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Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern – 43. Blatt

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern
von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871

Eulenspiegel kommt wieder nach Lübeck, wird erhascht und soll gehenkt werden.

ulenspiegel schlich sich heimlich, als der Lärm der Milchmädchen bekannt wurde, aus Bremen, denn er fürchtete, erhascht zu werden und ging nach Lübeck zurück. Er kehrte im Ratskeller wieder ein, wo er vor kurzer Zeit den großprahlerischen Weinküper so tüchtig angeführt hatte. Dieser, der nach Eulenspiegels Wegreise die zwei Kannen auf der Tafel fand und in einer noch vom besten Wein, aber in der anderen einige Tropfen Wasser, sah hieraus, dass ihn der listige Eulenspiegel betrogen hatte und fragte ihn deswegen gleich beim Eintreten, wie ihm neulich der Wein geschmeckt und warum er ihn mit der Kanne Wasser betrogen hätte? Eulenspiegel erwiderte: »Ich habe dich nicht betrogen, sondern habe getauscht, denn den Wein hast du mir gegeben und eine Kanne des stärksten Getränks dafür zurückerhalten.«

Der Weinküper hatte aber heimlich einen Polizeidiener bestellt. Dieser kam und verhaftete Eulenspiegel. Er wurde vom hochweisen Rat der Stadt Lübeck examiniert, des Betruges überführt und sollte gehenkt werden. Als der Todestag kam, der ganze Rat und viele andere Personen auf dem Gerichtsplatz versammelt waren, wurde Eulenspiegel aus seinem Gefängnis geholt und das Todesurteil ihm nochmals vorgelesen. Eulenspiegel hörte dieses geduldig an und bat dann den hochweisen Rat noch um die Gewährung einer Bitte.

Die Ratsherren antworteten: »Ja, wenn es nicht wider die Statuten unserer Stadt ist, so sage an, was du begehrst.«

Eulenspiegel sprach: »Es ist eine Bitte, die all Euren Rechten nicht das Geringste in den Weg legt und keinem Menschen etwas schadet, mithin eine geringe Sache. Nur müsst Ihr, hochweise Herren, mir die Erfüllung dieser Bitte erst versprechen, dann will ich sie Euch vortragen.«

Alle Ratsherren in ihren großen Mänteln und weißen Halskragen waren in gespannter Erwartung, was das für eine Bitte sein würde, und wurden einig, dass sie dem Gefangenen dieselbe gewähren wollten.

Nachdem dies geschehen war, sprach Eulenspiegel: »Hoch gebietende und hoch weise Herren! Meine Bitte, deren Erfüllung ihr mir zugesagt habt, ist diese: Wenn ich nun hier an diesem Galgen hänge, dass dann der Weinküper und derjenige Polizeidiener, der mich Euch überliefert hat, jeden Tag kommen mögen, um bei mir Abbitte zu tun. Da Ihr mir nun die Erfüllung meiner Bitte versprochen habt, so hoffe ich, dass ihr darauf halten werdet.«

Die hohen Ratsherren aber sprachen, dass dieses nicht erfüllt werden könne. Eulenspiegel sprach: »So dürft Ihr mich auch nicht hängen lassen!«

Durch diese List kam Eulenspiegel wieder los und lachte die versammelten Zuschauer aus, weil sie vergeblich gekommen waren.