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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 7

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Siebentes Kapitel

Das Abenteuer des alten Ike

Eine Panthergeschichte bildete den natürlichen Schluss dieses Tages. Es ist bereits angedeutet worden, dass der alte Ike zu seiner Zeit mehreren dieser Tiere das Lebenslicht ausgeblasen habe und unzweifelhaft mehr als eine Panthergeschichte erzählen könne.

»Nun denn, Fremde«, fing er an, »es ist schon richtig, dass dies da nicht der erste Panther ist, mit dem ich zusammengekommen bin. Ungefähr vor fünfzehn Jahren zog ich nach Louisiana und traf dort einen Panther, was eine seltsame Geschichte ist.«

»Ihr müsst sie auf jeden Fall erzählen«, riefen einige aus der Gesellschaft, indem sie näher zusammenrückten und sich zurechtsetzten, um aufmerksam zuzuhören. Wir alle wussten, dass eine Geschichte von Ike nur absonderlich sein konnte. Unsere Neugierde war daher aufs Höchste gespannt.

»Nun gut«, fuhr er fort, »es gibt dort unten in Louisiana Überschwemmungen, wie man sie meiner Meinung nach in anderen Ländern selten zu sehen bekommt. Hundert Meilen bin ich über solche Wasserflächen gefahren, wo nichts zu sehen war, als die Gipfel der Zypressen, die aus den Fluten hervorragten. Wie Sie wissen, kommt das große Wasser jedes Jahr, aber die echten, großen Überschwemmungen nur einmal in langer Zeit. Nun, wie gesagt, vor ungefähr fünfzehn Jahren ließ ich mich in der Red-River-Niederung, ungefähr fünfzig Meilen oder so etwas unterhalb Ratchiboches, nieder, wo ich mir eine Hütte baute. Ich hatte meine Frau und zwei Kleine im Staat Mississippi zurückgelassen, da ich beabsichtigte, sie im Frühjahr nachzuholen. Sie sehen also, dass ich ganz allein war, nur mit meiner alten Stute, einer Collinkschen Art, und natürlich mit meiner Büchse.

Ich war mit der Hütte bis auf das Ausstopfen der Ritzen und den Bau eines Schornsteines fertig. Was kam da anders, als eine von den verwünschten Überschwemmungen. Es war bei Nacht, als sie sich zu zeigen anfing. Ich lag schlafend auf dem Boden der Hütte. Das Erste, was ich davon bemerkte, war das Gefühl der Nässe, die durch meine alte Wolldecke drang. Erst hatte ich geträumt und glaubte, dass es regne, dann dachte ich wieder, dass ich im Mississippi ertrinke. Aber ich war noch nicht viele Sekunden munter, als ich merkte, was es eigentlich gab. So sprang ich wie ein erschreckter Rehbock auf und tappte zur Tür.

Als ich dort hinkam, sah ich einen schönen Anblick. Ich hatte um die Hütte ein Stück Land, ein paar Acker oder mehr, geklärt und die Baumstümpfe, gute drei Fuß hoch, stehen lassen. Jetzt war kein einziger Stumpf zu sehen. Meine Lichtung, mit Stümpfen und allem, stand unter Wasser. Ich konnte es rings um die Hütte zwischen den Bäumen glitzern sehen.

Mein erster Gedanke war natürlich meine Büchse. Ich kehrte also in die Hütte zurück und nahm sie schnell genug zu mir.

Nun ging ich zunächst zu meiner alten Stute hinaus. Sie war nicht schwer zu finden, denn wenn jemals ein Geschöpf Spektakel gemacht hat, so war sie es. Ich hatte sie dicht neben der Hütte an einen Baum gebunden. Die Art, wie sie kreischte, hätte einer Katze Vergnügen gemacht. Ich fand sie bis an den Bauch im Wasser. Sie sprang und plätscherte rings um den Baum herum. Sie hatte nichts am Leib als den Strick, womit sie angebunden war. Sattel und Zügel war alles weggeschwemmt worden. Ich machte also aus dem Strick eine Art von Halfter und setzte mich auf ihren bloßen Rücken.

Jetzt fing ich erst an, zu überlegen, wohin ich gehen sollte. Das ganze Land schien unter Wasser zu stehen. Mein nächster Nachbar wohnte drüben über der Prärie, zehn Meilen von mir. Ich wusste, dass sein Haus auf einer hohen Stelle lag, aber wie sollte ich dahin kommen? Es war Nacht, ich konnte mich verirren und geradewegs in den Fluss reiten.

Als ich das überlegte, so meinte ich, dass es besser sein würde, wenn ich bis zum Morgen bei meinem eigenen Schuppen bliebe. Ich konnte meine Stute darin anbinden, damit sie nicht weggeschwemmt würde. Ich selbst konnte auf das Dach klettern.

Während ich aber noch darüber nachdachte, merkte ich bereits, dass das Wasser immer höher stieg. Es fiel mir ein, dass es bald tief genug sein würde, um meine alte Stute zu ersäufen. Für mich selbst war mir nicht bange. Ich konnte auf einen Baum klettern und dort warten, bis das Wasser fiel. Aber ich würde die Stute verloren haben, und das arme Geschöpf war mir doch zu wertvoll, um es leichtsinnig aufzuopfern. Ich entschloss mich also, den Ritt durch die Prärie zu wagen. Es war keine Zeit mehr zu verlieren, auch nicht eine Minute. Ich gab also der Stute ein paar Rippenstöße und machte mich auf.

Den Weg zum Rand der Prärie fand ich leicht genug. Ich hatte ihn gekennzeichnet, als ich zum ersten Mal in die Gegend kam. Da die Nacht nicht sehr dunkel war, so konnte ich die Zeichen sehen, während ich zwischen den Bäumen hinritt. Meine Stute kannte den Weg ebenso gut wie ich und trabte mit gehöriger Geschwindigkeit vorwärts, denn sie wusste ebenfalls, dass wir keine Zeit zu verlieren hatten. In fünf Minuten kamen wir hinaus an den Rand der Prärie. Das ganze Ding war gerade so, wie ich erwartet hatte, mit Wasser bedeckt und sah wie ein großer Teich aus. Ich konnte es bis hinüber auf die andere Seite der Lichtung glänzen sehen.

Zum guten Glück vermochte ich eben noch die Bäume auf der anderen Seite der Prärie zu unterscheiden. Es stand da ein großer Haufen von Zypressen. Ich wusste, dass er gerade neben dem Haus meines Nachbarn lag. So gab ich denn meinem Tier die Peitsche und ritt gerade darauf los.

Als ich aus dem Holz herauskam, ging die Stute bis an die Hüften im Wasser. Natürlich hatte ich mich darauf gefasst gemacht, tüchtig waten zu müssen, aber es war mir doch nicht eingefallen, dass das Wasser noch viel höher steigen könnte, und gerade darin hatte ich mich geirrt.

Ich war noch nicht mehr als ein paar Meilen weit hinausgekommen, als ich entdeckte, dass das Wasser sehr schnell höher stieg, denn ich sah, wie die Stute immer tiefer hineinkam.

Nun nützte mir das Umkehren nichts mehr. Wenn ich die hohe Stelle nicht erreichte, so musste ich die Stute letztendlich verlieren. Ich redete also dem Tier zu, sein Möglichstes zu tun und auszuhalten. Das arme Vieh brauchte keine Peitsche. Es wusste ebenso gut wie ich, dass Gefahr vorhanden war. Es strengte sich aufs Äußerste an, soviel stand fest. Aber das Wasser stieg immer noch und blieb im Steigen, bis es ihm bis an die Schulter ging.

Nun fing ich an, ernstlich besorgt zu werden. Wir waren erst zur Hälfte hinüber und ich sah, dass wir für unser Leben schwimmen mussten, wenn es noch mehr stieg. Darin hatte ich mich denn auch nicht geirrt. Die Minute darauf schien es auf einmal tiefer zu werden, als ob die Prärie eine plötzliche Senke hätte. Ich hörte die Stute laut schnauben, dann ging sie unter, dass ich bis an die Brust einsank. Sie kam zwar im nächsten Augenblick wieder herauf, aber aus dem sanften Rudern konnte ich nun schon schließen, dass sie keinen Grund mehr hatte. Es war gewiss, dass sie schwamm.

Zuerst dachte ich daran, sie zur Hütte zurückzulenken und warf sie in dieser Absicht herum. Aber ich mochte sie drehen, nach welcher Seite ich wollte, immer fand ich, dass sie nirgends mehr Grund hatte.

Fremde, ich meine, dass ich damals in der Patsche saß. Ich fing an, zu glauben, dass sowohl für mich als für meine Stute das letzte Stündchen geschlagen habe, denn ich hielt es für ganz unmöglich, dass das Tier zu der anderen Seite würde schwimmen können, besonders mit mir auf dem Rücken und ganz besonders deswegen, weil diese Rippen hier damals ein gutes Teil mehr Fett auf sich hatten, als jetzt.

Nun, ich stand im Begriff, meine Rechnung abzuschließen. Ich hatte angefangen, an Mary und die Kinder zu denken, an das alte Häuschen am Mississippi und an eine Menge Dinge, die ich unbesorgt gelassen hatte, die mir nun in den Sinn kamen und mich beunruhigten. Die Stute plätscherte noch immer vorwärts, aber ich sah, dass sie immer tiefer einsank und schnell die Kräfte verlor. Auch wusste ich, dass sie nun nicht viel länger mehr aushalten konnte.

Nun fiel es mir ein, dass ich es ihr ein wenig erleichtern würde, wenn ich abstiege und mich an ihrem Schweif festhielt. Also glitt ich rückwärts über ihre Kruppe herunter und fasste sie bei dem Schwanz. Es half etwas, denn sie schwamm höher; aber wir kamen doch immer nur sehr langsam durch das Wasser. Ich hegte nur geringe Hoffnung, dass wir das Land erreichen würden.

Auf diese Art war ich ungefähr eine Viertelmeile weit bugsiert worden, als ich ein Stückchen vor uns etwas auf dem Wasser schwimmen sah. Es war bedeutend dunkler geworden, aber doch immer noch hell genug, um mich erkennen zu lassen, dass das Ding ein Baumstamm war.

Nun schoss mir der Gedanke durch das Hirn, dass ich mich wohl retten könnte, wenn ich auf den Stamm kletterte. Auch die Stute mochte dann vielleicht bessere Aussicht auf Rettung haben und konnte wohl gar irgendwo Grund finden, wenn sie mich nicht länger im Schlepptau hatte. Noch ein wenig wartete ich, bis wir dem Stamm etwas näherkamen; dann ließ ich den Schweif los, packte den Baumstamm und kletterte hinauf.

Die Stute schwamm weiter und, wie es schien, ohne mich sehr zu vermissen. Ich sah sie in der Dunkelheit verschwinden, aber ich nahm nicht einmal Abschied von ihr, denn ich fürchtete, dass meine Stimme sie zurückbringen und sie den Stamm mit den Hufen treffen und umwälzen könnte. Also blieb ich ruhig liegen und ließ sie ihren Weg allein verfolgen.

Ich befand mich noch nicht lange auf dem Stamm, als ich bemerkte, dass er sacht forttrieb, denn es gab eine Strömung im Wasser, die ziemlich scharf quer über die Prärie ging. Ich war auf das eine Ende des Stammes hinaufgeklettert und hatte mich rittlings daraufgesetzt. Aber da der Stamm tief im Wasser ging, so saß ich immer noch bis über die Schenkel in der Nässe.

In der Mitte, dachte ich, würde ich es bequemer haben, und wollte eben das Ding weiter unter mich bringen, als ich auf einmal bemerkte, dass auch auf dem anderen Ende des Stammes etwas hockte.

Es war jetzt nicht mehr sehr hell, denn der Himmel hatte sich immer mehr zugezogen, seit ich den Schuppen verließ, aber doch war es hell genug, um mich sehen zu lassen, dass das Ding da vorn ein Tier war. Von welcher Art aber, das konnte ich nicht sagen. Es mochte ein Bär sein oder auch nicht, aber ich hatte meine Gründe zu dem Verdacht, dass es entweder ein Bär oder ein Panther sein müsse.

Übrigens blieb ich nicht lange im Zweifel. Der Stamm ging beim Forttreiben immer im Kreis herum. Als das Tier in ein anderes Licht kam, funkelten mir einen Augenblick seine Lichter entgegen. Sogleich sah ich, dass das keine Bärenaugen waren. Es waren Pantheraugen, so viel stand fest.

So saß ich denn eine geraume Zeit da und rührte weder Hand noch Fuß. Ich wagte es nicht einmal, eine Bewegung zu machen, denn ich fürchtete, das könnte das Vieh verlocken, mich anzugreifen.

Leider hatte ich keine andere Waffe, als mein Messer, denn meine Büchse hatte ich fallen lassen, als ich vom Rücken der Stute herunterglitt. Sie musste schon lange auf den Grund gegangen sein. So war ich also ganz und gar nicht imstande, den Kampf mit dem Panther aufzunehmen, und beschloss in Folge dessen, ihn ganz in Ruhe zu lassen, so lange er nur mich ungeschoren ließ.

Nun, ich meine, wir trieben so wohl eine gute Stunde lang weiter fort, ohne dass sich einer von uns gerührt hätte. Wir saßen einander gegenüber. Wenn die Strömung dann und wann den Baumstamm in eine Art von schaukelnder Bewegung brachte, so verbeugten wir beide uns ganz höflich voreinander wie ein paar Brettsäger. Ich konnte fortwährend sehen, dass das Vieh die Augen auf mich gerichtet hielt, und ich für meinen Teil wendete die meinen nicht von ihm ab, denn ich wusste, dass dies das einzige Mittel war, es in Ruhe zu halten.

Als ich eben überlegte, was wohl das Ende vom Lied sein würde, sah ich, dass wir dem Gehölz näherkamen. Es war nicht weiter als zwei Meilen entfernt, aber es stand bis an die Wipfel der Bäume ganz unter Wasser. Ich dachte, wenn der Stamm zwischen die Zweige treiben würde, so könnte ich heruntergleiten und einen Baum packen, ohne meinem Reisegefährten etwas davon zu sagen.

Eben in diesem Augenblick zeigte sich etwas gerade vor dem Stamm. Es sah wie eine Insel aus, aber was konnte eine Insel hierhergebracht haben? Dann besann ich mich, dass ich in dieser Gegend der Prärie ein Stück hohes Land gesehen hätte, eine Art Hügel, der vermutlich von den Indianern herrührte. Das Ding, was wie eine Insel aussah, musste also die Spitze dieses Hügels sein, das stand so ziemlich fest.

Der Stamm trieb in einer Richtung, die mich schließen ließ, er müsste auf zwanzig Schritte an dem Hügel vorbeikommen. Ich beschloss also, sobald wir daneben anlangen würden, darauf los zu schwimmen und den Panther seine Reise ohne mich fortsetzen zu lassen.

Als ich die Insel zuerst erblickte, hatte ich etwas gesehen, was ich für Gebüsch hielt. Aber es gab kein Gebüsch auf dem Hügel, so viel wusste ich.

Nun, als ich etwas näherkam, entdeckte ich, dass die vermeinten Büsche Tiere waren, nämlich Hirsche, denn ich erkannte das Geweih eines Bockes zwischen mir und dem Himmel. Aber es stand noch etwas Größeres da, als ein Hirsch. Es konnte ein Pferd sein, es konnte auch ein Stier sein, aber ich hielt es für ein Pferd.

Auch hatte ich richtig geraten, denn es war allerdings ein Pferd, und zwar eine Stute, und diese Stute war keine andere, als mein altes Tier.

Nach unserer Trennung hatte sie sich in der Strömung gewendet und war zum guten Glück gerades Weges zu der Insel geschwommen. Dort stand sie nun und sah so glatt aus, als ob sie mit Fett eingeschmiert worden wäre.

Ich dachte, dass der Stamm nun nahe genug sei, glitt mit so wenig Geräusch als möglich von dessen Ende herunter und ließ ihn los. Aber kaum hatte ich mich im Wasser ausgestreckt, als ich einen Plumps hinter mir hörte. Beim Herumschauen bemerkte, dass der Panther ebenfalls den Stamm verlassen und sich gleich mir ins Wasser begeben hatte.

Zuerst dachte ich, dass er es auf mich abgesehen hatte, und zog mit einer Hand das Messer, während ich mit der anderen schwamm. Aber der Panther hatte dieses Mal keine Lust zum Kämpfen. Er schwamm selbst ziemlich schlecht und schien froh genug zu sein, wenn er auf trockenes Land käme, ohne mich zu belästigen. So ruderten wir nebeneinander fort, ohne nur ein Laut miteinander zu wechseln.

Es lag mir nichts daran, ein Wettschwimmen daraus zu machen. Ich ließ das Vieh also an mir vorbei, damit es nicht hinten bleiben und mir zufällig zwischen die Beine geraten könnte.

Natürlich landete er zuerst, und ich konnte am Stampfen der Hufe hören, dass sein plötzliches Erscheinen unter den Tieren auf der Insel keinen schlechten Schrecken hervorgebracht hatte. Ich sah die Hirsche und meine Stute auf dem Boden umhertanzen, als ob der Alte mit dem Pferdefuß selbst unter sie geraten wäre.

Keins von allen dachte jedoch daran, wieder ins Wasser zu gehen. Ich meine, davon hatten sie alle gerade genug. Ich schwamm ein wenig weiter, um nicht in der Nähe des Panthers zu landen. Als ich dann Grund fasste, kletterte ich ruhig auf den Hügel. Kaum hatte ich mich triefend aus dem Wasser gerettet, als ich das laute Wiehern meiner alten Stute vernahm. In demselben Augenblick kam auch das gute Tier herbeigelaufen und rieb seine Nase an meiner Schulter. Ich erfasste den Halfter, ging ein wenig zur Seite und sprang ihr auf den Rücken, denn ich hatte immer noch Besorgnis vor dem Panther. Der Rücken der Stute schien mir der sicherste Zufluchtsort, obwohl er gerade auch nicht so ganz sicher war.

Nun schaute ich mich ein wenig nach der Gesellschaft um, in die ich geraten war. Der Tag brach eben an und ich konnte mit jeder Minute etwas besser sehen. Der Gipfel des Hügels, der über dem Wasser stand, war nicht größer als ein halber Acker und so leer an Bäumen, wie jeder andere Teil der Prärie, sodass ich jeden Zoll desselben und jeden Gegenstand bis zur Größe einer Baumwanze unterscheiden konnte.

Fremde, ich fürchte, Sie werden mir kaum glauben, wenn ich Ihnen die Versammlung von Viehzeug beschreibe, die sich dort zusammengefunden hatte. Ich konnte kaum meinen Augen trauen, als ich diese Versammlung sah, und glaubte mich in die Arche Noah versetzt. Da gab es, hören Sie wohl, Fremde, zuerst meine alte Stute und mich, und ich hätte gewünscht, dass wir beide wo anders gewesen wären. Dann war da der Panther, unser alter Bekannter, dann gab es vier Hirsche, einen Bock mit drei Ricken. Dann kam eine Wildkatze und neben ihr ein schwarzer Bär, fast so groß wie ein Büffel; dann gab es einen Waschbär, ein Opossum, ein paar graue Wölfe, ein Sumpfkaninchen und, hol’s der Henker, auch noch ein abscheuliches Stinktier. Vielleicht war das Letztere nicht gerade das gefährlichste Vieh von allen, aber jedenfalls war es das unangenehmste von der ganzen Bande, denn es roch, wie nur ein verwünschter Iltis riechen kann.

Ich habe gesagt, Fremde, dass ich höchlichst überrascht war, als ich diese merkwürdige Versammlung von Tieren erblickte. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich mich noch mehr verwunderte, als ich ihr gegenseitiges Benehmen bemerkte, da ich doch ihren verschiedenartigen Charakter genau kannte. Da lag der Panther dicht neben den Hirschen, seiner natürlichen Beute, und da war der Bär und der schlaue alte Waschbär, und dort waren sie alle und kümmerten sich so wenig eines um das andere, als ob sie ihr ganzes Leben in derselben Horde zusammen zugebracht hätten.

Es war wirklich der merkwürdigste Anblick, den ich noch jemals gehabt habe. Er erinnert mich an ein Stück Schrift, das mir meine alte Mutter oftmals aus der Bibel vorgelesen hat, von dem Löwen nämlich, der so zahm war, dass er sich neben ein Lamm zu kauern pflegte, ohne das unschuldige Tier zu berühren.

Nun gut, Fremde, wie gesagt, die ganze Gesellschaft betrug sich genau auf diese Art. Sie schienen alle niedergeschlagen zu sein und sich heftig vor dem Wasser zu scheuen. Aber ich fürchtete, dass der Panther oder der Bär, die anderen beachtete ich weiter nicht, ihren Schrecken überwinden könnten, ehe das Wasser fiel. Deshalb verhielt ich mich während der ganzen Zeit, als ich in Gesellschaft der Tiere war, so ruhig wie sie und blieb fortwährend dicht neben der Stute. Aber weder der Bär noch der Panther zeigten während des Tages oder der darauffolgenden Nacht irgendeine Spur von Wildheit.

Fremde, es würde Sie langweilen, wenn ich Ihnen beschreiben wollte, was alles während dieses langen Tages und der Nacht unter den Tieren stattfand. Keins von allen berührte das andere mit Klauen oder Zähnen. Ich selbst war ziemlich hungrig und hätte gern ein Stück von den Keulen eines der Hirsche gehabt, aber ich durfte es nicht wagen. Ich fürchtete mich, den Frieden zu stören, was zu einem allgemeinen Kampf hätte führen können.

Als am Morgen darauf der Tag anbrach, sah ich, dass die Flut im Fallen war. Sobald sie seicht genug schien, führte ich meine Stute ruhig in das Wasser, kletterte auf ihren Rücken und nahm stillen Abschied von meinen Gefährten. Das Wasser ging meiner Stute immer noch bis an die Weichen, sodass ich wusste, dass keins von dem Viehgeschmeiß folgen konnte, ohne zu schwimmen. Kein einziges schien aber geneigt zu sein, das zu versuchen.

Die gerade Richtung zum Haus meines Nachbars einschlagend, das ich in einer Entfernung von ungefähr drei Meilen sehen konnte, kam ich nach einer Stunde oder etwas mehr vor seiner Tür an, hielt mich aber dort nicht lange auf, sondern borgte mir eine Extraflinte, welche er zufällig hängen hatte, nahm ihn mit seiner eigenen Büchse mit und ließ meine Stute zu der Insel zurückwaten.

Wir fanden das Wild nicht ganz so wieder, wie ich es verlassen hatte. Das Fallen des Wassers hatte dem Panther, der Katze und den Wölfen Mut gegeben. Infolge dessen waren das Sumpfkaninchen und das Opossum rein verschwunden, bis auf ein wenig von ihren Haaren. Einer von den Hirschen war mehr als zur Hälfte aufgezehrt worden.

Mein Nachbar nahm nun die eine Seite und ich die andere, so ritten wir hinzu und schlossen die Insel ein.

Ich streckte den Panther auf den ersten Schuss nieder, und mein Nachbar tat das Nämliche mit dem Bären. Dann machten wir uns an die Wölfe, hierauf an den Waschbär. Dann nahmen wir uns Zeit mit den Hirschen, die nebst dem Bären die einzigen wertvollen Geschöpfe auf der Insel waren. Das Stinktier schossen wir zuletzt, da wir uns von dem Ding nicht den Platz verstinken lassen wollten, während wir die Hirsche ausweideten.

Nachdem wir das Stinktier geschossen hatten, stiegen wir auf und ritten natürlich mit dem Bärenfleisch und dem Wildbret davon.

Meine Büchse bekam ich am Ende auch wieder. Nachdem sich die Flut verlaufen hatte, fand ich sie ungefähr in der Mitte der Prärie, halb im Schlamm versunken.

Ich sah, dass ich meine Hütte am unrechten Ort gebaut hatte, aber ich suchte mir bald eine bessere Stelle aus und errichtete eine andere. Im Frühjahr hatte ich alles fertig, worauf ich zum Mississippi zurückging, Mary und die zwei Kleinen nachholte.«

Das merkwürdige Abenteuer des alten Ike bestätigte uns der eigentümliche Zug in dem Charakter von Raubtieren, auch der Kuguare, dass sie allen Mut verlieren, wenn die Natur sie mit großer Gefahr bedroht. Bei solchen Gelegenheiten übt die Furcht einen erschlaffenden Einfluss auf sie aus und unterdrückt gänzlich ihre Wildheit, sodass sie andere, in die gemeinschaftliche Gefahr verwickelte Tiere, selbst wenn dieselben ihre sonst natürliche und gewöhnliche Beute ausmachen, nicht beunruhigen. Fast jeder von uns hatte dies irgendeinmal beobachtet. Der alte Naturforscher sowie die Führer erzählten mancherlei Vorfälle, welche diese merkwürdige Tatsache bestätigten. Auch der berühmte Humboldt spricht von einem Beispiel, welches er auf dem Orinoco beobachtete, wo er einen wilden Jaguar mit einigen anderen Tieren, alle mehr oder weniger von Schreck erfüllt, ruhig und friedlich auf ein und demselben Stamm forttreiben sah.

Ikes Geschichte hatte dem Doktor so gut gefallen, dass er ihn mit einem Schluck aus der Zinnflasche belohnte. Bei dieser Gelegenheit ging die Flasche sogar im Kreis umher, da der Tag ungewöhnlich interessant gewesen war. Die Tötung eines Kuguars ist selbst in den wildesten Gegenden des Hinterwaldes ein seltenes Abenteuer.