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Der Welt-Detektiv Band 6

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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 20

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

20. Rübezahl als Hochzeitsgast

Als der Leiermann fort war, dachte Rübezahl fortwährend an den fröhlichen Abend und war in seinem Gott vergnügt. In solchen Augenblicken ging es ihm, wie es gewöhnlich da guten Menschen geht. Und wer in sein Inneres hätte hineinschauen können, der würde nicht geglaubt haben, dass das der Geist sei, den die Menschen nur einen Teufel nannten. In solcher Stimmung zog er also auch jetzt wieder durch Egelsdorf durch. Als er beim Kretscham vorbeiging, brach er in lautes Lachen aus, weil er an die Begebenheit zur Meffersdorfer Kirchweih dachte.

»Wo wollen wir denn zu, guter Freund?«, erscholl plötzlich eine Stimme von der anderen Seite der Straße her, als er in Gedanken daherwanderte.

Er sah sich gegenüber einen alten Mann mit freundlichem Antlitz und in festlichen Kleidern.

»Nach Ullersdorf und weiter«, versetzte Rübezahl.

»Wenn dem so ist, so könnten wir wohl Gefährtschaft machen«, fuhr der freundliche Mann fort.

Rübezahl sagte: »Sehr gern!«

Sie unterhielten sich nun von diesem und jenem, und dem alten Mann ging beim teilnehmenden Herrn das Herz auf.

So erfuhr denn Rübezahl auch jetzt, dass der Alte ein armer Mann und Vater einer zahlreichen Familie sei, dass sein ältester Sohn heute Hochzeit mache und ein ebenfalls armes, aber liebes, rechtschaffenes Mägdlein heimführe, und dass er nicht habe von ihr lassen können, obwohl ihm mehr als eine reiche Bauerstochter angetragen worden war.

Beim Ullersdorfer Vorwerk schieden sie voneinander, und Rübezahl ging hinein in den Kretscham. Hier erkundigte er sich gleich nach den Brautleuten, hörte nichts als lauter Liebes und Gutes und erfuhr dabei auch, dass sie mit den Gästen hierher zum Tanz kommen würden. Da bleibst du also hier, dachte Rübezahl und setzte sich fest. An Unterhaltung fehlte es ihm nicht. Denn ein Gast kam nach dem anderen herein. Kaum war der Papiermüller weg, so trat der Bademeister vom Bierborn herein, und so ging es fort. Er war eben mit dem alten Iser-Mehwald im Gespräch, als die Hochzeitsleute, die mit dem Essen fertig waren, zum Tanz hereintraten. Die kräftige, treuherzige Männlichkeit des Bräutigams sowie die aus freundlichen Augen strahlende Herzensgüte der Brau gefielen dem Rübezahl gar sehr.

Er ging also hin zum Bräutigam und sagte: »Mit Verlaub, werter Freund, so Ihr es mir vergönnt, möchte ich wohl mit Eurer Braut ein Ehrentänzlein machen.

Der sagte: »Von Herzen gern.« Und überreichte ihm die Braut.

Während beide nun vergnügt ihren Deutschen tanzten, zog Rübezahl ganz unvermerkt ein paar Armbänder mit schönen Granaten hervor und band sie der erstaunten Braut um. Nach dem Tanz führte er sie dem Bräutigam wieder zu, bedankte sich bei ihm für die erzeigte Liebe und Ehre und verehrte ihm ein großes silbernes Schaustück. Ja, da war unter den armen Leuten große Freude. Sie wussten gar nicht, wie sie dem gütigen vornehmen Herrn genug danken sollten. Sie blieben in ihrer Freude fast bis Mitternacht beisammen. Die Brautleute sowie der alte Vater nahmen mit Freudentränen von Rübezahl Abschied, welcher übrigens nicht nur die Spielleute beschenkte, sondern auch alles bezahlte, was von den Gästen verzehrt worden war.

Am anderen Morgen gedachten die jungen Leute sogleich ihres Wohltäters. Was sie aber aus dem Schaustück machen sollten, das wussten sie nicht. Nun, bei solchen Leuten weiß niemand besser Rat, als der Herr Pfarrer und Schulmeister. Darum wandten sie sich auch mit Recht an solche verständige, erfahrene und gelehrte Männer. Sie gingen also hinüber zum Herrn Schulmeister und zeigten ihm das Schaustück. Der hatte es aber kaum in die Hände genommen, so wurde es immer gelber und gelber und endlich ein großer, schwerer Portugaleser. Da erstaunten die Umstehenden nicht wenig, und die Braut suchte nun auch ihre Armbänder. Als sie diese hervorbrachte, waren sie von Gold schwer und mit den schönsten und größten Granaten besetzt. Die armen Leute glaubten, der Fremde könne nur ein Engel gewesen sein, und sahen das als eine glückliche Vorbedeutung für ihren Ehestand an. Und diese war es auch, denn sie führten wie ein Herz und eine Seele ein musterhaftes, arbeitsames Leben und schwangen sich dadurch aus drückender Armut zu ländlichem Wohlstand empor.

Denn merke: Ein treuer Hausvater ist ein großes Gut und eine tugendsame Frau im Haus der beste Schatz.