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Abenteuer des Captains Bonneville 08

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Siebentes Kapitel

Rückzug der Blackfeed. Fontenelles Lager in Gefahr. Captain Bonneville und die Blackfeed. Freie Biberfänger. Ihr Charakter, ihre Gewohnheiten, Kleidung, Ausrüstung und Pferde. Gebirgsjäger. Ihr Besuch im Lager. Gute Kameradschaft und gute Bewirtung. Ein Gelage. Eine Aufschneiderei. Ein Zank und Wiederaussöhnung.

Als die Krieger der Blackfeed ihren mitternächtlichen Rückzug aus ihrem regellosen Fort in Pierre’s Hole bewerkstelligt hatten, zogen sie sich in das Seed-ske-dee oder Green River Valley zurück, wo sie sich mit dem Haupttrupp ihrer Schar vereinigten. Ihre ganze Macht belief sich auf siebenhundert waffenfähige Männer, finster und durch ihr letztes Unglück erbittert. Sie hatten ihre Weiber und Kinder bei sich, was sie außerstande setzte, irgendein bedeutendes, kühnes und kriegerisches Unternehmen auszuführen. Als sie aber im Lauf ihrer Wanderungen Fontenelles Lager erblickten, der eine Strecke des Green River Valley hinaufgegangen war, um die freien Biberfänger aufzusuchen, so erhoben sie ein furchtbares Kriegsgeschrei und näherten sich grimmig, als ob sie es angreifen wollten. Ein weiteres Besinnen mäßigte jedoch ihre Wut. Sie erinnerten sich der eben erhaltenen ernsten Lektion und die Stärke von Fontenelles Stellung, der sein Lager mit großer Vorsicht aufgeschlagen hatte, konnte ihnen nicht entgehen.

Es fand eine förmliche Unterredung. Statt. Die Blackfeed sagten nichts von dem letzten Treffen, von welchem Fontenelle noch keine Nachricht erhalten hatte. Letzterer kannte jedoch die feindliche und treulose Weise dieser Wilden und benachrichtigte sie sorgfältig vom Lager des Captains Bonneville, um sie in Kenntnis zu setzen, dass sich noch mehrere Weiße in der Nachbarschaft befänden.

Die Unterredung endete damit, dass Fontenelle einen Delawaren von seiner Partie abschickte, um fünfzehn Blackfeed in das Lager des Captains Bonneville zu führen. Es befanden sich damals zwei Crow im Lager des Captains, die erst neuerlich dorthin gekommen waren. Sie sahen diese Abgesandten ihrer unversöhnlichen Feinden mit Schrecken und machten dem Captain eine fürchterliche Schilderung von ihnen, indem sie ihn versicherten, das Beste, was er tun könne, wäre die Abgesandten der Blackfeed auf der Stelle umzubringen.

Der Captain jedoch, der noch nichts vom Gefecht in Pierre’s Hole vernommen hatte, lehnte die Willfahrung dieses klugen Rats ab und behandelte diese grimmigen Krieger mit seiner gewöhnlichen Leutseligkeit. Sie brachten einige Zeit in dem Lager zu, sahen ohne Zweifel, dass alles mit militärischer Geschicklichkeit und Wachsamkeit geleitet wurde, und dass ein solcher Feind nicht leicht überfallen, noch ungestraft belästigt werden könne. Sie nahmen sodann Abschied, um alles, was sie gesehen hatten, ihren Kameraden mitzuteilen.

Die zwei Späher, welche Captain Bonneville losgeschickt hatte, um die Schar der freien Biberfänger aufzusuchen, die von Fontenelle erwartet wurde, und sie in sein Lager einzuladen, waren in ihrem Aufsuchen glücklich gewesen, und am 12. August erschienen diese Ehrenmänner. Um die Bedeutung der Benennung freie Biberfänger zu erklären, ist es notwendig, die Bedingungen anzugeben, unter welchen diese Leute sich in den Dienst der Fur Trade Compagnie werben lassen. Einige von ihnen beziehen einen regelmäßigen Sold und werden mit Waffen, Pferden, Fallen und anderen Erfordernissen versehen. Diese stehen unter Befehl und sind verbunden, alles zu verrichten, was mit dem Dienst in Verbindung steht, wie zum Beispiel jagen, fangen, die Pferde zu bepacken und wieder abzuladen, die Wache zu beziehen, kurz, jeden kleinen Dienst des Lagers versehen zu helfen. Diese sind gemietete Biberfänger.

Die freien Biberfänger sind eine unabhängigere Klasse. Indem wir sie beschreiben, tun wir wenig mehr, als dass wir die Schilderung abschreiben, die Captain Bonneville von ihnen entwirft.

»Sie kommen und gehen«, sagt er, »wann und wohin es ihnen beliebt. Sie stellen sich ihre Pferde, Waffen und sonstige Gerätschaften selbst, fangen und handeln für ihre eigene Rechnung und verkaufen ihre Felle und Pelze dem Meistbietenden. Bisweilen und in gefährlichen Jagdgegenden schließen sie sich dem Lager irgendeines Pelzhändlers des Schutzes halber an. Hier haben sie sich einigen Einschränkungen zu unterwerfen, sich den gewöhnlichen Vorschriften beim Biberfang zu unterziehen und an den allgemeinen Verpflichtungen teilzunehmen, die zur Erhaltung der guten Ordnung und Sicherheit des Lagers angeordnet sind. Zur Erwiderung dieses Schutzes und Aufenthaltes im Lager sind sie verbunden, alle Biber, die sie fangen, dem Pelzhändler, der das Lager befehligt, zu einem gewissen Preis für das Fell, zu überlassen. Sollten sie aber vorziehen, einen anderen Markt für ihre Waren aufzusuchen, dann haben sie ihm eine Vergütung von dreißig bis vierzig Talern für die ganze Jagd zu leisten.

Es gibt eine geringere Klasse, die entweder aus Klugheit oder Armut ohne Pferde und Ausrüstung, die ihnen von den Pelzhändlern gestellt werden, in diese gefährlichen Jagdreviere kommen. Diese sind, wie die gemieteten Biberfänger verbunden, sich auf das Äußerste anzustrengen, um Biber zu fangen, die sie ohne abzuziehen in die Lagerhütte des Pelzhändlers abliefern, wo ihnen ein festgesetzter Preis für jeden gutgeschrieben wird. Ob diese gleich unter dem allgemeinen Namen der freien Biberfänger mit einbegriffen werden, so führen sie doch die eigentümlichere Benennung der Felltrapper.

Die wandernden Weißen, die sich einige Zeit unter den Wilden aufhalten, sind ohne Ausnahme geneigt, ihre wilden Gewohnheiten anzunehmen; allein keine mehr, als die freien Biberfänger. Sie setzen eine gewisse Eitelkeit und ihren Ehrgeiz darin, alles von sich abzustreifen, was den Stempel des gesitteten Lebens trägt, und Sitten und Gewohnheiten, Kleidung, Gebärden und selbst den Gang der Indianer anzunehmen.

Man kann einem freien Biberfänger kein größeres Kompliment machen, als wenn man ihm schmeichelt, dass man ihn für einen indianischen Helden angesehen habe, und das Konterfei ist in der Tat vollkommen. Sein Haar, das er so lang wie möglich wachsen lässt, wird sorgfältig ausgekämmt und hängt ihm entweder nachlässig über die Schulter oder es wird in niedliche Zöpfe geflochten, mit Otterfellen oder buntfarbigen Bändern aufgebunden. Ein gefälteltes Jagdhemd von lebhaft farbigem Baumwollentuch oder verziertem Leder geht ihm bis auf die Knien herab, unter welchem er ein Paar son derbar façonnierte Beinkleider oder Gamaschen trägt, die mit Schnüren, Quasten und einer Menge Falkenschellen behangen sind, bis zum halben Schenkel herauf, und dicht mit zierlichen Knöpfen besetzt, bis auf ein Paar Mokassins oder Wildlederschuhe von der schönsten indianischen Arbeit hinabreichen. Eine wollene Decke von Scharlach oder sonst einer lebhaften Farbe hängt ihm über die Schultern herab und wird mit einer roten Binde, worin er seine Pistolen, sein Messer und das Rohr seiner indianischen Pfeife trägt, um den Leib befestigt: Vorbereitungen zum Frieden oder Krieg. Seine Flinte ist verschwenderisch mit kleinen stählernen Nägeln beschlagen, mit Zinnober angestrichen und einem mit Fransen besetzten Überzug versehen, der gewöhnlich aus einem Bockfell gefertigt, und hier und dort mit einer Feder geschmückt ist. Sein Pferd, das dem Gebirgsjäger zum Stolz, Vergnügen und Nutzen gereicht, wird nach seiner Schnelle, seinem Mut und stolzierenden Gang gewählt und steht in seiner Schätzung nur ihm selbst nach. Es teilt sein Wohlwollen und seine Eigenliebe im reichen Maße, und er schirrt es prächtig auf. Es ist auf die auffallendste und wunderlichste Art mit Decken geschmückt. Zaum und Schwanzriemen sind reich mit Knöpfen und Rosetten besetzt. In die Kopf-, Mähnen- und Schwanzhaare sind eine Menge Adlerfedern eingeflochten, die im Wind flattern. Um diese groteske Ausschmückung zu vervollständigen, wird das stolze Tier mit Zinnober oder weißem Thon gestreift oder betupft, was nur immer den auffallendsten Kontrast mit seiner wahren Farbe bilden mag.«

Dies ist die Schilderung, die Captain Bonneville von diesen Wanderern der Wildnis entwirft. Ihre Erscheinung im Lager hatte etwas äußerst Charakteristisches. Sie kamen im Galopp herangesprengt, feuerten ihre Flinten ab und erhoben ein gellendes Geschrei, gleich den Indianern. Ihre von der Sonne gebräunten Gesichter und langes, fliegendes Haar, ihre troddeligen langen Gamaschen, ihre Mokkasins, ihre buntfarbigen Wolldecken und ihre bunt aufgezäumten, bemalten Pferde gaben ihnen so ganz die Miene und das Ansehen von Indianern, dass es schwer war, sich zu überzeugen, dass es Weiße, im zivilisierten Leben erzogene Menschen waren.

Captain Bonneville war mit dem jägerhaften Aussehen dieser Gebirgskavaliere sehr zufrieden und bewillkommte sie herzlich in seinem Lager. Er befahl, sie umsonst mit Grog zu bewirten, was sie bald in die prahlerischte Stimmung versetzte. Sie nannten den Captain den bravsten Kerl von der Welt und seine Leute alle bons garçons, lustige Burschen, und schworen, den Tag mit ihnen zu verleben. Dies taten sie, und der Tag wurde mit Aufschneidereien und Bramarbasieren hingebracht. Die Vornehmsten der Eisenfresser und Brave unter den freien Biberfängern hatten jeder einen Anhang von Novizen unter des Captains Leuten, die noch Neulinge und mit der indianischen Lebensweise gänzlich unbekannte Menschen waren – Mangeurs de lard oder Speckesser, wie solche Neuankömmlinge vom stolzen Veteranen der Wildnis im Übermut genannt werden. Diese konnte er mit der Erzählung seiner erstaunlichen Taten unter den Indianern, der Wunder, die er gesehen und auf seinen abenteuerlichen Zügen in die Gebirge verrichtet hatte, stundenlang ergötzen.

Am Abend zogen die freien Biberfänger ab und kehrten sehr vergnügt über den Erfolg ihres Besuches und ihre neue Bekanntschaft in Fontenelles Lager mit dem Versprechen zurück, am folgenden Tage wiederzukommen. Sie hielten Wort und erneuerten ihre Besuche täglich. Sie machten mit Captain Bonnevilles Leuten gute Brüderschaft. Es ging Zug um Zug, bis beide Partien durch das geistige Getränk mächtig überzeugt oder vielmehr überwältigt wurden.

Nun entstand Verwirrung und Aufruhr. Man ließ die freien Biberfänger nicht mehr allein prahlen. Die Renommisten des Lagers und ersten Biberfänger der Partie fingen ihrerseits an, heftig zu werden, und mit ihren überstandenen Gefahren und vollbrachten Taten zu prahlen. Jede Partie versuchte jetzt die andere im Schreien und Aufschneiden zu überbieten. Wie es sich von selbst versteht, entstand ein Streit und eine Generalschlägerei nach der Gewohnheit der Grenzländer. Die beiden Fraktionen zogen mit ihren Streitkräften zu einem förmlichen Treffen aus. Sie gingen tätlich zu Werk und prügelten sich tüchtig ab. Fußtritte, Maulschellen, Faustschläge und derbe Püffe wurden nach Verdienst ausgeteilt, nachdem sie sich einander nach Herzenslust durchgebläut und sich so die vertraute Bekanntschaft ihrer gegenseitigen Tapferkeit und sonstigen guten Eigenschaften beigebracht hatten, sie den Kampf damit beendeten, dass sie wärmere Freunde wurden, als es durch eine jahrelange, friedliche Kameradschaft hätte geschehen können.

Während Captain Bonneville sein Vergnügen daran hatte, den Charakter und die Gewohnheiten dieser sonderbaren Menschenklasse kennenzulernen, indem er ihnen für dieses Mal ihren Tollheiten nachsah, nahm er die Gelegenheit wahr, von ihnen Nachrichten über die verschiedenen Teile des Landes, das sie gewöhnlich durchzogen, den Charakter der wilden Völkerstämme und kurz über alles einzuziehen, was für seine Unternehmung von einiger Wichtigkeit sein konnte. Es gelang ihm ebenfalls, mehrere Individuen in seine Dienste zu bekommen, die ihn auf seinen Wanderungen leiten, unterstützen und die nächste Jagdzeit von ihm zum Biberfangen verwendet werden konnten.

Nachdem er seine Schar mit solchen schätzbaren Rekruten vermehrt hatte, fühlte er sich einigermaßen wegen des Verlustes der Delawaren getröstet, die ihm Herr Fontenelle verführt hatte.