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Abenteuer des Captains Bonneville 15

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Vierzehntes Kapitel

Die Partie kommt in eine enge Gebirgsschlucht. Eine Naturfeste im Gebirge. Gebirgsschafe. Frieden und Überfluss. Der verliebte Biberfänger. Eine bunte Hochzeit. Das Weib eines freien Biberfängers. Ihr Gala-Aufzug. Das Christfest in der Wildnis.

Am 29. Dezember brachen Captain Bonneville und seine verbündeten Indianer mit ihrem Lager auf und kamen in eine enge Gebirgsschlucht, welche der nördliche Arm des Salmon River bildete. Diese Schlucht hinauf lag die sichere und ergiebige Jagdregion, die von den Indianern so lockend beschrieben worden war.

Seitdem sie den Green River verlassen hatten, hatten die Ebenen ununterbrochen aus losem Sand oder grobem Kies und die Felsenschichten des Gebirges aus ursprünglichen Kalksteinen bestanden. Die Flüsse waren gewöhnlich mit Weiden und bitteren Baumwollholzbäumen umgürtet und die Prärien mit Wurmsamenkraut bedeckt. In dem hohlen Busen der Gebirge, in welchen sie nun eindrangen, waren die sie umgehenden Höhen mit Fichten bewachsen, während die Abhänge der niedrigeren Hügel Büschelgras für die Pferde im Überfluss darboten.

Sie befanden sich nun, wie ihnen die Indianer angegeben hatten, in einer natürlichen Bergfeste, deren Ein- und Ausgang eine tiefe Bergschlucht, so eng, schroff und so schwer zugänglich, bildete, dass man sich ihr nicht heimlich nähern oder schnell zurückziehen konnte, und die demnach sehr leicht zu verteidigen war. Die Blackfeet wagten daher nicht, den Nez Percé dorthin zu folgen, und erwarteten eine bessere Gelegenheit, wenn sie einmal wieder ins Freie kämen.

Captain Bonneville fand, dass die Indianer die vorteilhafte Lage dieser Region nicht übertrieben hatten. Außer zahlreichen Gruppen von Elentieren sah man große Herden der Ashahta oder Dickhörner und das Gebirgsschaf in den Abhängen herumspringen. Diese einfältigen Tiere konnten leicht überlistet und getötet werden. Ein Paar Jäger können eine Herde umringe, und erlegen, so viel sie wollen. Es wurden ihrer täglich eine Menge in das Lager gebracht. Das Fleisch von jenen, die jung und fett waren, wurde als vorzüglicher als das beste Hammelfleisch gerühmt.

Hier hörten demnach die Beschwerden, der Hunger und die Schrecken auf. Vergangene Übel und Gefahren waren vergessen, unter Jagen, Spielen, Singen, Erzählen, rohen, aber doch gutmütigen Scherzen flog die Zeit fröhlich dahin. Im Lager herrschte Fülle und Sicherheit.

Nichtstun und Wohlleben, sagt man, führen zur Liebe und Liebe zur Ehe in dem gesitteten Leben, und das nämliche findet in der Wildnis statt. Von guter Nahrung und vom Fleisch der Gebirgshammel wohl genährt, fing einer der freien Biberfänger an, der Einsamkeit seiner Zelthütte überdrüssig zu werden und die Gewalt jenes großen Naturgesetzes zu fühlen. »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.«

Nachdem er eine Nacht ernstlich darüber nachgedacht hatte, begab er sich zu Kowsoter, dem Häuptling der Nez Percé und eröffnete ihm, was geheim in seiner Brust vorging.

»Ich brauche«, sagte er, »ein Weib, gebt mir eins aus Eurem Stamm. Kein junges, flatterhaftes Mädchen, das an nichts als Putz und Flitter denkt, sondern eine verständige, bescheidene und arbeitsame Squaw; eine, welche treu mein Los teilt, so hart es auch sein mag; die die Besorgung meiner Zelthütte übernimmt und mir eine Begleiterin und Gehilfin in der Wildnis wird.«

Kowsoter versprach, sich unter den Frauen seines Stammes umzusehen, und ihm eine nach seinen Wünschen zu verschaffen. Zwei Tage waren zu dieser Nachsuchung erforderlich. Nach Verlauf derselben kam Kowsoter in seine Hütte und benachrichtigte ihn, dass er ihm die Braut im Laufe des Nachmittags bringen wolle. Er hielt sein Wort und kam zur bestimmten Zeit, die Braut, ein hübsches, kupferfarbiges Mädchen, in ihrem indianischen Putz führend. Ihr Vater, ihre Mutter, ein halbes Dutzend Brüder und ungefähr zwanzig Vettern folgten, um die Zeremonie vollständig zu machen und den neuen und angesehenen Verwandten zu begrüßen.

Der Biberfänger empfing seine neuen und zahlreichen Verwandten mit gehöriger Feierlichkeit. Er setzte seine Braut neben sich, stopfte seine Pfeife, das große Friedenssymbol, mit seinem besten Tabak, tat daraus zwei oder drei Züge, händigte sie sodann dem Häuptling aus, der sie dem Vater der Braut übergab, von wo sie von Hand zu Hand und von Mund zu Mund in dem ganzen Kreis der um das Feuer herumsitzenden Verwandten ging, wobei alle das tiefste und geziemende Stillschweigen beobachteten.

Nachdem mehrere Pfeifen in diesem feierlichen Zeremoniell gestopft und ausgeraucht worden waren, redete der Häuptling die Braut an, setzte ihr mit ziemlicher Weitläufigkeit die Pflichten eines Weibes auseinander, die unter den Indianern wenig besser als die eines Packpferdes sind, und drehte sich, nachdem dieses geschehen war, gegen ihre Verwandten um, denen er zu der vornehmen Verbindung Glück wünschte, die sie gemacht habe. Sie wussten ihr gutes Glück gehörig zu würdigen, vorzüglich, als die Hochzeitsgeschenke unter die Häuptlinge und Verwandten verteilt wurden, die sich auf ungefähr hundertachtzig Dollar beliefen.

Die Gesellschaft begab sich bald weg. Nun fand der würdige Biberfänger, dass er es in der Tat mit keinem unerfahrenen Mädchen zu tun habe, denn die gut unterrichtete Dame nahm auf einmal das Ansehen und die Würde eines Biberfängerweibes an, indem sie von ihrer Zelthütte als ihrem unbestrittenen Eigentum Besitz nahm, alles nach ihrem eigenen Geschmack und ihren Gewohnheiten einrichtete und so ganz zu Hause und auf so vertraulichem Fuß mit dem Biberfänger zu sein schien, als ob sie seit Jahren Mann und Frau zusammen gewesen wären.

Wir haben bereits eine Schilderung des freien Biberfängers und seines Pferdes geliefert, wie solches vom Captain Bonneville gestellt wurde. Wir werden hier als Seitengemälde seine Beschreibung von einem freien Biberfängerweib beifügen, damit sich der Leser einen richtigen Begriff von der Art des Glückes machen kann, das der besagte würdige Jäger in Anspruch genommen hatte, um ihn in der Wildnis zu trösten.

So lange der freie Trapper noch ein Junggeselle ist, kennt er nichts, das ihm lieber wäre, als sein Pferd. Allein von dem Augenblick an, wo er ein Weib nimmt, eine Art ehelichen Titularranges, den er, gleich den alten Ritterhelden, einer indianischen Schöne im freien Feld erteilt, entdeckt er, dass er ein noch grillenhafteres und eigensinnigeres Tier besitzt, an dem er sein Geld verschwenden kann.

Eine indianische Schöne sieht sich nicht so bald zu diesem Rang erhoben, wie sich alle ihre Ideen zugleich mit zu einer der Würde ihres Standes angemessenen Höhe erheben, und der Beutel ihres Liebhabers und sein Kredit obendrein, auf das Höchste besteuert werden, um sie gehörig auszustatten. Wie! Das Weib eines freien Trappers sollte in keiner besseren und hübscheren Kleidung erscheinen, als eine gewöhnliche, gemeine Squaw? Weg mit diesem demütigenden Gedanken!

Sie muss zuerst ihr eigenes Reitpferd haben. Keine abgetriebene, elende und mutlose Mähre, wie sie bisweilen ein Indianer seiner Squaw und ihren Papuses zum Fortbringen gibt. Das Weib eines freien Trappers muss das schönste Tier besitzen, das zu haben ist. Und dann, was sein Geschirr betrifft, so müssen Kopfgestell, Brustriemen, Sattel- und Schwanzriemen verschwenderisch mit Knöpfen besetzt und mit Fingerhüten, Falkenschellen und Bänderbüscheln behangen sein. Auf jeder Seite des Sattels hängt eine Esquimoot oder eine Art Tasche herab, in die sie ihre übrigen Spielzeuge und den Flitter steckt, den sie ihrem und ihres Pferdes überladenen Schmuck nicht auch noch beifügen kann. Über diesen faltet sie mit großer Sorgfalt eine Draperie von scharlach- oder buntfarbigem Baumwolltuch. Nun erst betrachtet sie das Geschirr ihres Hengstes für vollständig.

Was ihre eigene Person angeht, so ist sie hierin noch ausschweifender. Ihr Haar, das im Verhältnis zu seiner Länge für schön gehalten wird, wird sorgfältig geflochten und fällt ihr mit anscheinender Nachlässigkeit auf die Brüste herab. Ihr Reithut steckt voller bunten Federn. Ihr etwas nach der Art der Weißen zugeschnittenes Kleid ist von rotem, grünem und bisweilen grauem Tuch, immer aber von dem feinsten Gewebe, das zu haben ist. Ihre Gamaschen und Mokassins sind von der schönsten und kostspieligsten Arbeit und liegen niedlich am Fuß und Knöchel an, die bei den indianischen Frauen schön und niedlich geformt sind und außerordentlich hübsch aussehen.

Was den Schmuck anbelangt wie Finger- und Ohrringe, Halsketten und andere weibliche Herrlichkeiten, so darf nichts, was den Mitteln eines Trappers zu erreichen steht und dem Zuschauer eine Idee vom hohen Rang der Dame beibringen kann, vergessen werden. Um das Ganze zu vollenden, so wählt sie sich unter ihren wollenen Decken von verschiedenen Farben, eine von besonders lebhafter Farbe aus, die sie mit natürlicher Anmut über die Schultern wirft, sich in den Sattel ihres munter stolzierenden Hengstes schwingt und bereit ist, ihrem Gebirgsjäger mit Liebe und Anhänglichkeit bis zum letzten Atemzug zu folgen.

Dies ist das Gemälde eines freien Trapperweibes, das uns Captain Bonneville im Allgemeinen gibt. Wie weit es in seinen Einzelheiten auf die in Rede stehende Anwendung findet, erhellt nicht ganz, ob es gleich aus dem Beginn ihres ehelichen Lebens scheinen möchte, dass sie nicht abgeneigt war, jeden Aufwand mitzumachen, den die Umstände ihrer neuen Lage erlaubten.

Es ist der Erwähnung wert, dass, wo immer sich mehrere Weiber freier Trapper beisammen befinden, der bitterste Wettstreit zum herben Nachteil der Beutel ihrer Männer zwischen ihnen besteht. Sie verwenden ihre ganze Zeit und ihre Erfindungsgabe darauf, es einander in Kleidung und Verzierung zuvor zu tun. Die Eifersüchteleien und der Groll, die so unter diesen sogenannten Kindern der Natur erweckt werden, gleichen an Heftigkeit jenen der modernen Koryphäen des Tons und der Mode in den prachtvollen Wohnungen des zivilisierten Lebens.

Kurz, auf die Feier der eben beschriebenen Hochzeit folgte das fröhliche Christfest, an welchem durch die ganze Christenheit am heimischen Herd die Feuer der Freude entzündet werden. So fern sie auch von ihren Freunden und Verwandten waren, so waren Captain Bonneville und seine freien Trapper doch nicht geneigt, das Fest ungefeiert hingehen zu lassen. Sie befanden sich in einer Gegend, wo sie Überfluss hatten und zur Fröhlichkeit aufgelegt waren. Es wurde demnach beschlossen, das Weihnachtsfeuer anzuzünden1 und die Christfeiertage mitten in der Wildnis vergnügt zu feiern.

Am Vorabend des Weihnachtsfestes gingen demnach ihre rauschenden Belustigungen an. Während der Nacht umringten die freien Trapper die Zelthütte des Nez Percé-Häuptlings und begrüßten ihn statt mit einem Weihnachtslied mit einem Freudenfeuer.

Kowsoter nahm solches in wahrem christlichen Sinn auf. Nach einer Rede, in welcher er seinen hohen Dank für die ihm erwiesene Ehre ausdrückte, lud er die ganze Gesellschaft zu einem Fest auf den folgenden Tag ein. Seine Einladung wurde freudig aufgenommen. Man denke sich ein Weihnachtsessen in der Hütte eines indianischen Häuptlings! Die Idee war neu. Keiner verfehlte, sich einzufinden. Das Bankett wurde auf die altertümlichste Weise aufgetragen: Felle verschiedener Gattung, zu der Veranlassung niedlich zugerichtet, wurden auf den Boden ausgebreitet und auf diese eine Menge Wildbret, Elentier und Gebirgshammelfleisch mit verschiedenen bitteren Wurzeln aufgeschüttet, deren sich die Wilden als Gewürze bedienen.

Nach einem kurzen Gebet setzten sie sich, nach türkischer Manier mit unterschlagenen Beinen, zum Bankett nieder, das unter fröhlichen Scherzen eingenommen wurde. Es wurden hierauf mehrere Spiele gespielt, worin Weiße und Indianer ihre Stärke und Behändigkeit zeigten, und damit die Weihnachtsfeier beschlossen.

Show 1 footnote

  1. Ein altenglischer Brauch