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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 2

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Zweites Kapitel
Das Lager und das Lagerfeuer

Unser Weg führte nach Südwesten. Der nächste Punkt, wo wir Büffel anzutreffen hoffen durften, war mindestens zweihundert Meilen entfernt. Heutzutage kann man dreihundert und mehr Meilen weit reisen, ohne eine Spur davon zu erblicken, aber damals war das Gerücht nach St. Louis gedrungen, es seien in diesem Jahr am Osage River, im Westen des Ozark Mountains Büffel gesehen worden. Zu dieser Gegend hin richteten wir unsere Reise, in der Erwartung, nach Verlauf von ungefähr zwanzig Tagen das Wild anzutreffen. Man denke sich einen Trupp Jäger, der eine 20-tägige Reise unternimmt, um nur erst den Jagdgrund zu erreichen! Der freundliche Leser wird sicherlich anerkennen, dass es uns sehr ernst mit unserem Vergnügen war.

Zu der Zeit, von welcher ich spreche, brachte eine einzige Tagesreise den Reisenden von St. Louis bis über die Grenzen des zivilisierten Lebens hinaus. Es lagen allerdings jenseits dieser Grenzen noch Ansiedlungen, aber sie waren selten und einsam. Das ganze zwischen ihnen liegende Land bildete eine unbewohnte Wildnis. Wir durften keine Hoffnung hegen, vor unserer Rückkehr zu der Hügelstadt ein Obdach in irgendeinem gastfreundlichen Haus zu finden. Aber das schreckte uns nicht, denn wir waren mit einigen Zelten versehen, welche einen Teil der Ladung unseres Wagens ausmachten.

Es gibt in der amerikanischen Wildnis nur wenige Landstrecken, wo der Reisende mit Sicherheit darauf rechnen kann, Wild als Nahrung zu finden. Selbst der geschickte Jäger gerät zuweilen um seine tägliche Mahlzeit in Verlegenheit, wenn er zum längeren Verweilen in den Wäldern und Prärien genötigt ist. Unterwegs findet sich nicht häufig Gelegenheit, Wild zu schießen, da es stets Zeit erfordert, sich demselben vorsichtig zu nähern. Auch wir, obwohl wir durch Gegenden kamen, welche ganz geeignet zu sein schienen, wilden Tieren Schutz zu gewähren, erreichten doch unser erstes Lager, ohne nur ein Haar oder eine Feder von Wild gesehen zu haben.

Das sah ziemlich entmutigend aus, und wir fürchteten, dass uns die Zeit ziemlich lang werden würde, im Fall sich dies nicht besserte, ehe wir die Büffelgegend erreichten. Wir waren jedoch reichlich mit Lebensmitteln versehen und bedauerten den Mangel an Wild vorläufig nur wegen des ausfallenden Jagdvergnügens. Ein großer Sack mit Zwieback, ein anderer mit Mehl, verschiedene geräucherte Schinken, einige gedörrte Ochsenzungen, ein ansehnlicher Vorrat von ungebranntem Kaffee, von Zucker und Salz bildeten unseren vorzüglichsten und notwendigsten Proviant. Wir besaßen auch noch einige Luxusartikel, die sich ein jeder nach Gutdünken verschafft hatte, doch waren es nicht sehr viele, indem alle Mitglieder der Gesellschaft in früherer Zeit schon manche Gelegenheit gehabt hatten, Erfahrungen im Entbehren zu machen. Der größte Teil der Ladung unseres Wagens bestand aus Futter für unsere Pferde und Maultiere.

Am ersten Tag legten wir volle dreißig Meilen zurück. Der Weg war gut. Wir reisten durch leicht wellenförmige Gegenden, die meist mit schwarzen Steineichen bedeckt waren, eine Art Zwergeiche mit sehr dunkler, rissiger Rinde, und als Bauholz wegen ihrer Kleinheit fast nicht zu gebrauchen. Sie gewährt jedoch einen schönen Anblick, da sie auf den Anschwellungen der Prärien parkähnliche Gruppen bildet, deren dunkelgrünes Laub hübsch gegen das hellere Grün des in ihrem Schatten sprießenden Grases absticht. Unser junger Botaniker Besançon hatte am wenigsten Ursache, sich zu beklagen. Die Zeit war ihm während des Tages angenehm genug verflossen. Es boten sich seiner Beobachtung neue Laubarten dar, neue Blumen öffneten ihre Kelche seinem forschenden Blick. Er hatte sich außerdem bei der Bereicherung seiner Sammlungen des Beistands Audubons zu erfreuen, der natürlicherweise in diese, seinem eigenen Beruf verwandte Wissenschaft ziemlich eingeweiht war.

Wir schlugen unser Lager am Rand eines klaren Baches auf und ordneten gleich das erste Mal alles in der Weise an, welche wir für gewöhnlich auch in Zukunft zu befolgen beabsichtigten.

Jeder sattelte sein Pferd selbst ab, denn in der Prärie gibt es keine Bedienten. Selbst Mike Lantys Dienstleistungen erstreckten sich nicht über die Küche hinaus. Jake war mit seinen Maultieren vollauf beschäftigt, und es wäre ein gewagter Versuch gewesen, von einem unserer Führer zu verlangen, das Absatteln unserer Pferde zu besorgen. Ein freier Trapper und niedrige Dienstleistungen! Nein, wie gesagt: Es gibt keine Bedienten in der Prärie.

Unsere Pferde und Maultiere wurden auf einem freien Platz so angepflockt, dass der Strick, mit dem sie angebunden waren, jedem derselben einen Spielraum von mehreren Schritten gab. Die beiden Zelte wurden mit der Sicht auf den Bach nebeneinander aufgeschlagen und der Wagen ungefähr zwanzig Fuß hinter ihnen aufgestellt. Im Dreieck zwischen dem Wagen und den Zelten brannte ein helles Feuer, auf dessen beiden Seiten zwei gabelförmige Pfähle in die Erde getrieben waren. Zwischen den Gabeln lag ein dünner Baumstamm, welcher über das ganze Feuer hinweg reichte! Dieser Stamm bildete Lantys Bratspieß, das Feuer war seine Küche.

Dieses unser erstes Lager war in seinen allgemeinen Zügen so ziemlich das Vorbild aller anderen. Die Zelte wurden allerdings manchmal nicht in der nämlichen Richtung aufgeschlagen, indem die Öffnung stets vom Wind abgekehrt liegen musste, aber sie standen allemal nebeneinander und vor dem Wagen. Es waren kleine Zelte von der altmodischen, kegelförmigen Art und erforderten jedes nur eine Stange. Ihre Größe entsprach unserem Zweck vollkommen, da das einzelne immer nur drei von uns aufzunehmen brauchte, denn die Führer sowie Jake und Lanty fanden unter der Plane des Wagens ihr Unterkommen. Sie gewährten bei ihrer zierlichen Gestalt und ihrer, gegen das dunkelgrüne Laub der Bäume abstechenden, schneeweißen Farbe einen hübschen Anblick. Ein Blick auf unser Lager würde selbst einem Künstler keinen üblen Stoff zu einem Gemälde geboten haben.

Um die Zelte herum war alles munter und rührig. Das Abendessen ging seiner Vollendung entgegen, und Lanty war in diesem Augenblick ohne Widerrede die wichtigste Person am Platz. Er beugte sich mit einer kleinen, langstieligen Bratpfanne, in welcher er den Kaffee röstete, über das Feuer. Die Bohnen waren bereits gebrannt, und Lanty rührte sie mit einem Blechlöffel um. Der Bratspieß trug den großen, mit gerade kochendem Wasser gefüllten Kaffeekessel aus Eisenblech. Eine zweite Bratpfanne, von größerem Umfang als die erste, stand mit Schinkenschnitten gefüllt bereit, um auf die heißen Kohlen gesetzt zu werden.

Unser englischer Freund Thompson saß, mit der Hutschachtel vor sich, auf einem Baumstamm. Die Schachtel war geöffnet. Er hatte seinen Vorrat aus Kämmen und Bürsten herausgenommen. Mit seinen Abwaschungen war er fertig und legte nun letzte Hand an seine Toilette, indem er Haar, Schnurrbart, Backenbart, Zähne und selbst seine Nägel in Ordnung brachte.

Der Kentuckyer beschäftigte sich mittlerweile auf eine andere Weise. Er stand aufrecht da, in seiner Rechten funkelte ein Messer mit Elfenbeingriff und langer glänzender Klinge, ein echtes Bowiemesser von der Art, die unter dem Namen Arkansas-Zahnstocher bekannt wurden. In seiner Linken erblickte man einen ungefähr acht Zoll langen Gegenstand rundlicher Gestalt und dunkelbrauner Farbe. Es war ein Stück echter James-River-Tabak. Der Kentuckyer schnittt mit seinem Messer ein Endchen, einen Bissen, wie er es nannte, davon ab und steckte es in seinen Mund, wo es sofort zwischen den Zähnen zermalmt wurde.

Was begann nun der Doktor? Sieh dich um, lieber Leser, und du wirst ihn am Ufer des Baches finden. Er hatte eine von den zinnernen Flaschen in der Hand, welche unter dem Namen Taschenpistolen bekannt genug waren. Diese Pistole war mit Kognak geladen, und Dr. Jopper stand eben im Begriff, einen Teil dieser Ladung herauszuziehen, sie mit einer geringen Beimischung von kaltem Wasser zu mischen und in eine sehr durstige Kehle laufen zu lassen. Die Wirkung zeigte sich augenblicklich in dem munteren Blinzeln der runden hervorstechenden Augen des Doktors, der ganz vergnügt um sich her schaute. Besançon saß neben dem Zelt, an seiner Seite der alte Naturforscher. Ersterer war mit den neuen von ihm gesammelten Pflanzen beschäftigt. Auf seinen Knien lag ein großes, wie eine Mappe aussehendes Buch, zwischen dessen Blätter er seine Schätze nach wissenschaftlichem Brauch einlegte. Sein Nachbar, der mit diesem Geschäft wohl vertraut war, half ihm freundschaftlich. Ihre Unterhaltung war anziehend, aber jeder andere war viel zu sehr mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, um eben darauf zu hören.

Die Führer schlenderten in der Nähe des Wagens umher. Der alte Ike setzte einen neuen Stein in seine Büchse. Redwood mit seinem heiteren, aufgeweckten Charakter wechselte von Zeit zu Zeit mit Mike oder dem Schwarzen ein paar scherzhafte Worte. Jake war noch mit seinen Maultieren beschäftigt, wie ich mit meinem Lieblingspferd, dessen Füße ich in dem Bach gewaschen und mit ein wenig Fett eingerieben hatte. Ich würde nicht immer Gelegenheit finden, so aufmerksam gegen mein edles Tier zu sein, aber es bedurfte dessen auch nicht, da seine Hufe durch die Reise täglich mehr abgehärtet wurden. Unsere Sattel, Zügel, Wolldecken und Gerätschaften lagen im Lager verstreut umher. Doch wurde, ehe wir uns zur Ruhe begaben, alles zusammengesucht und in Sicherheit untergebracht. So war das Bild unseres Lagers vor dem Abendessen. Nach demselben änderte sich das Schauspiel einigermaßen. Die Luft war selbst für diese Jahreszeit ziemlich kühl. Dieser Umstand, nebst Mikes Ankündigung, dass der Kaffee fertig sei, versammelte die ganze Gesellschaft mit Einschluss der Führer um den flammenden Holzstoß. Jeder brachte Teller, Messer und Becher selbst mit, langte aus dem allgemeinen Vorrat zu und aß tapfer drauf los, bis alles auf die letzten Überbleibsel verzehrt war.

Trotz unserer Ermüdung, welche natürlich mit unserem ersten Tagesmarsch verknüpft war, fanden wir an diesem Abendessen unter freiem Himmel doch außerordentliches Behagen. Die Neuheit unserer Lage sowie der gute Appetit, welcher sich seit dem zweiten Frühstück beim Halt in der Mittagsstunde eingestellt hatte, trugen viel zu unserem Genuss bei. Nach dem Abendessen folgte das Rauchen, denn es befand sich unter der Gesellschaft kein Einziger, der nicht den Tabak geliebt hätte. Einige zogen Zigarren vor, mit denen wir uns reichlich versehen hatten, die Meisten aber rauchten aus Pfeifen. Audubon besaß einen Meerschaumkopf, die Führer schmauchten aus indianischen Kalumets aus dem berühmten roten Ton, Mike hatte seine schwarz gerauchte Gipspfeife und Jake seine Pfeife aus Maiskolben und Schilfrohr.

Ein Lied des Doktors, der einen schönen Tenor sang, vermehrte die Unterhaltung. Gewiss hatte noch nie eine so melodische menschliche Stimme das Echo dieses Ortes geweckt.

Trotzdem war die Ermüdung von unserem langen Ritt begründete Ursache, dass wir bei Zeiten in unsere Zelte krochen, wo wir uns in die Decken wickelten und dem Schlummer überließen. Wir hatten natürlicherweise für den Fall, dass es während der Nacht regnen könnte, alles sorgfältig untergebracht. Auch wurde nach den Stricken unserer Pferde gesehen. Wir fürchteten zwar nicht, dass sie gestohlen werden könnten, aber Pferde werden auf der ersten Tagesreise leicht scheu und pflegen dann wieder nach Hause zu laufen. Dies wäre ein großes Unglück gewesen, doch die Mehrzahl von uns bestand aus alten Reisenden. Es wurde daher jede Vorsichtsmaßregel getroffen, um einem Ereignis dieser Art vorzubeugen. Übrigens stellten wir für dieses Mal keine Wachen auf, obwohl wir recht gut wussten, dass die Zeit kommen wird, wo die Umstände es uns zur unvermeidlichen Pflicht machen würden.