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Die Gespenster – Zweiter Teil – Vierundzwanzigste Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Vierundzwanzigste Erzählung

Schlossgeister, welche einen Bedienten an den Haaren in die Höhe hoben

Ein ehemaliger französischer General, der ungenannt zu bleiben wünscht, für dessen Wahrheitsliebe aber der königlich-preußische Husarenrittmeister Hr. Gr. von Götzen bürgt, erzählte diesem folgende merkwürdige Tatsache:

Der General machte den Siebenjährigen Krieg als Rittmeister mit. Einst wechselte das Regiment die Kantonierungsquartiere, währenddessen er in Dienstgeschäften abwesend war. Als er wieder zum Regiment stieß, welches in ein kleines hessisches Städtchen sehr zusammengedrängt war, wies ihm der Magistrat auf ausdrücklichen Befehl des Regimentschefs ein benachbartes Schloss zum Quartier an. Indessen fügte der Magistrat hinzu, dass es fast unmöglich sei, einem solchen Befehl zu genügen, weil das alte Gebäude durchaus verfallen wäre und schon seit vielen Jahren wegen dort hausender Gespenster unbewohnt gestanden habe. Man habe, hieß es ferner, zwar schon einige Male den Versuch gemacht, es wieder zu beziehen, aber umsonst. Sogar ein Feldlazarett, welches zu Beginn des Krieges dorthin verlegt worden wäre, habe wieder ausquartiert werden müssen, indem die Gespenster weder bei Tag noch bei Nacht geruht und weder die Kranken noch die Offizianten ungeneckt gelassen hätten.

Der Franzose merkte nun wohl, dass seine oft geäußerte Verachtung aller Gespenster des Generals scherzhaften Befehl wegen des Quartiers in einem solchen Schloss veranlasst habe. Um sich keine Blöße zu geben, würde er das Schloss bezogen haben, und wenn der Teufel selbst seine Werkstatt darin aufgeschlagen haben sollte. Nur mit Mühe gelang es ihm, die, dem Anschein nach, für seine Ruhe so überaus zärtlich besorgten Herren des Magistrats zu überreden, seinetwegen ganz außer Sorge und versichert zu sein, dass er ihre Geister nicht im Geringsten fürchte. So trat er nun seinen Marsch zum verwünschten Schloss an.

Es wurde schon finster, als er dasselbe erreichte. Er fand ein altes finsteres Gebäude, in welchem die zerbrochenen Fensterscheiben dem Wind überall freien Durchmarsch verstatteten Auch fehlte es darin an Nachteulen und Fledermäusen im Geringsten nicht. Der Stall war in einem Flügel des weiten Vorhofes, an dessen äußerstem Ende der Pächter ein armseliges Hüttchen bewohnte. Da er müde war, so ließ er in einem der bewohnbarsten Zimmer sein Feldbett aufschlagen. Um dahin zu gelangen, musste man durch mehrere schauerlich widerhallende Gänge und Säle gehen. Nachdem er alles so viel, wie die Zelt erlaubte, untersucht, ein Nachtlicht angezündet und seine Pistolen wohl geladen neben sich aufgehängt hatte, schickte er seinen Bedienten zu den Pferden zurück und pflegte der Ruhe. Kaum war er eingeschlafen, so hörte er ein entsetzliches Rasseln, nicht anders, als ob die Poltergeister das ganze alte Schloss an eine andere Stelle bringen wollten. Das Geräusch schien bald in den vier Wänden selbst zu sein, bald wieder aus den Nebenzimmern zu kommen. Endlich näherte es sich der Stubentür und klinkte an derselben, jedoch ohne hereinzukommen. Der Rittmeister, unzufrieden über den spukenden Ruhestörer, sprang auf, des festen Entschlusses, ihm womöglich den Hals zu brechen. Er zündete ein Licht an und öffnete die Tür. Das Licht verlosch augenblicklich wie durch eine unsichtbare Zauberkraft. Rund um ihn her herrschte nun wieder eine feierliche Totenstille. Vergebens lauschte er noch einige Zeit, vergebens harrte er der Dinge, die etwa noch kommen sollten. Er sah sich daher genötigt, sich wieder in sein Zimmer zu begeben. Unglücklicherweise fand er da das Nachtlicht verlöscht. So war er nun für dieses Mal nicht mehr imstande, dem Polterer, welcher bald wiederkehrte, genauer auf die Zähne zu fühlen. Den anderen Abend zündete er, aus Erfahrung gewitzigt, mehrere Lichter an, nachdem er zuvor das Innere des alten Gebäudes so viel wie möglich untersucht hatte. Als sich der Spuk um Mitternacht wieder einstellte, spürte er dem Geräusch durch mehrere Zimmer nach, entdeckte aber so wenig wie in der vorigen Nacht. Der Poltergeist blieb von nun an keine Nacht aus, aber niemals kam er in das Schlafgemach des Offiziers. Letzterer achtete daher seiner zuletzt gar nicht mehr und schlief auch beim ärgsten Toben des Unholds ruhig fort. Mehrere seiner Kameraden, denen er davon erzählte, brachten ganze Nächte bei ihm zu. Alle hörten das Poltern rund um sie her, aber niemand vermochte die vernommenen Wundertöne von einer natürlichen Ursache abzuleiten. Als einst wieder ein Freund ihn besuchte und von der seltsamen Erscheinung hörte, beschloss auch dieser entschlossene Mann, einige Nächte bei ihm zuzubringen, um womöglich der Sache auf den Grund zu kommen. Als der Rittmeister des Abends spät mit seinem Freund aus einer frohen Gesellschaft nach Hause kam, schickte man den Bedienten zum Schloss voraus, damit sie Licht vorfinden möchten. Indem sie sich der Schlosstür näherten, hörten sie ein entsetzliches Geschrei und sahen die bereits brennenden Lichter verlöschen. Sie eilten hinein und fanden in einem der Vorzimmer den Bedienten fast ohne Bewusstsein am Boden liegen. Als sie mit vieler Mühe ihn wieder zu sich gebracht hatten, sagte er, die Gespenster hätten ihm ins Genick gestoßen, bei den Haaren hoch in die Höhe gehoben und auf den Boden fallen lassen. Der heftige Schrecken zog dem Menschen ein hitziges Fieber zu.

Die beiden Freunde setzten indessen ihre gemeinschaftliche Untersuchung auf alle mögliche Art und mehrere Nächte hindurch unermüdet fort. Endlich hörten sie das Geräusch einmal ziemlich spät gegen Morgen, als der Tag bereits zu grauen anfing. Der Fremde geriet auf den Einfall, das ganze Gebäude nun einmal ohne Licht zu durchschleichen, unterdessen der Rittmeister in einem der Zimmer sich in Bereitschaft halten musste, ihm auf den ersten Wink zu Hilfe zu eilen. Nachdem jener fast eine halbe Stunde abwesend war, hörte der Rittmeister Hilferufe. Die Stimme erscholl sehr dumpf und schien aus tiefer Ferne zu kommen. In der freundschaftlichsten Eile ergriff er Licht und Gewehr, folgte dem Ruf und fand nach einigem Suchen seinen Freund im Fußboden eines schmalen, ihm bisher unbekannten Ganges versunken. Sie schritten nun zur näheren Untersuchung und fanden, dass dies der Eingang zu einer Menge verdeckter Gänge und Schlupfwinkel war. Die sehr dicken Mauern des Schlosses waren meistens doppelt und hatten einen Zwischenraum. Durch diesen konnte man vom Eingang aus über, unter und um die meisten Zimmer kommen. Wahrscheinlich hatte man diese Schlupfwinkel ursprünglich zur Aufbewahrung von Kostbarkeiten in Kriegszeiten bestimmt und in dieser Hinsicht das Schloss selbst als eine Gespensterwohnung verschrien. Wenigstens machten die angesehensten Bürger des Städtchens im Siebenjährigen Kriege sich diesen Ruf des Schlosses in der Art zunutze, dass sie ihre besten Sachen und selbst beträchtliche Vorräte an Lebensmitteln hier verbargen. Um die Entdeckung der Täuschung desto sicherer zu hintertreiben, schlichen sich zuweilen, besonders wenn Kriegsvölker in der Nähe waren, vertraute Leute in das Schloss und erregten des Nachts von ihren Schlupfwinkeln aus unentdeckt das spukende Getöse durch alle Teile des Schlosses.

Vermutlich waren sie beim Einzug in ihre nächtliche Wohnung von dem Bedienten überrascht worden, dem sie, um nicht entdeckt zu werden, nun schon übel mitspielen mussten. Doch war seine Krankheit gewiss mehr die Folge seiner Furcht vor übernatürlichen Wesen als der erlittenen Misshandlungen.

Der Vorrat von Proviant kam sowohl den Findern als auch dem übrigen Regiment, welches damals eben großen Mangel daran litt, vortrefflich zustatten. Da sie aber nur noch wenige Tage dort blieben, während welcher es natürlich nicht mehr spukte, so konnten sie die Täter der Misshandlung so wenig wie die ersten Triebfedern der Volkstäuschung noch bestimmter ausfindig machen.