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Schwäbische Sagen 70

Schwäbische-Sagen

Zweites Buch

Geschichtliche Sagen


Der Mann auf dem Rad oder: Das Wahrzeichen von Tübingen

An der Ostseite der St, Georgen- oder Stiftskirche zu Tübingen befindet sich, wie in einer runden Fensteröffnung, das Bild eines aufs Rad geflochtenen Mannes eingemauert. Davon erzählt Crusius (um 1596) Folgendes: Als vor hundert Jahren zwei junge Gesellen und Kameraden auf die Wanderschaft zogen, um ihr Handwerk zu betreiben, und der eine nach etlichen Jahren wieder zurückkam, der andere aber nicht , und man deswegen glaubte, er sei umgebracht worden, so wurde der Erstere ergriffen und aus einigen Zeichen, zum Beispiel weil man den Dolch des anderen bei ihm fand, für den Mörder gehalten, zum Tode verdammt und gerädert.

Nicht lange danach kam jedoch der andere lebendig, frisch und gesund nach Tübingen zurück. Den Dolch hatte er seinem Kameraden ge legentlich einmal geschenkt.

Darauf wurde zum ewigen Gedächtnis des Unglücklichen und zur Warnung vor voreiligem Todesspruch und Justizmord das Bild des geräderten Mannes in Stein gehauen und in die Kirchenmauer eingefügt.

Diesem Bild schräg gegenüber befanden sich in jener Zeit die Sitzungssäle des königlichen Gerichtshofes.


Georg Sürlin (1496)
Eine mündliche Überlieferung aus Blaubeuren

Die schönen Schnitzbilder an den Stühlen und am Hochaltar der Kirche zu Blaubeuren rühren von Georg Sürlin aus Ulm her. Als der Meister sein Werk vollendet hatte, fragten ihn die Mönche des Benediktinerklosters, ob er wohl einen noch schöneren Altar zu machen imstande sei. Als er dies bejahte, so stachen sie ihm aus Neid, dass er nicht anderswo einen solchen Altar verfertigen möge, die Augen aus. Da schnitzelte er, ohne es sehen zu können, aus Holz sein eigenes Bildnis, welches sich jetzt noch an der Wand bei der Sakristeitür befindet.


Nikodemus Frischlin († 1590)

Als der gekrönte Dichter Nikodemus Frischlin aus Balingen wegen seiner freimütigen Reden schon längere Zeit gefangen auf Hohenurach gesessen hatte und der Kerker ihm zuletzt unerträglich wurde, versuchte er durch die Flucht zu entkommen. In der Nacht vom 29. auf den 30. November 1590 kroch er durch das Ofenloch zum Gefängnis hinaus, zerschnitt all sein Leinenzeug und drehte ein Seil daraus, an dem er sich bis auf die Schlossmauer herabließ. Dann schlug er ein Stück Holz in die Mauer und band das Seil daran. Allein der Mondschein hatte ihn getäuscht. Er hatte die steilste Stelle gewählt. Als er halb hinabgelassen war, brach das Seil, worauf er an den gezackten Felsenwänden hinunterstürzte und am anderen Morgen zerschmettert und entseelt gefunden wurde.

Kein Denkmal bezeichnet Frischling Grab auf dem Kirchhof zu Urach. Zwischen den Felsen aber, wo das Blut des armen Dichters verspritzt worden war, wuchs seitdem ein seltenes, schönes Blümlein hervor, das sich der Sage nach nur auf Hohenurach findet und Totenkopf oder Uracher Totenköpfchen genannt wird.


Der Esel von Neuffen
Eine mündliche Überlieferung aus Neuffen und Owen
Dieselbe Sage wird von Hohentwiel erzählt.

Im Dreißigjährigen Krieg hatten die Schweden die Festung Hohenneuffen bereits sieben Jahre belagert und die Belagerten litten schon lange den bittersten Mangel. Da fütterten sie endlich mit ihrem letzten Simri Dinkel den Esel, der ihnen sonst das Wasser herauftragen musste, schlachteten ihn darauf sogleich, um ihn zu verzehren, und warfen den vollgefüllten Wanst über die Mauer der Festung hinab. Als die Feinde, welche schon auf die Übergabe der Festung gehofft hatten, dies sahen, schlossen sie daraus, dass die Besatzung noch vollauf zu leben habe, und zogen ab. Seitdem aber bekamen die Leute in der Festung wie in der Stadt Neuffen den Spottnamen Eselfresser oder Esel.


Mittelstadt im Schwedenkrieg
Eine mündliche Überlieferung aus Mittelstadt

In Mittelstadt am Neckar lebten zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges nur noch zwei Menschen und die besaßen nur noch ein Pferd. Das hütete immer einer, während der andere auf den Kirchturm stieg und zusah, ob der Feind nicht etwa komme.

Merkte er, dass Schweden im Anzug waren, so ließ er die Uhr schlagen, worauf dann der andere sogleich heimeilte und sich selbst nebst seinem Pferd verbarg.

Aus jener Zeit hat man auch noch den Kinderspruch:

Der Schwed ist kommen.
Hat alles wegnommen.
Hat d’Fenster eing’schlagen,
Hats Blei wegtragen.
Hat Kugeln draus gossen
Und d’Leut mit verschossen.