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John Sinclair Classics Band 24

Jason Dark (Helmut Rellergerd)
John Sinclair Classics
Band 24
Doktor Tods Höllenfahrt

Grusel, Heftroman, Bastei, Köln, 31.07.2018, 66 Seiten, 1,80 Euro, Titelbild: Ballestar
Dieser Roman erschien erstmals am 11.11.1975 als Gespenster-Krimi Band 113.

Kurzinhalt:
Zur Premiere seines neuen Horrorfilms hat sich Regisseur Mike Callahan etwas ganz Besonderes ausgedacht: eine rauschende Party am Original-Drehort. Schließlich ist Darwood-Castle die perfekte Kulisse für eine unvergessliche Horrornacht!

Nicht nur die Schauspieler und Statisten sind einge­laden, sondern auch die Presse und viele prominente Ehrengäste. Einer im Saal stand allerdings nicht auf der offiziellen Gästeliste: Doktor Tod!

Leseprobe

Es war ein schmuckloser Sarg. Mehr eine Totenkiste. Sie war aus rohen, ungehobelten Brettern zusammenge­zimmert. Billigstes Fichtenholz. Hier und da blinkten die großen Nägelköpfe metallisch.

Das frische Holz des Sarges ver­strömte einen Geruch, der bei emp­findlichen Menschen einen Niesreiz bewirkte. Auch bei den beiden Polizis­ten, die den Sarg bewachten.

»Mist«, brummte der eine und nieste. Da er kein Taschentuch besaß, wischte er sich die Nase am Uniformärmel ab. »Ich habe ja schon viele Aufträge erhal­ten, aber einen billigen Sarg bewachen – nee, ich weiß nicht so recht.«

Von seinem Kollegen bekam er keine Antwort. Der Mann hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und ging lang­sam auf und ab. Manchmal zuckte sein linker Arm hinter dem Körper hervor, und der Polizist warf einen Blick auf seine Uhr.

Schon sechs Minuten über die Zeit.

Langsam wurde der Beamte ungedul­dig. Schließlich war der alte Schuppen im ausrangierten Teil des Londoner Hafens nicht gerade der ideale Auf­enthaltsort. Es stank erbärmlich, und Ratten feierten hier ihre Feste.

Der Polizist bedachte den billigen Sarg mit einem wütenden Blick.

Die Totenkiste kam aus Rumänien, mehr wussten die Bewacher nicht. Sie wussten nicht, wer darin lag und ob es ein Mann oder eine Frau war. Ihnen war nur gesagt worden, dass jemand den Sarg zu einer bestimmten Tages­zeit abholen würde. Und diese Zeit war bereits überschritten.

Durch die teilweise zerbrochenen Fenster des Schuppens fielen die Son­nenstrahlen eines Spätsommertages. Staubpartikel flirrten im hellen Licht.

Es war ruhig in der Halle. Nur der Sand unter den Sohlen des Polizisten knirschte.

Plötzlich hörte der Beamte ein klop­fendes Geräusch. Es klang irgendwie dumpf und hohl.

Der Mann wandte den Kopf.

»He, Garry«, spottete er, »klopfst du neuerdings auf deinem eigenen Schädel herum?«

Doch Garry gab keine Antwort. Er stand wie zur Salzsäule erstarrt und hatte den Oberkörper leicht vorgebeugt.

»Was ist?«

Konstabler Garry Bedford stieß pfeifend die Luft aus. »Das Klopfen eben …«

»Ja, was ist damit?«

»Es ist – es ist…« Garry musste zwei­mal schlucken, ehe er weitersprechen konnte. »Es ist aus dem Sarg gekom­men.«

Sein Kollege gab keine Antwort, konnte aber nicht vermeiden, dass ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief.

»Sag das noch mal.«

Im gleichen Augenblick hörten es die beiden Beamten wieder. Tock, tock, tock.

Dumpf klangen die Laute.

Aus schreckgeweiteten Augen starr­ten die Polizisten auf den billigen Sarg. Sie sahen, wie sich der Sargdeckel wölbte, wie er hochgedrückt wurde, als stemme sich jemand mit aller Macht von innen gegen die Verriegelung.

Konstabler Bedford machte den An- fang.

»Hier bleibe ich nicht länger!«, schrie er. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Ich hau ab. Los, Bill, komm mit.«

Bedford fasste seinen Kollegen am Arm.

Da hörten sie das Motorengeräusch. Ein Wagen war auf den Pier gefahren.

»Jetzt wird die Kiste abgeholt«, flüs­terte Konstabler Bill Spencer. »Solange können wir noch warten.«

Spencer warf einen scheuen Blick auf den Sarg, der wieder so ruhig und harmlos auf dem Boden stand wie vor­her.

»Und lass dir nichts anmerken«, schärfte Spencer noch seinem Kollegen ein.

»Nein, nein. Schon gut.«

Das Motorengeräusch verstummte. Wenig später klappte eine Tür. Und dann wurde das große Eingangstor der Halle zurückgezogen.

Im Gegenlicht der Sonne war die Gestalt des Ankömmlings wie ein Sche­renschnitt zu erkennen.

»Guten Tag«, sagte eine dunkle, et­was heisere Stimme.

Konstabler Spencer räusperte sich. »Kommen Sie, Mister, hier steht die Kiste.«

Der Mann kam näher.

Er trug trotz des warmen Wetters einen breitkrempigen Hut, der seine Stirnpartie verdeckte. In dem roten, grobporigen Gesicht blitzten zwei kleine, verschlagene Augen. Die Nase des Mannes war lang und spitz und der Mund nur ein dünner Strich. Eine Alkoholfahne wehte den Polizisten entgegen. Der Mann trug eine abge­wetzte, ehemals braune Jacke und eine ausgebeulte Hose. Seine Füße steckten in unmodernen Schuhen.

»Ich heiße Doug Pender«, sagte er und deutete auf die Kiste. »Das ist also mein neuer Gast.«

»Ja«, meinte Konstabler Bedford. »Wieso eigentlich Gast?«

Pender hob den Blick. »Ja, wissen Sie das denn nicht? Ich bin Leichenbestat­ter. Der beste in ganz London. Ich habe die besonderen Aufgaben zu erfüllen. Ich verscharre nur Mörder und ande­res Gesindel, die auf einem normalen Friedhof keinen Platz finden würden.« Doug Pender kicherte.

Konstabler Bedford zog unbehaglich die Schultern hoch. Auch seinem Kolle­gen war nicht wohl in seiner Haut.

»Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt«, murmelte Bedford.

»Und ob.« Pender schlich um den Sarg herum wie die Katze um die Maus. »Die meisten wissen nur nichts davon. Es ist kein schöner Friedhof, wo ich ihn hinbringe. Und nachts soll es dort sogar spuken.« Pender blieb stehen, breitete die Arme aus und verdrehte die Augen.

»Hören Sie auf«, schnarrte Bedford, dessen Nerven nach dem eben Erlebten nicht mehr die besten waren. »Packen Sie sich die Kiste und dann weg.«

»Allein?«

»Gut, wir helfen Ihnen, Pender.«

»Danke sehr, Gentlemen.«

Der Sarg hatte keine Griffe. Die Män­ner mussten unter die Kiste fassen, um sie anheben zu können. Sie schafften es.

Bedford und Spencer trugen an einem Ende, Pender am anderen. Die Gesichter der beiden Polizisten waren starr wie Masken, als die seltsame Prozession dem Ausgang zustrebte. Nur Pender brabbelte unverständliches Zeug in seinen Bart.

Sie näherten sich dem Tor.

Da hörten die Männer ein schreck­liches Ächzen. Es kam direkt aus dem Sarg.

Abrupt blieben die beiden Polizisten stehen. Pender reagierte gerade noch im letzten Moment, sonst wäre ihm der Sarg aus den Händen gerutscht.

»Was ist denn? Warum gehen Sie nicht weiter? Ich hab keine Zeit, muss noch ein ganzes Stück fahren.«

Spencer fing sich als Erster. »Haben Sie das gehört? Das Ächzen, es ist direkt aus dem Sarg gekommen.«

Der Leichenbestatter öffnete die Lippen. »Das hat man schon mal«, erwiderte er und senkte seine Stimme. »Vielleicht ist der da drin nur scheintot und knabbert jetzt vor Hunger an sei­nem eigenen Totenhemd.«

»Sie sind verrückt!«, zischte Spen­cer. »Damit macht man weiß Gott keine Scherze.«

Pender kicherte wieder. »Was wissen Sie denn?«

»Los, gehen wir weiter«, forderte Spencer.

Die Männer traten nach draußen. Trotz des warmen Sonnenscheins blieb die Gänsehaut auf ihren Rücken. Das Grauen hatte sie gestreift und seine Spuren hinterlassen.

Penders Wagen war ein Kombi. Die Ladefläche war mit einer Plane abge­deckt. Die Klappe hing bereits nach unten, sodass der Sarg sofort auf die Ladefläche geschoben werden konnte.

Die Männer beeilten sich. Erst als Doug Pender die Ladeklappe wieder schloss, atmeten die Polizisten auf.

Pender grinste. »Jetzt fahre ich wie­der in mein Reich. Besuchen Sie mich doch mal. Einen guten Schluck habe ich immer da.«

»Man riecht es«, bemerkte Korporal Bedford. »Normalerweise dürften wir Sie mit dieser Fahne gar nicht fahren lassen, aber in Ihrem Fall wollen wir nichts gerochen haben.«

»Danke für die Großzügigkeit, Gen- tlemen.« Pender deutete eine linkische Verbeugung an.

Der Leichenbestatter wollte zum Führerhaus gehen, doch Bedford hielt ihn zurück.

»Einen Augenblick noch, Pender. Jetzt sagen Sie uns doch mal, wer in diesem Sarg liegt.«

»Ich weiß es nicht. Ich habe nur den Auftrag erhalten, ihn zu verscharren. Der Sarg ist aus Rumänien gekommen. Sie haben ihn vom Flugplatz aus hierher geschafft, damit ich ihn ungestört abholen kann. Aber wenn Sie meine Meinung wissen wollen«, Pender machte eine kurze Kunstpause, um die Spannung zu erhöhen, »ich meine, in dem Sarg liegt ein Vampir. Rumänien ist ein Land, wo es auch heute noch Vampire gibt.«

»Jetzt hauen Sie aber ab«, knurrte Spencer, dem das Thema auf einmal zuwider war und der auch an die selt­samen Vorfälle dachte.

Pender zuckte die Schultern und schwang sich in seinen Wagen. Laut schlug er die Tür des Fahrerhauses hinter sich zu.

Bald rumpelte der Wagen davon.

Doug Pender und die beiden Poli­zisten ahnten nicht, welch eine Fracht da durch London rollte. Denn in dem Sarg lagen die sterblichen Überreste von Doktor Tod!

Personen

  • Konstabler Garry Bedford
  • Konstabler Bill Spencer
  • Doug Pender, Leichenbestatter
  • Doktor Tod
  • John Sinclair, Inspektor bei Scotland Yard
  • Sir James Powell, Superintendent
  • Sergeant, Revierleiter
  • Nadine Berger, Schauspielerin
  • Mike Calahan, Regisseur
  • Ross Taylor, Schauspieler
  • Bill Conolly, Reporter
  • Jack Motta, Schauspieler
  • Partygäste
  • Küchenpersonal
  • Chefkoch
  • Tim, Koch
  • Tontechniker
  • Bedienstete
  • Musiker

Orte

  • Darwood Castle

Quellen:

  • Jason Dark: John Sinclair Classics. Geisterjäger John Sinclair. Band 24. Bastei Verlag. Köln. 31. 07. 2018
  • Thomas König: Geisterwaldkatalog. Band 1. BoD. Norderstedt. Mai 2000