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Sherlock Holmes Detektivkomödie in vier Aufzügen Teil 18

Sherlock Holmes
Detektivkomödie in vier Aufzügen
Frei nach Motiven aus Conan Doyles Romanserie
Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig. 1906

Personen:
Sherlock Holmes, Detektiv; Dr. Mors; Lady Katogan; Inspektor Knox; Inspektor Smallweed; Frau Chease, Vermieterin; ein Straßenkehrerjunge; Forbs, Musiker; Harway; Govern; Sybill; Jim; Mento; Jack; Lord Oberrichter; Professor Johnson; Lormonzoff, Klaviervirtuose; Mrs. Wyler; Miss Wyler; Miss Lenox; Mr. Tower; Mrs. Tower; Mr. O’Brien; Miss O’Brien; Mr. Taylor; Mrs. Wellburn; Miss Garden; Polizisten; Gauner

Ort der Handlung: London

Zeit: Die Gegenwart

Uraufführung am 2. Juli 1906 an Ferdinand Bonns Berliner Theater in Berlin.

Dritter Aufzug

Düsteres verfallenes Zimmer in einem alten Haus.

Im Boden eine Falltür, eine eiserne Gittertür in der Mitte. Gerümpel, leere Fässer usw. In der Mitte ein Tisch. Es ist völlig dunkel. Ab und zu scheint der Mond, den oft Wolken bedecken, zu der runden Öffnung herein, die aufs Dach führt.

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Holmes.

Holmes. Guten Abend, lieber Doktor! Bin ich hier richtig? Sie sehen, ich habe Ihrer freundlichen Aufforderung Folge geleistet. Ihr Bote traf mich noch in Covent Garden. Ich eilte von Ihrer Soiree, gleich nachdem ich mein Experiment mit der flüssigen Luft gemacht hatte, dahin, kam aber nur mehr zum letzten Akt. Na, tut nichts, ich gehe doch in sämtliche Wiederholungen. Es war himmlisch. Als ich Ihr Schreiben erhielt, dachte ich anfangs, Sie wollten mir eine Falle stellen, dann aber versetzte ich mich in Ihre Lage und kam zu der Überzeugung, dass Ihre Aufforderung zu dem Tausch ehrlich gemeint war. Denn erstens nützt Ihnen die Lady – o, guten Abend, Mylady, ich sah Sie nicht gleich – ohne das Testament ja gar nichts. Und zweitens fiele es Ihnen doch schwer, die Lady gegen ihren Willen bei sich zu behalten. Und darum bin ich hergegangen, allein, ohne Waffe, in vollem Vertrauen auf die Richtigkeit meiner Kombination.

Mors (mit leisem Hohn). Es ist etwas Schönes, wenn man so kombinieren kann!

Holmes. Vor allem bin ich entzückt darüber, dass die Lady jetzt aufgeklärt ist, mich nicht mehr für den Verbrecher hält, sondern weiß, woran sie mit Ihnen ist.

Sybill (eilt zu Holmes und küsst ihm in scheinbar dankbarer Aufwallung die Hand).

Holmes. O nicht doch – nicht doch, Mylady, was tun Sie! Die reine Kundry. Ich komme eben aus Parsifal, ich sage Ihnen herrlich, herrlich! Das müssen Sie sich ansehen, gleich Morgen, Lady! Darf ich Ihnen zwei Plätze besorgen?

Den zweiten natürlich für mich, das soll mein Lohn sein.

Zugestanden?

Sybill (nickt).

Holmes. Ah, tausend Dank, also jetzt wollen wir zum Geschäft übergehen. Übrigens Mors, warum konnten wir denn das nicht in Ihrer schönen bequemen Wohnung abmachen? Warum mussten wir in diese miserable Gegend?

Mors. Fragen Sie doch Ihre Kombinationsgabe.

Holmes. Ja, Sie haben recht. Dort in Ihrem Haus sind Sie ja der stille Gelehrte. Und dann liegt Ihnen mein heutiger Besuch noch auf den Nerven. Es ist auch zu viel auf einmal. Um acht Uhr die Puppe, um zehn Uhr die flüssige Luft – und jetzt ist es zwölf – nein, nein, fürchten Sie nichts. Für heute bin ich zu Ende mit meinen Experimenten. »Durch Mitleid wissend, der reine Tor!« Sie müssen sich das auch anhören, Doktor! Schändlich, dass man einen solchen Genius die Hälfte seines Weges nur beschimpft und behindert hat. Daran darf man gar nicht denken, ohne Menschenfeind zu werden. Der Doktor hat ganz recht! Die Menschheit bedient sich des Genies, warum soll sich das Genie nicht einmal der Menschheit bedienen. Es ist so eine Art Racheakt von ihm! Aber ich gerate in meine Ideologie, die Sie ja nicht lieben. Voyons! Also zum Geschäft. Sie verlangten die Auslieferung des Testaments. Hier ist es. Dafür verlässt die Lady frei mit mir dies Haus. Was verstehen Sie darunter? Verstehen Sie es so, dass wir allerdings das Haus frei verlassen, dafür aber an der nächsten Straßenecke abgefasst werden?

Mors. Dagegen haben Sie sich durch die elf Polizisten gesichert, die in der Nachbarschaft verteilt sind.

Holmes. Das haben Sie bemerkt?! Einen Blick haben Sie!

Eminent! Jetzt sehe ich, dass Sie es wirklich ernst meinen.

Darf ich Ihnen eine Zigarette anbieten. (Er zündet sich eine an.)

Mors. Danke!

Holmes. Aber Sie erlauben, dass ich rauche. Den Tapeten wird es hoffentlich nichts schaden.

Beide (setzen sich an den Tisch).

Sybill (sitzt im Hintergrund).

Holmes. Ich habe keinen Zweifel, dass es Ihnen nun mehr gelingen wird, die Erbschaft zu beheben. Ich fühle mich aber gewissermaßen als Anwalt der Lady. Ein bisschen müssen Sie ihr ablassen, alles dürfen Sie nicht einstecken!

Mors. Wenn die Erbschaft behoben ist, ohne dass von Ihnen der geringste Schritt unternommen wird, mein Tun zu stören, wird auf den Namen der Lady eine halbe Million in die Bank von England eingezahlt werden.

Holmes. Sie nehmen das »Bisschen« etwas zu wörtlich, lieber Doktor. Sie sind ein Schmutzian, Mors. Elfeinhalb Millionen stecken Sie ein, und eine halbe gestehen Sie gnädigst uns zu. Sagen Sie eine ganze, und das Geschäft ist gemacht.

Mors. Wenn Sie beide augenblicklich abreisen und sich verpflichten, ein Jahr London nicht zu betreten – zugestanden!

Holmes. Gut. Meine Stimme leidet in dem Londoner Nebel. Nach Italien! Nach Italien! (Er singt.) »Italia, mein Vaterland, wie schön bist du zu schauen.« Pfui! Drehorgelmusik. Eigentlich eine Profanation nach den heiligen Klängen. Also abgemacht. Aber tausend Pfund Vorschuss auf die Million werden Sie nicht unbescheiden finden.

Mors (zieht ein Scheckbuch heraus und unterschreibt einen Scheck).

Holmes. So, jetzt reiche ich Ihnen das Testament hinüber, und Sie den Scheck herüber. Wissen Sie, im Mittelalter, wenn zwei Herrscher, die Krieg führten, einander nicht trauten, kamen sie auf einer Brücke zusammen, wo in der Mitte eine Barriere gezogen war. Manchmal war einer gemein und stach den andern in den Bauch. Wie hieß doch der Herzog, dem das passierte? Ah – jetzt sind wir an der Barriere. Stechen Sie mich nicht. So! – schön – alles in Ordnung.

Beide (haben die Papiere ausgetauscht).

Holmes. Eigentlich eine Gemeinheit von mir. Ich unterstütze das Verbrechen um einen Kaufpreis. Ja, wie sagt Goethe so treffend im Tasso: »So zwingt das Leben uns zu scheinen, ja, zu sein, wie jene, die wir kühn und stolz verachten konnten!« Sans comparaison natürlich, Doktor, denn Sie wissen, ich achte Sie außerordentlich hoch! Und nun, Lady, wollen wir die teuer erworbene Sicherheit genießen. Darf ich um Ihren Arm bitten? (Er reicht der Lady den Arm.) Adieu, Mors! – Was ist denn das? – Das sind aber spitzige Ellbogen. Das ist nicht der Arm von Lady Katogan, der ist viel runder, voller – wollen Sie nicht Ihr Gesicht zeigen? Ah, das ist doch unglaublich. Mir scheint, ich bin reingefallen. Ich bin doch noch immer zu naiv. Also Sie haben mir bloß das Testament herausgelockt. Mir scheint nämlich, dass dies Ihre sogenannte Grau ist, welche hier die Rolle der Lady mit etwas zu spitzen Ellbogen spielt. Sie haben jetzt die Lady und das Testament dazu! Zum Teufel, Mors, das ist das letzte Spiel, das ich mit Ihnen spiele.

Mors. Das glaub’ ich auch!

Holmes. Sie haben mich nach allen Regeln der Kunst geprellt! Da hört alles auf. Sogar der berüchtigte Goodwock, Sie wissen, der vor zwei Jahren gehangen wurde, hat mir Wort gehalten in einer ähnlichen Situation, und ich ihm, denn ich hatte ihm versprochen, ihn an den Galgen zu bringen. Ich denke, das könnte man von einem anständigen Raubmörder verlangen, dass er wenigstens Wort hält.

Mors. Haben Sie bald genug geschwätzt?

Holmes. Donnerwetter! Alles, was recht ist. Aber mir zu schreiben, den Austausch vorzuschlagen! Ich komme daher, übergehe Ihnen das Testament, und Sie verkleiden Ihre alte Rombombel als Lady.

Sybill. Sie frecher Hund! Gehen Sie zum Teufel, sonst dreht man Ihnen den Kragen um.

Holmes (zu Mors lachend). Das ist die Lady nicht, das ist die höchst verehrungswürdige Dame Sybill. Exeusez Madame, die Rombombel ist mir so heraus gerombombelt. Aber das sage ich Ihnen, Mors, jetzt brauch ich mein Wort auch nicht zu halten. Ich denke nicht daran, London zu verlassen. Ich nehme den Kampf wieder auf. Sie haben vergessen, dass ich elf Polizisten auf der Straße habe. Die hole ich jetzt herauf.

Mors. Ja, ja! Beeilen Sie sich, Sie Stümper!

Holmes (mit gespieltem Zorn). Was?! Stümper! Den Stümper werden Sie bereuen? Jetzt werden Sie mich kennen lernen. Aber was reg’ ich mich auf. Sie sind mir sicher. Dies Haus ist umstellt, hier entkommen Sie nicht, Stümper … (Er geht wütend ab.)