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Die drei Musketiere 23

Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
4. bis 6. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung

VII.

Das Rendezvous

D’Artagnan lief in aller Eile nach Hause. Obwohl es morgens drei Uhr war und er die abscheulichsten Quartiere von Paris zu durchwandern hatte, begegnete ihm doch nichts Schlimmes. Bekanntlich wacht ein Gott über den Trunkenen und Verliebten.

Er fand die Tür zu seinem Gang halb offen, stieg die Treppe hinauf und klopfte auf eine zwischen ihm und seinem Lakaien abgemachte Weise sachte an. Planchet, den er zwei Stunden vorher mit dem Befehl, auf ihn zu warten, aus dem Stadthaus zurückgeschickt hatte, öffnete ihm.

»Hat jemand einen Brief für mich gebracht?«, fragte d’Artagnan lebhaft.

»Niemand hat einen Brief gebracht, gnädiger Monsieur«, antwortete Planchet, »aber es ist einer ganz allein gekommen.«

»Was willst du damit sagen, Dummkopf?«

»Ich will damit sagen, dass ich bei meiner Rückkehr, obwohl ich den Schlüssel Eurer Wohnung in der Tasche hatte, und dieser nicht aus derselben gekommen war, auf dem grünen Teppich des Tisches in Eurem Schlafzimmer einen Brief gefunden habe.«

»Und wo ist dieser Brief?«

»Ich ließ ihn, wo er war, gnädiger Monsieur. Es geht nicht mit natürlichen Dingen zu, dass Briefe auf diese Art zu den Leuten kommen. Wäre wenigstens das Fenster offen oder nur auch halb geöffnet gewesen, so würde ich nichts sagen. Aber nein, alles war hermetisch verschlossen. Seid auf Eurer Hut, Monsieur, denn sicherlich ist hierbei ein Zauberwerk im Spiel.«

Während dieser Zeit stürzte der junge Mann in das Zimmer und öffnete den Brief. Er war von Frau Bonacieux und in folgenden Worten abgefasst:

Man hat Euch lebhaften Dank abzustatten und zu überbringen. Findet Euch diesen Abend gegen zehn Uhr in St. Cloud vor dem Pavillon ein, der sich an der Ecke des Hauses von Monsieur d’Estrées erhebt.

C. B.

Als d’Artagnan diesen Brief las, fühlte er, wie sich sein Herz unter jenem süßen Kampf, der Liebende quält und liebkost, erweiterte und zusammenschnürte.

Es war der erste Liebesbrief, den er erhielt, das erste Rendezvous, das ihm bewilligt wurde. Von der Trunkenheit der Freude übervoll war sein Herz nahe daran, auf der Schwelle des irdischen Paradieses, das man Liebe nennt, zu brechen.

»Nun, gnädiger Monsieur«, sagte Planchet, der seinen Gebieter bald blass, bald rot werden sah. »Nicht wahr, ich habe richtig erraten, es ist eine abscheuliche Geschichte?«

»Du täuschst dich, Planchet«, antwortete d’Artagnan, »und zum Beweis hast du hier einen Taler, um auf meine Gesundheit dafür zu trinken.«

»Ich danke dem gnädigen Monsieur für den Taler, den er mir gibt, und verspreche ihm seine Anweisung pünktlich zu befolgen. Darum ist es aber nicht minder wahr, dass Briefe, welche auf diese Art in die geschlossenen Häuser kommen …«

»Vom Himmel fallen, mein Freund, vom Himmel fallen.«

»Der gnädige Monsieur ist also zufrieden?«, fragte Planchet.

»Mein lieber Planchet, ich bin der Glücklichste der Sterblichen.«

»Und ich darf das Glück des gnädigen Monsieurs benutzen, um mich schlafen zu legen?«

»Ja, geh.«

»Alle Segnungen des Himmels mögen auf den gnädigen Monsieur herabströmen, darum ist es aber nicht minder wahr, dass dieser Brief …«

Planchet entfernte sich, den Kopf schüttelnd und mit einer Miene des Zweifels, den d’Artagnans Großmut nicht gänzlich zu beseitigen vermocht hatte.

Allein in seinem Zimmer, las d’Artagnan das Billett wieder und wieder. Dann küsste er wohl zwanzigmal diese von seiner schönen Geliebten geschriebenen Zeilen. Endlich legte er sich nieder, entschlummerte und träumte goldene Träume.

Um sieben Uhr morgens stand er auf und rief Planchet, der, mit noch einigen Spuren von der gestrigen Ausschweifung im Gesicht, auf den zweiten Ruf die Tür öffnete.

»Planchet«, sagte d’Artagnan zu ihm, »ich entferne mich vielleicht für den ganzen Tag. Du bist also bis sieben Uhr abends frei; aber um sieben Uhr halte dich mit zwei Pferden bereit.«

»Ah, gnädiger Monsieur«, sprach Planchet, »es scheint, wir wollen uns die Haut noch an verschiedenen Stellen durchstechen lassen.«

»Du nimmst deine Muskete und deine Pistolen.«

»Schön, sagte ich es doch!«, rief Planchet. »Dahinter steckt ganz bestimmt der verdammte Brief.«

»Sei ruhig, alberner Tropf, es handelt sich ganz einfach um eine Vergnügungspartie.« »Ja, wie bei den Lustreisen von neulich, wo es Kugeln regnete und die Wolfsfallen blühten.«

»Wenn du übrigens Furcht hast, Planchet«, sprach d’Artagnan, »so werde ich allein gehen. Ich will lieber allein reisen, als einen zitternden Gefährten bei mir haben.«

»Der gnädige Monsieur tut mir Unrecht«, sagte Planchet. »Es scheint mir doch, er hat mich bei der Arbeit gesehen.«

»Ja, aber ich glaubte. Du hättest all deinen Mut auf einmal verbraucht.«

»Der gnädige Monsieur wird sehen, dass ich vorkommendenfalls noch übrig habe, nur bitte ich, nicht zu verschwenderisch damit umzugehen, wenn mir noch lange etwas davon bleiben soll.«

»Meinst du, du könnest heute Abend noch eine gewisse Summe ausgeben?«

»Ich hoffe es.«

»Gut, ich zähle auf dich.«

»Zur genannten Stunde werde ich bereit sein. Ich glaubte nur, der gnädige Monsieur hätte nur ein Pferd im Stall der Garden.«

»Vielleicht findet sich in diesem Augenblick nur eines daselbst, aber diesen Abend werden vier dort sein.«

»Unsere Reise war, scheint es, eine Remonte-Reise?«

»Ganz richtig«, sagte d’Artagnan, schärfte Planchet seinen Austrag durch eine Gebärde noch einmal ein und entfernte sich.

Monsieur Bonacieux stand an seiner Tür. D’Artagnan wollte vorbeigehen, ohne mit dem würdigen Krämer zu sprechen. Aber dieser grüßte ihn so zuckersüß und freundlich, dass sich der Mietsmann nicht nur genötigt sah, den Gruß zurückzugeben, sondern auch ein Gespräch mit ihm anzuknüpfen.

Wie sollte man nicht ein wenig Herablassung gegen einen Mann zeigen, dessen Frau einem für denselben Abend ein Rendezvous vor dem kleinen Pavillon des Monsieur d’Estrées in St. Cloud gegeben hat? D’Artagnan näherte sich ihm mit der liebenswürdigsten Miene, die er anzunehmen imstande war.

Man kam natürlich auf die Einkerkerung des armen Mannes zu sprechen. Monsieur Bonacieux, der nicht wusste, dass d’Artagnan seine Unterredung mit dem Mann von Meung gehört hatte, erzählte seinem jungen Mietsmann die Verfolgungen dieses Ungeheuers von Laßmann, den er unablässig während seiner Mitteilungen als den Henker des Kardinals bezeichnete, und verbreitete sich mit vielen Worten über die Bastille, die Riegel, die Pforten, die Luftlöcher, die Gitter und die Folterwerkzeuge.

D’Artagnan hörte ihm mit musterhafter Gefälligkeit zu und sagte, als er geendet hatte:

»Und wie steht es mit Frau Bonacieux? Wisst Ihr, wer sie entführt hat? Denn ich vergesse nicht, dass ich diesem unangenehmen Umstand die Ehre Eurer Bekanntschaft zu danken habe.«

»Ah!«, rief Monsieur Bonacieux, »sie haben sich wohl gehütet, mir dies zu sagen, und meine Frau hat mir bei allen Göttern geschworen, dass sie nichts wisse. Aber Ihr selbst«, fuhr Bonacieux mit äußerst gutmütigem Ton fort, »was ist mit Euch in all diesen Tagen vorgegangen? Ich habe weder Euch noch Eure Freunde gesehen, und Ihr habt wohl nicht auf dem Pflaster von Paris all den Staub gesammelt, den Planchet gestern aus Euren Stiefeln klopfte?«

»Ihr habt recht, mein lieber Monsieur Bonacieux. Meine Freunde und ich machten eine kleine Reise.«

»Weit von hier?«

»O mein Gott, nein, höchstens vierzig Meilen. Wir begleiteten Monsieur Athos zu den Bädern von Forges, wo meine Freunde zurückgeblieben sind.«

»Und Ihr seid zurückgekehrt, nicht wahr?«, versetzte Monsieur Bonacieux, indem er seinem Gesicht ein höchst witziges Aussehen zu geben trachtete. »Ein hübscher Junge, wie Ihr, erhält keine langen Urlaube von seiner Geliebten. Und wir wurden ungeduldig zurückerwartet, nicht wahr?«

»Meiner Treu«, erwiderte der junge Mann lachend, »ich gestehe Euch dies umso eher, mein lieber Monsieur Bonacieux, als ich sehe, dass man Euch nichts verbergen kann. Ja, ich wurde erwartet, und zwar sehr ungeduldig, dies mögt Ihr glauben.«

Eine leichte Wolke zog über Bonacieuxs Stirne, aber so leicht, dass es d’Artagnan nicht gewahr wurde.

»Und wir werden für unseren Eifer belohnt?«, fuhr der Krämer mit einem beinahe unmerklichen Zittern seiner Stimme fort, einem Zittern, das d’Artagnan ebenso wenig bemerkte, als die augenblickliche Wolke, welche einen Augenblick vorher das Antlitz des würdigen Mannes verdüstert hatte.

»Ah! Schweigt doch«, sagte d’Artagnan lachend.

»Nein«, versetzte Bonacieux, »ich sage Euch dies nur, um zu erfahren, ob wir spät nach Hause kommen.«

»Warum diese Frage, mein lieber Wirt?«, entgegnete d’Artagnan. »Habt Ihr vielleicht im Sinn, auf mich zu warten?«

»Nein, aber seit meiner Verhaftung und dem Diebstahl, der bei mir begangen wurde, erschrecke ich, so oft ich eine Tür öffnen höre, und zwar besonders bei Nacht. Verdammt! was wollt Ihr? Ich bin kein Kriegsmann.«

»Schon gut, erschreckt meinetwegen nicht, wenn ich erst um zwei oder drei Uhr zurückkehre. Erschreckt nicht, wenn ich auch gar nicht nach Hause komme.«

Diesmal wurde Bonacieux so bleich, dass es d’Artagnan nicht entgehen konnte, weshalb er ihn auch fragte, was ihm sei.

»Nichts«, antwortete Bonacieux, »nichts. Seit meinen Unglücksfällen bin ich Schwächen unterworfen, die mich plötzlich befallen, und es hat mich soeben ein Schauder überlaufen. Achtet nicht darauf, denn Ihr habt Euch doch nur damit zu beschäftigen, glücklich zu sein.«

»Dann habe ich Beschäftigung, denn ich bin es.«

»Noch nicht, wartet noch. Ihr sagtet diesen Abend.«

»Wohl, dieser Abend wird kommen, Gott sei Dank! Und Ihr erwartet ihn wohl mit ebenso großer Ungeduld wie ich? Vielleicht wird Madame Bonacieux das eheliche Gemach besuchen.«

»Madame Bonacieux ist diesen Abend nicht frei«, erwiderte der Gatte sehr ernst. »Sie wird durch ihren Dienst im Louvre zurückgehalten.«

»Desto schlimmer für Euch, mein lieber Wirt, desto schlimmer. Wenn ich glücklich bin, wünsche ich, die ganze Welt wäre es. Aber es scheint, das ist nicht möglich.«

Der junge Mann entfernte sich, laut lachend über den Scherz, den er allein verstehen zu können glaubte.

»Unterhaltet Euch gut«, erwiderte Bonacieux mit einer Leichenstimme.

Aber d’Artagnan war bereits zu weit entfernt, um ihn zu hören, und hätte er ihn gehört, so würde er es in seiner Gemütsstimmung gewiss nicht verstanden haben.

Er wandte sich zur Villa des Monsieurs de Tréville. Sein Besuch war am Tag vorher, wie man sich erinnern wird, sehr kurz gewesen und hatte wenig Erläuterungen herbeigeführt.

Er fand Monsieur de Tréville in der vollen Freude seines Herzens. Der König und die Königin hatten sich auf dem Ball höchst freundlich gegen ihn benommen. Der Kardinal war allerdings unter dem Vorwand einer Unpässlichkeit höchst verdrießlich gewesen. Er entfernte sich schon um ein Uhr morgens. Ihre Majestäten kehrten erst um sechs Uhr in den Louvre zurück.

»Nun«, sprach Monsieur de Tréville, die Stimme dämpfend und mit dem Blick alle Winkel des Zimmers durchforschend, um zu sehen, ob sie allein waren. »Nun, sprechen wir von Euch, mein junger Freund, denn Eure glückliche Rückkehr spielt offenbar eine Rolle bei der Freude des Königs, bei dem Triumph der Königin und bei der Demütigung Sr. Eminenz. Ihr müsst auf Eurer Hut sein.«

»Was habe ich zu fürchten?«, antwortete d’Artagnan, »so lange ich mich des Glückes erfreue, bei Ihren Majestäten in Gunst zu stehen?«

»Glaubt mir. Alles. Der Kardinal ist nicht der Mann, eine Mystifikation zu vergessen, so lang er noch nicht mit dem Mystifizierenden abgerechnet hat. Und dieser scheint mir ganz einem gewissen jungen Mann von meiner Bekanntschaft zu gleichen.«

»Glaubt Ihr, der Kardinal sei so gut unterrichtet, als Ihr, und wisse, dass ich in London gewesen bin?«

»Teufel! Ihr seid in London gewesen und von London habt Ihr diesen schönen Diamanten mitgebracht, der an Eurem Finger glänzt? Nehmt Euch in Acht, mein lieber d’Artagnan. Es ist nichts Gutes um ein Geschenk von einem Feind. Gibt es nicht hierüber einen lateinischen Vers?«

»Ja, allerdings«, antwortete d’Artagnan, der nie die erste Regel der Elemente hatte in den Kopf bringen können und oft durch seine Unwissenheit seinen Lehrer in Verzweiflung brachte. »Ja, allerdings, es gibt einen hierüber.«

»Ganz gewiss«, sprach Monsieur de Tréville, dem es nicht an einem wissenschaftlichen Anstrich fehlte. »Und Monsieur von Benserade zitierte mir ihn eines Tages … Geduld … Ah! Ich habe es:

… Timeo Danaos et dona ferentes.

Das bedeutet: »Misstraut dem Feind, wenn er Euch Geschenke gibt.«

»Dieser Diamant kommt nicht von einem Feind, gnädiger Monsieur«, entgegnete d’Artagnan, »er kommt von der Königin.«

»Von der Königin! Oh! Oh!«, sprach Monsieur de Tréville. »Das ist ein wahrhaft königlicher Juwel, der tausend Pistolen, wie einen Heller wert ist. Durch wen hat Euch die Königin dieses Geschenk zustellen lassen?«

»Sie hat es mir selbst übergeben.«

»Wo?«

»In dem Kabinett, welches an das Zimmer stößt, wo sie ihre Toilette wechselte.«

»Wie?«

»Indem sie mir die Hand zum Kuss reichte.«

»Ihr habt die Hand der Königin geküsst?«, rief Monsieur de Tréville d’Artagnan anschauend.

»Ihre Majestät hat mir die Ehre erzeigt, mir diese Gnade zu bewilligen.«

»Und dies in Gegenwart von Zeugen? Unvorsichtige, dreimal unvorsichtige Frau!«

»Nein, gnädiger Monsieur, seid unbesorgt. Niemand hat es gesehen«, erwiderte d’Artagnan und erzählte Monsieur de Tréville den Hergang der Sache.

»O die Weiber! Die Weiber!«, rief der alte Soldat, »ich erkenne sie an ihrer romanhaften Einbildungskraft. Alles entzückt sie, was geheimnisvoll klingt. Also habt Ihr nur den Arm gesehen, und nicht weiter? Ihr würdet der Königin begegnen und sie nicht wiedererkennen? Sie würde Euch begegnen und nicht wissen, wer Ihr seid?«

»Nein, aber durch diesen Diamanten …«, versetzte der junge Mann.

»Hört«, sprach Monsieur de Tréville, »soll ich Euch einen Rat geben, einen guten Rat, einen Freundesrat?«

»Ihr werdet mir eine Ehre erweisen, gnädiger Monsieur«, sprach d’Artagnan.

»Wohl! So geht zu dem ersten besten Goldschmied und verkauft diesen Diamanten um das, was er Euch dafür gibt! So knauserig er auch sein mag, so werdet Ihr doch immerhin achthundert Pistolen dafür bekommen. Pistolen haben keinen Namen, junger Mann, aber dieser Ring hat einen furchtbaren Glanz, der seinen Träger verraten kann.«

»Diesen Ring verkaufen! Einen Ring, den ich von meiner Fürstin erhalten habe! Nie!«, sagte d’Artagnan.

»Dann dreht den Stein nach innen, armer Narr; denn man weiß, dass ein Junker aus der Gascogne keine solche Juwele in dem Schmuckkästchen seiner Mutter findet.«

»Ihr glaubt also, dass ich etwas zu befürchten habe?«, fragte d’Artagnan.

»Das heißt, junger Mann, dass derjenige, welcher auf einer Mine einschläft, deren Lunte angezündet ist, sich im Vergleich mit Euch für sicher halten darf.«

»Teufel!«, sprach d’Artagnan, den der bestimmte Ton des Monsieurs de Tréville zu beunruhigen anfing. »Teufel! und was soll ich tun?«

»Stets und vor allem auf Eurer Hut sein. Der Kardinal hat ein beharrliches Gedächtnis und eine lange Hand. Glaubet mir, er wird Euch einen schlimmen Streich spielen.«

»Aber welchen?«

»Weiß ich es? Hat er nicht alle Ränke des Teufels in seinem Dienst? Das Geringste, was Euch widerfahren kann, ist, dass man Euch verhaftet.«

»Wie, man sollte es wagen, einen Mann im Dienst Seiner Majestät zu verhaften?«

»Bei Gott, hat man sich bei Athos viel darum bekümmert. Glaubt jedenfalls, junger Tor, einem Mann, der seit dreißig Jahren bei Hofe lebt, entschlummert nicht in Eurer Sicherheit, oder Ihr seid verloren. Seht vielmehr im Gegenteil überall Feinde, das sage ich Euch. Sucht man einen Streit mit Euch, weicht aus, und wäre es ein Kind von zehn Jahren, das mit Euch anbinden wollte. Greift man Euch bei Tag oder bei Nacht an, nehmt fechtend Euren Rückzug und schämt Euch dessen nicht. Geht Ihr über eine Brücke, so betastet die Bretter, aus Furcht, es könnte etwas unter Euren Füßen weichen. Kommt Ihr an einem Ort vorüber, wo man ein Haus baut, schaut in die Höhe, es könnte Euch ein Stein auf den Kopf fallen. Kehrt Ihr spät in der Nacht heim, so lasst Euch von Eurem Bedienten begleiten, und dieser sei bewaffnet, wenn Ihr Euch überhaupt auf Euren Bedienten verlassen könnt. Misstraut aller Welt, Euren Freunden, Eurem Bruder, Eurer Geliebten besonders.«

D’Artagnan errötete. »Meiner Geliebten«, wiederholte er mechanisch, »und warum ihr mehr, als einer anderen?«

»Die Geliebte ist das Lieblingsmittel des Kardinals, es gibt kein wirksameres. Eine Frau verkauft Euch um zehn Goldstücke, dies beweist Delila. Ihr kennt die Heilige Schrift, he?«

D’Artagnan dachte an das Rendezvous, das ihm Madame Bonacieux für diesen Abend gegeben hatte, aber unserem Helden zum Lob sei es gesagt, die schlechte Meinung, welche Monsieur de Tréville im Allgemeinen von den Frauen hatte, flößte ihm nicht den geringsten Verdacht gegen seine junge Wirtin ein.

»Aber apropos«, versetzte Monsieur de Tréville, »was ist denn aus Euren drei Gefährten geworden?«

»Ich war im Begriff, Euch zu fragen, ob Ihr keine Kunde von Ihnen erhalten hättet.«

»Keine, Monsieur.«

»Nun, ich habe sie auf meiner Reise zurückgelassen. Porthos in Chantilly mit einem Duell auf den Armen, Aramis in Crevecoeur mit einer Kugel in der Schulter, Athos in Amiens mit einer Falschmünzeranklage auf dem Leibe.«

»Seht Ihr!«, rief Monsieur de Tréville, »und wie seid Ihr entkommen?«

»Ich muss gestehen, durch ein Wunder, gnädiger Monsieur, mit einem Degenstich in der Brust, und indem ich den Grafen von Wardes auf der Straße von Calais in die Gosse spießte wie einen Schmetterling in die Tapete.«

»Da seht Ihr abermals! Von Wardes, einen Mann des Kardinals, einen Vetter von Rochefort. Hört, mein Freund, es kommt mir ein Gedanke.«

»Sprecht, gnädiger Monsieur.«

»An Eurer Stelle würde ich etwas tun.«

»Was?«

»Während ich Seine Eminenz suchen ließe, würde ich ganz in aller Stille den Weg nach der Picardie einschlagen und mich nach meinen drei Gefährten erkundigen. Den Teufel! sie verdienen wohl diese kleine Aufmerksamkeit von Euch.«

»Der Rat ist gut und ich werde morgen reisen.«

»Morgen! Und warum nicht diesen Abend?«

»Diesen Abend hält mich eine unerlässliche Angelegenheit in Paris zurück.«

»Ah! Junger Mann! Junger Mann! Irgendein Liebschäftchen. Nehmt Euch in Acht, ich muss Euch wiederholen, das Weib hat uns insgesamt ins Verderben gestürzt und wird uns verderben, so lange wir bestehen. Folgt mir, reist noch diesen Abend.«

»Unmöglich, gnädiger Monsieur.«

»Ihr habt Euer Wort gegeben?«

»Ja, gnädiger Monsieur.«

»Das ist ein anderes Ding, aber versprecht mir, morgen zu reisen, wenn Ihr in dieser Nacht nicht getötet werdet.«

»Ich verspreche es Euch.«

»Braucht Ihr Geld?«

»Ich habe noch fünfzig Pistolen. Mehr brauche ich, glaube ich, nicht.«

»Aber Euere Gefährten.«

»Ich denke nicht, dass es ihnen daran fehlt. Wir sind jeder mit fünfundsiebzig Pistolen in der Tasche von Paris abgereist.«

»Werde ich Euch noch vor Eurem Abgang sehen?«

»Es ist nicht wahrscheinlich, gnädiger Monsieur, wenn nichts Neues vorfällt.«

»Dann glückliche Reise!«

»Ich danke, gnädiger Monsieur.«

D’Artagnan verabschiedete sich von Monsieur de Tréville, mehr als je gerührt durch seine wahrhaft väterliche Fürsorge für seine Musketiere.

Er ging hintereinander zu Athos, zu Porthos und zu Aramis. Keiner von ihnen war zurückgekehrt. Auch ihre Bedienten waren noch abwesend und man hatte nicht die geringste Kunde von ihnen.

Wohl hätte er sich gern bei ihren Geliebten nach ihnen erkundigt, aber er kannte weder die von Porthos noch die von Aramis. Athos hatte keine.

Als er an dem Gebäude der Garden vorüberkam, warf er einen Blick in den Stall.D von den vier Pferden waren bereits eingetroffen. Obwohl sehr erstaunt, war Planchet doch schon im Zug, sie zu striegeln, und hatte zwei von ihnen vollkommen geputzt.

»Ah! gnädiger Monsieur!«, sprach er, als er d’Artagnan gewahr wurde, »wie freut es mich. Euch zu sehen!«

»Und warum, Planchet?«, fragte der junge Mann.

»Habt Ihr Vertrauen zu Monsieur Bonacieux, unserem Wirt?«

»Ich? Nicht im Geringsten.«

»Oh! Daran tut Ihr sehr wohl, gnädiger Monsieur.«

»Warum diese Frage?«

»Darum, weil ich, während Ihr mit ihm plaudertet, Euch beobachtete, ohne Euch zu hören. Sein Gesicht hat zwei- bis dreimal die Farbe gewechselt.«

»Bah!«

»Nur mit dem Brief beschäftigt, den er erhalten hatte, hat es der gnädige Monsieur nicht wahrgenommen. Aber ich, den der auf so seltsame Weise ins Haus gekommene Brief behutsam gemacht hatte, ich habe keine Bewegung seiner Physiognomie verloren.«

»Und du fandest sie?«

»Verräterisch, gnädiger Monsieur.«

»In der Tat?«

»Mehr noch – sobald der gnädige Monsieur ihn verlassen hatte und an der Straßenecke verschwunden war, nahm Monsieur Bonacieux seinen Hut, verschloss die Tür und lief aus Leibeskräften durch die entgegengesetzte Straße.«

»Du hast wirklich recht, all dies kommt mir sehr zweideutig vor. Sei ohne Sorge, wir bezahlen ihm unseren Mietzins nicht eher, bis er uns die ganze Geschichte auf eine kategorische Weise erklärt hat.«

»Der gnädige Monsieur scherzt, aber er wird sehen.«

»Was willst du, Planchet! Was geschehen soll, steht im Buch des Schicksals geschrieben.«

»Der gnädige Monsieur verzichtet also nicht auf seinen Abendspazierritt?«

»Ganz im Gegenteil, Planchet, je mehr ich Monsieur Bonacieux grolle, desto mehr bin ich entschlossen, mich bei dem Rendezvous einzufinden, das mir der Brief gegeben hat, der dich so sehr beunruhigt.«

»Wenn es also der Entschluss des gnädigen Monsieurs ist …«

»Der unerschütterliche Entschluss, mein Freund. Um sieben Uhr halte dich hier am Haus bereit. Ich hole dich ab.«

Als Planchet sah, dass keine Hoffnung vorhanden war, seinen Monsieur zur Verzichtleistung auf sein Vorhaben zu bewegen, stieß er einen tiefen Seufzer aus und schickte sich an, auch das dritte Pferd zu striegeln.

D’Artagnan, im Grunde ein sehr kluger junger Mann, ging, um zu Mittag zu speisen, nicht nach Hause, sondern zu dem gascognischen Priester, der zu der Zeit, wo die vier Freunde auf der Hefe waren, ein Schokoladenfrühstück zum Besten gegeben hatte.