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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 43

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

43. Wie Rübezahl Spötteleien bestraft.

Es sind allerdings keine Tugenden, den Mund zum Rauchfang und die Nase zum Abtritt zu machen. Wenn es auch alle Fürsten in ganz Deutschland täten, so sollten wenigstens heutzutage verständige Eltern und pflichtgetreue Lehrer darauf sehen, dass so etwas bei der lieben Jugend nicht geschehe, und sollten also gegen Rauchen und Schnupfen des Tabaks sänftiglich wirken.

Nun, Kriegsknechten mag es noch hingehen, sintemal diese einmal reicher sind an Untugenden als an Tugenden, nur sollen sie dabei nicht etwa noch andere kränken oder beschimpfen und ihren Spott mit ihnen treiben. Das war aber eben bei zwei abgedankten Kriegs knechten der Fall, die übers Gebirge gingen und dabei im Tabakrauchen ihr Labsal fanden. Denn als sie ermüdet sich niedergesetzt, zündeten sie ihre Pfeifen an, umqualmten sich, dass sie von Weitem aussahen wie ein brennender Meiler, und ließen den lieben Gott einen frommen Mann sein.

Und wie sie nun den lieben Gott einen frommen Mann sein ließen, so fiel dem einen ein: »Wenn doch jetzt Rübezahl käme, wir wollten ihn tüchtig durchräuchern.«

Der andere nahm das ganz fröhlich auf und nickte lachend mit dem Kopf Beifall. Als sie dann ihre Pfeifen ausgeraucht hatten, setzten sie ihren Weg fort und spotteten dabei öfter Rübezahls, wie denn übermütige Leute unter ähnlichen Umständen es überall machen und anderer gern spotten.

Während sie nun so scherzten und redeten, waren sie immer tiefer ins Hochgebirge hineingedrungen. Sie wurden es kaum gewahr, dass der Wald immer dichter und finsterer, der Weg sumpfiger wurde. Das merkten sie zuletzt aber doch, dass sie zugleich immer tiefer ins Wasser gerieten und endlich sogar bis an die Knie darin herumwadeten, denn wer so etwas nicht merken will, der …

Nun geht es auf gemeinschaftlichen Wanderungen gewöhlich so, dass bei Unfällen den Grund immer einer auf den anderen schiebt, so auch hier.

Sie machten nämlich beide einander solche Vorwürfe, dass es bald zum Handgemenge gekommen wäre, wenn ihnen nicht eine andere Sorge im Nacken gesessen hätte. Denn indem sie mit einander eiferten und haderten, hörten sie auf einmal eine Stimme von der Höhe des Berges, die sie ermahnte, umzukehren, sonst würden sie verderben. Das wurde den Männern doch bedenklich. Obwohl sie, denn sie sahen niemanden, gern auf die Stimme kein Gewicht gelegt hätten, so meinten sie doch endlich: Besser ist besser.

Sie kehrten also zurück. Es wurde aber drum nicht besser. Sie kamen auf lauter Irrwege, konnten nirgends einen Ausgang finden, und wurden endlich so matt, dass sie sich niederlegen mussten. Bald lagen sie im tiefsten Schlaf.

Wenn der Kräuterklauber so weit erzählt hat, so muss er sich erst ein wenig wunder, und den geneigten Leser bitten, sich einstweilen mit zu wundern, daß Rübezahl so ein empfindlicher Berggeist ist, denn wer alle Schwachheiten der Menschen in der Welt bestrafen wollte, der hätte viel zu tun. Aber es ist des Kräuterklaubers Trost, dass hierbei es ganz vorzüglich auf Bestrafung unbilligen Spottes abgesehen gewesen war und Rübezahl so gleich mit einer Klatsche zwei Fliegen zugleich hat schlagen wollen.

So die armen Teufel lagen im tiefen Schlaf und dachten nicht daran, dass sie für ihre Spottreden bestraft werden würden. Aber Rübezahl war ein Schlimmer, denn er nahm ihnen während des Schlafs ihre Pfeifen und stopfte sie mit gedörrten Kräutern voll. Dann gab er ihnen eine Wurzel zwischen die Zähne und färbte ihr Angesicht mit genässtem Kohlenstaub schwarz. Schön sahen sie nun eben nicht aus, aber wohl sehr, sehr garstig.

Als nun der eine erwachte und den Zustand des anderen sah, so entfuhr ihm etwas, nämlich ein lauter Schrei, wodurch der andere auch munter wurde und sich über das Aussehen seines Kameraden entsetzte. Bald aber war jeder überzeugt, dass ihm der andere im Schlaf einen Schabernak gespielt habe. Sie haderten sich also miteinander und würden sich gewiss ernstlich in die Haare geraten sein, wenn sie nur erst Weg und Steg gefunden hätten. Aber Tabakraucher haben immer den Wetterableiter bei sich. So zogen also auch unsere ihre Pfeifen hervor, zündeten sie an und suchten wieder beruhigt den Weg.

Den Weg fanden sie bald. Aber ihre Pfeifen waren noch nicht zur Hälfte ausgeraucht, als ihnen beiden gar übel zumute wurde.

»Bruder« sagte der eine, »ich habe Bauchbeißen.«

»Und mir«, entgegnete der andere, »mir ist grade so, als hätte ich ein Brechmittel drinnen.«

Konnte, wie es schien, der eine nicht leben, so konnte der andere nicht sterben. Es war auch ein gar klägliches Elend, wie es den beiderseitigen Naturen mitspielte. Zum Unglück hatte aufs Neue einer den anderen im Verdacht. Jeder machte seinem Kameraden Vorwürfe, bis es wirklich zu Tätlichkeiten kam.

Unter der Balgerei ritt jedoch ein Reiter schnell vorüber und lachte aus vollem Hals. Da wurden die Kriegsknechte stutzig und kamen zur Besinnung. Es wurde wenigstens ihnen ziemlich klar, dass, was sie erfahren hatten, eine Strafe Rübezahls gewesen war.

Sie räumten hierauf ihre Pfeifen aus und fanden, dass sie voller Weißwurz gestopft gewesen war. Freilich ging ihnen nun ein Licht auf und sie dankten nun Gott, dass sie wieder auf dem rechten Weg waren.

Merke: Spöttereien sind immer eine bedenkliche Sache, denn sie machen nirgends Freunde.