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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 25

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

25. Wie Rübezahl sich eines armen Studenten annimmt.

Rübezahl mag ohnehin ein Freund von Studenten gewesen sein. Aber zu der Zeit, als er auf den Bergen frei herrschte, war es freilich anders als jetzt, wo er sich nur selten zeigt. Gab es damals noch keine Pferde, die den Postmeistern die Orden verdienten, sondern es musste jeder, der kein Pferd war, erst etwas Tüchtiges lernen, dabei viel Geld aufwenden und wurde vielleicht am Ende doch nichts, obwohl er gelaufen war, so gut wie ein Wagen, und mühselig gezogen hatte, so gut wie ein Postpferd, geschweige denn, dass er einen Orden errungen hätte. Damals gab es meist arme Studenten. Diese hatten manchmal kaum das liebe Brot, und nur manche davon kamen endlich, wie ihr Bauern sagt, per aspera ad astra, und wenn nicht hier, doch nach dem Tod gewiss die meisten.

Solchen armen Studenten half nun Rübezahl, wo er nur wusste und konnte.

So ein Student, aus Trautenau gebürtig, war es, der auch einst übers Gebirge ging. Im Gehen dachte er an dieses und an jenes und wurde dabei immer schwermütiger, denn er wusste ja nicht, wie er seine Studien fortsetzen und ob je etwas aus ihm werden würde. Wenn man aber an dieses und an jenes denkt, so kann man sehr wohl schwermütig werden. Darum, meint der Kräuterklauber, ist es am besten, man denkt gar nicht, besonders heutzutage, wo das Denken gar zu gefährlich ist. Nun, unser Student von damals dachte aber. Wie er so in Gedanken dahinstricht und das Herz ihm dabei so schwer war, dass er es immer unten auf dem Boden suchte, so gesellte sich Junker Rübezahl zu ihm. Er sah aus wie ein reisender Handelsherr und fing mit ihm ein Gespräch an. Der Student tat nicht, wie es jetzt gebräuchlich ist, und setzte sich aufs hohe Pferd, sondern erzählte ehrlich und treuherzig dem Reisenden seine Armut und seine Not, denn damals schämten sich die Studenten ihrer Armut noch nicht, und waren bescheiden und zuvorkommend gegen jedermann, weil das in der Welt forthilft. Unter anderen sagte der Student auch im Verlaufe des Gesprächs, dass er wohl noch mehr lernen würde, wenn er sich nur Bücher anschaffen könne, und trug besonderes Verlangen nach einem gewissen wichtigen Werk, das ihm zu seinem Brotstudium unentbehrlich sei, und doch, sagte er, habe er dazu nichts.

Der Fremde hörte ihn teilnehmend an, tröstete ihn, so gut er konnte, und fügte endlich noch hinzu, dass er zufällig das von ihm so sehnlich gewünschte Buch selbst besitze und es ihm eine Freude sei, ihm dasselbe verehren und seinen Kummer stillen zu können. Damit zog er das Buch aus seines Dieners Felleisen und überreichte es ihm als Geschenk. Der Student wusste nicht, wie er seine Dankbarkeit genug ausdrücken sollte, und hätte gern das Buch sogleich aufgemacht und darin gelesen, wenn sich das nur in Gegenwart des Reisenden geschickt hatte.

Als aber bei einem Kreuzweg derselbe vom Studenten schied und seinen Weg allein fortsetzte, so holte dieser sein Buch hervor, um es zu durchblättern. Wie er es jedoch in der Hand hielt, verwandelte es sich auf einmal in ein Kistchen. Als er das öffnete, so fand er es mit Goldstücken angefüllt. Hexerei war das, so viel sah der Student. Er wusste freilich nicht, ob sich das alles nicht wieder verwandeln würde. In dieser Sorge kam er nach Landshut und dachte: Du willst doch versuchen, ob das Gold auch gilt. Er ging also zu einem Kaufmann, ein solches Goldstück zu einzutauschen.

Der sagte: »So feines Gold ist mir noch nicht vorgekommen.« Und wechselte es dem Studenten aus.

Da wurde denn dieser erst froh, dankte herzinniglich in einem stillen Gebete Gott und dem gütigen Geber, und machte seit der Zeit einen mäßigen Gebrauch von seinem Schatz zu seiner höheren Ausbildung, und war endlich sogar Doktor und ein berühmter Ictus geworden, von dessen Grundgelehrsamkeit noch viele Menschen zu erzählen wissen, obwohl er längst gestorben ist.

Merke:
Man mag nun Rübezahl sein oder nicht, so ist es immer schön, wenn man anderen Leuten in der Welt forthilft.