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Deutsche Märchen und Sagen 29

Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

29. Herr Halewein

Es war einmal ein Herr, hieß Herr Halewein, der sang also lieblich und fein, dass jedermann davon bezaubert war und bei ihm sein wollte. Nun war da auch eine schöne Königstochter, als die ihn singen hörte und ihn sah, da blieb sie vor ihren Herrn Vater stehen, sprach: »Ach, Vater, lass mich zu Herrn Halewein gehen.«

Sprach der König: »Nein, mein Töchterlein, wer zu dem geht, der kehrt nicht wieder. Schon manch einer ließ bei ihm sein Leben.«

Da ging sie vor ihre Frau Mutter und sprach: »Frau Mutter, lass mich zu Herrn Halewein gehen.«

Sprach die Mutter: »Nein, mein Töchterlein; wer zu dem geht, der kehrt nicht um, manch Mägdlein ließ bei ihm Leben und Blut.«

Da blieb sie vor ihre Schwester stehen: »Schwester, lass mich zu Herrn Halewein gehen.«

Sprach die Schwester: »Nein, wer zu dem geht, der kehrt nicht um. Von den Mädchen, die zu ihm gingen, hat keiner mehr was gehört.«

Da ging sie zuletzt zu ihren Herrn Bruder. »Bruder, lass mich zu Herrn Halewein gehen.«

Sprach der Bruder: »Wohin du gehst, das schiert mich nicht, wenn du deine Ehre nur rein behältst.«

Da ging sie in ihr Kämmerlein, zog ein schön fein Kleid an, dass sie war wie ein Engel. Dann sprang sie auf des Königs Pferd und ritt hin zum Wald. Mitten im Wald fand sie Herrn Halewein.

Der sprach: »Willkommen, willkommen, schönes Mägdelein! Nun geh mit mir auf mein großes Schloss, da gebe ich dir Geld, Schätze und Edelsteine.«

Da ritten sie selbander fort, sprachen manch Liebeswort, bis sie kamen auf ein Galgenfeld. Ach, da hing so manch schöne Magd! Ach, da wurde es der Königstochter so schwer ums Herz!

Da sprach Herr Halewein: »Weil du ein so schön Mägdlein bist, so wähle, ob du willst gehängt sein, oder ob ich dir dein schönes Haupt mit dem Schwert abschlagen soll.«

Sprach die Königstochter: »Wenn du mich wählen lässt, dann wähle ich mir das Schwert, das ist ein ehrlicher Tod. Zieh aber zuvor deinen schönen Rock aus. Jungfrauenblut, das springt so sehr, das spränge dir drauf.«

Da wollte Herr Halewein seinen Rock abwerfen, doch hatte er kaum einen Ärmel aus, da lag ihm sein Haupt schon zu Füßen.

Da sprach das Haupt: »Neben dem Galgengrab, da steht ein Salbentöpfchen, daraus streiche mir etwas an meinen Mund.«

»Nein«, sprach sie, »du sollst sterben.« Sie tat es nicht und da starb er in derselben Stunde.

Das Haupt aber nahm sie, schwang sich wieder auf ihr Ross und ließ Herrn Halewein liegen in seinem roten Blut. Als sie zur Hälfte des Weges kam, da begegnete ihr Herrn Haleweins Vater.

Der fragte: »Wie steht es um Herrn Halewein?«

Sie sprach: »Der sitzt dort im grünen Feld und spielt mit sechzehn Mägdelein.«

Ein wenig weiter kam sein Bruder des Wegs und fragte: »Wie steht es um Herrn Halewein?«

Sie sprach: »Der hat mir seine Kunst erklärt, ich ließ ihn mit sechzehn Jungfrauen allein.«

Und abermals ein wenig weiter, kam seine Schwester gegangen und fragte: »Wie steht es um meinen Bruder wert?«

Sie sprach: »Euer Bruder ist ein mächtiger Held, ich habe ihn mit sechzehn Jungfrauen gleichgestellt.«

Und noch ein wenig weiter kam ihr Herrn Haleweins Mutter entgegen, die fragte: »Wie steht es um meinen lieben Sohn?«

Sie sprach: »Euren Sohn habe ich seines Lebens beraubt, in meinem Schoß trage ich sein Haupt.«

Da weinte die Mutter und rief: »Hättest du eher gesprochen das Wort, wir ständen hier nicht zusammen.«

»Acht dich nur glücklich, hässliches Weib, dass du deinen Leib behalten magst!«

Da ritt sie weiter hin bis auf des Königs Schloss und da wurde sie mit Freude und Jubel empfangen. Ein jeder pries sie um ihrer Heldentat willen.