in das Lager trieben und an Pfähle banden.

Captain Bonneville bemerkte ihnen jedoch, dass dieses nicht hinreichend sei. Da sie offenbar von einem verwegenen und beharrlichen Feind verfolgt würden, der durch die frühere Ungestraftheit ermutigt sei, so hätten sie eine mehr als gewöhnliche Vorsicht anzuwenden und bei Nacht eine Wache bei ihren Pferden aufzustellen.

Sie waren jedoch nicht von ihrer Gewohnheit abzubringen. Waren die Pferde einmal an Pfähle gebunden, so bekümmerte sich der Eigentümer nicht weiter um sie für dieselbe Nacht und überließen sich einem tiefen Schlaf. Es wachte niemand in dem Lager als die Spieler, die in ihr Spiel vertieft, weit weniger auf das merkten, was um sie vorging, als die Schlafenden selbst.

Die Blackfeet sind kühne Feinde, die gerne verwegene Taten ausführen. Da die Banden, die in der Nähe herumstreiften, sahen, dass sie es mit einem so friedlichen Volk zu tun hatten, so verdoppelten sie ihre Verwegenheit. Da die Pferde nun vor den Zelthütten an Pfähle gebunden waren, so drang eine Anzahl Kundschafter der Blackfeet in der ersten Hälfte der Nacht bis mitten in das Lager. Hier gingen sie so ruhig und bedächtig unter den Zelthütten herum, als ob sie zu Hause wären, und schnitten ganz gelassen die Pferde, die an den Hütten ihrer schlafenden Eigentümer angebunden waren, von den Pfählen los.

Einer dieser Buschklepper, der waghalsiger als die anderen war, näherte sich einem Feuer, um welches eine Gruppe der Nez Percé sich eifrig mit Spielen beschäftigte. Hier stand er einige Zeit in sein Gewand gehüllt, über die Schultern der Spieler spähend, die Veränderung ihrer Gesichtszüge und den Wechsel ihres Spielglückes beobachtend. Sie waren so in ihr Spiel vertieft, dass die Gegenwart dieses vermummten Lauschers von ihnen nicht bemerkt wurde. Nachdem er sein Wagstück ausgeführt hatte, begab er sich weg, ohne von ihnen entdeckt worden zu sein.

Nachdem sie so viele Pferde losgeschnitten hatten, als sie bequem mit sich führen konnten, begaben sich die Kundschafter der Blackfeet wieder zu ihren Kameraden und alles blieb ruhig um das Lager herum. Nach und nach nahmen die Pferde, die sich in Freiheit fanden, ihren Weg nach ihrem gewohnten Grasplatz. So wie sie aus dem Lager kamen, wurden sie in der Stille ergriffen, bis nachdem sie sich ungefähr dreißig derselben bemächtigt hatten, die Blackfeet sich schnell aufsetzten und sich damit fortmachten. Bei dem Geklapper der Hufe fuhren die Spielenden erschrocken von ihrem Spiel auf. Sie machten Lärm, der bald die Schläfer sämtlicher Zelthütten weckte. Dennoch blieb alles ruhig. Es wurden keine Märsche angeordnet, keine Pferde gesattelt und nachgeeilt, noch war von einer Verfolgung die Rede oder von Vergeltung wiederholt gewaltsamer Überfälle.

Captain Bonnevilles Geduld war endlich erschöpft. Er hatte die Rolle eines Friedensvermittlers ohne Erfolg gespielt. Nun änderte er seine Sprache und beschloss, womöglich ihren kriegerischen Geist zu erwecken.

Er berief daher ihre Häuptlinge zusammen, ließ sich über ihre feige Politik aus und drang auf die Notwendigkeit kräftiger, vergeltender Maßregeln, welche der Verwegenheit ihrer Feinde Einhalt täten, wo nicht, sie mit Furcht erfüllten. Zu diesem Zweck riet er, sogleich eine Kriegstruppe den Räubern auf dem Fuß nachzuschicken; ja, sie, wenn es nötig wäre, bis in das Innere des Landes der Blackfeet zu verfolgen, auch nicht vom Verfolgen abzulassen, bis sie eine ausgezeichnete Rache genommen hätten. Er empfahl ihnen überdies die Errichtung kleiner kriegerischer Partien, um Repressalien bis zum Belauf der erlittenen Verluste zu gebrauchen.

»Wenn ihr euch nicht selbst aus eurer Schlafsucht aufrüttelt«, sagte er, »und einen kühnen, entscheidenden Schlag ausführt, so wird man euch nicht länger als Männer betrachten, mit denen man einen männlichen Krieg führt. Die Blackfeet werden euch ihre Squaws und Kinder entgegenschicken, während ihre Krieger sich für bessere Gegner aufheben.

Diese Anrede brachte offenbar eine augenblickliche Wirkung auf den Stolz seiner Zuhörer hervor. Nach einer kurzen Pause erhob sich jedoch einer ihrer Redner. Es sei boshaft, sagte er, aus purer Rache in den Krieg zu gehen. Der große Geist habe ihnen ein Herz zum Frieden, aber nicht zum Krieg gegeben. Sie hätten Pferde verloren, das sei wahr, allein sie könnten leicht andere erhalten von ihren Vettern, den Nez Percé, ohne irgendeine Gefahr, wogegen sie im Krieg Menschen verlieren würden, die nicht so leicht wieder ersetzt werden könnten. Was ihre letzten Verluste anbelange, so würde eine vergrößerte Wachsamkeit ferneres Unglück dieser Art verhüten. Er missbillige daher alle feindliche Maßregeln. Alle andere Häuptlinge pflichteten dieser Meinung bei.

Captain Bonneville nahm den Gegenstand wieder auf. »Es ist wahr«, sagte er, »der große Geist hat euch das Herz gegeben, eure Freunde zu lieben, aber auch

einen Arm, eure Feinde zu schlagen. Wenn ihr nicht bald etwas tut, um diesen ewigen Plündereien ein Ende zu machen, so muss ich euch ein Lebewohl sagen. Bis jetzt habe ich noch keinen Verlust erlitten, Dank sei es den Vorsichtsmaßregeln, die ihr vernachlässigt habt. Allein mein Eigentum ist zu unsicher hier, die Reihe wird zunächst an mir sein. Ich und meine Leute werden die Verachtung teilen, die ihr über euch bringt. Man wird uns, wie euch, für einfältige Tröpfe halten, die man zu jeder Zeit ungestraft plündern kann.«

Die Unterredung wurde mit einigen Zeichen der Aufgebrachtheit vonseiten der Indianer abgebrochen. Früh am nächsten Morgen brach eine Partie von dreißig Mann zur Verfolgung des Feindes auf. Captain Bonneville hoffte, gute Nachrichten von den räuberischen Blackfeet zu erhalten. Zu seiner großen Täuschung kam aber die Kriegstruppe am folgenden Tag langsam zurück, einige alte verkrüppelte und elende Pferde führend, welche die Freibeuter nicht schnell genug hatten fortbringen können. Diese Anstrengung erschöpfte den kriegerischen Geist und befriedigte den verwundeten Stolz der Nez Percé, die in ihren gewöhnlichen Zustand von passiver Gleichgültigkeit zurücksanken.