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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Zweiter Teil – Einunddreißigste Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Einunddreißigste Erzählung

Beweis, dass die Gespensterfurcht oft höchst unglücklich macht

Im Jahr 1774 ging Beckert, ein neunjähriger Knabe im sächsischen Städtchen Freyburg gegen Abend mit einem seiner älteren Mitschüler, Namens Förster, vor dem Stadttor in der Gegend des Galgens spazieren. Es war bereits in der Zeit des Zwielichts, als sie dicht vor dem Gerichtsplatz vorbeigingen. Des Spaßes halber rief Förster seinem Schulfreund hastig und ängstlich zu: »Sieh, Beckert! Dort vom Galgen herab ruft es dich.« Der Knabe erschrak heftig über diese Worte und dachte gar nicht daran, dass sein Freund wohl nur scherze. Voller Angst und Bestürzung lief er in unaufhaltsamer Eile zur Stadt zurück, sodass ihm jener so schnell folgen konnte. Ganz erschöpft an Kräften und sehr erhitzt setzte er sich, um auszuruhen, auf einen kühlen steinernen Sitz vor dem Haus seiner Eltern. Kurze Zeit darauf bekam er epileptische Anfälle, die ihm unfehlbar der heftige Schrecken, verbunden mit der plötzlichen Abkühlung auf dem Stein, zugezogen hatte. Ungeachtet die geschicktesten Ärzte zurate gezogen wurden, nahm seine Krankheit mit jedem Jahr zu, und niemals ist das verscherzte, unschätzbare Glück der Gesundheit wieder sein Teil geworden. Er starb in seiner Vaterstadt Freyburg am 1. September 1796, im 31. seiner Lebensjahre, in einem epileptischen Krampf, der ihn des Nachts in seiner Einsamkeit überfallen und aus dem Bett geworfen hatte. Der gute Förster hatte sich das Unglück der Krankheit seines Freundes, welches sein gedankenloser Kinderscherz veranlasst hatte, so sehr zu Gemüt gezogen, dass er melancholisch wurde und im Irrenhaus zu Torgau sein trauriges Leben schon früher als Beckert endete.

So machte also das jederzeit gefährliche, scherzhafte Erschrecken zunächst zwei Menschen unglücklich und verursachte noch obendrein in zwei Familien die empfindlichsten Leiden. Was kann uns lebhafter von den Gefahren der Gespensterfurcht überzeugen, als der Erfolg dieses Schreckens! Und was mehr, als diese traurige Begebenheit, uns vor jenem unsittlichen, zweideutigen Vergnügen warnen, welches das scherzhafte Furchteinjagen gewährt!