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Der Welt-Detektiv Band 6

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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 14

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

14. Wie Rübezahl einem eitlen Gecken einen Denkzettel gibt.

Erst in neueren Zeiten ist es geschehen und ist auch wahr, wenn es gleich der Xaveri nicht erzählt hat, sondern ein anderer, dass ein Berliner ins Riesengebirge reiste. Dieser war eigentlich ein eitler Geck und standen, seine Person und Berlin überall obenan, wie sie es nun machen und werden, dadurch unangenehm in allen Ländern.

Der ging von Hohenelbe hinauf zum Kamm. Wie er in die Michelsmühle kam, traf er Gesellschaft. Halt, dachte er, hier ist es gut. Und machte sich an sie, denn es waren gar liebliche Mägdlein darunter. Die Leute waren höflich und freundlich und kamen ihm in allen Stücken entgegen. Er schmunzelte dabei und dachte: Weil du es bist. Also beschließt er, sich niedlich zu machen und fängt gleich an »bei uns in Berelin« usw., wie es nun ein Berliner macht. Die freundlichen Leute bekümmerten sich aber darum nicht, behandelten ihn gütig wie bisher und lächelten nur bisweilen, wenn er selbstgefällig und hochtrabend ihnen erzählt, wie »bei ihnen in Berelin« alles unübertrefflich sei. Unter anderem kamen die lieben Österreicher scherzend auch auf den Herrn des Gebirges, und die Mägdlein raunten sich scheu zu, dass sich nur nicht etwa eine verschnappen und gegen den Junker vergehen möge. Der Berliner aber lachte und meinte, das sei unnütze Furcht, »denn«, sagte er, »bei uns in Berelin spottet man nur über dieses armselige Gespenst, das gar nicht existieren tut, und dieser Rübezahl kann keine Kinder mehr erschrecken.« Fein war das just nicht, aber ungeschliffen. Auch schien es, als ob die Frauen ohnehin die neue Gesellschaft nicht eben suchten; aber gemütlich und freundlich waren sie nun einmal da drüben fast alle und besonders die Frauen, und darum mögen sie niemanden verletzen.

In St. Peters blieb die Gesellschaft über Nacht, und waren die Frauen bei allen Entbehrungen doch immer heiter, wohlgemut, natürlich und ungezwungen und nahmen alles, wie es nun war, und nicht wie »bei denen in Berelin«, denen in der Regel nichts gut genug und alles gegen den Anstand war. Früh, als der Herr aufgestanden war, dachte er: »Bei uns in Berelin« macht nur ein glattes Gesicht Eroberungen. Da er fürchtete, sein unbarbiertes Antlitz werde auf die Herzen der Mägdlein eine unerfreuliche Wirkung machen, so beschloss er, sich hier den Bart abzunehmen, denn alsdann, sagte er zu sich selbst, kann dir es nicht fehlen. Er ließ sich also ein Messer gebe, und ging mit einem Topf warmen Wassers auf den Heuboden und barbierte sich. Wie er nun so jämmerlich auf dem Heu dasaß, an seinem Gesicht wie ein Gerber herumschabte und dabei immer das Wasser aus den Augen wie aus zwei Röhrlein in den Bart lief, da ruckte es ihm auf einmal am Arm. Er war gerade beim Ohrläppchen — und das Messer fuhr ihm in die Wangen hinein. »Das ist für’n Rübezahl«, rief es.

Der Herr machte ein Gesicht dazu, dass es einen Stein in der Erde hätte erbarmen mögen. Das war nun eine schlimme Geschichte, und sah der Herr erst nicht schön aus, so war es jetzt mit dem halb barbierten und zerfetzten Gesicht noch weniger. Denn schön war er gerade nicht und hatte einen Haarwuchs, fast so schlimm wie der Kräuterklauber. Wenn auch ein rechter Mond schien, so schämte er sich doch, so er auf diesen Haarwuchs fiel, und verkroch sich. Der Herr putzte sich aber da oben doch an und dachte: Ich wage es. Denn die Liebe war zu groß und die Eitelkeit am Ende noch größer. Also ging er hinunter in die Stube.

»Was habt Ihr denn gemacht?«, rief alles wie aus einem Mund und schaute ihn unter Lachen an.

Er aber tat ganz verwundert und sagte: »Ich wüsste just nichts.«

»Ihr habt ja einen Schnitt im Gesicht, als ob einer mit einem Schwert hineingehauen hätte, und es blutet.«

»Blutet es?« fragt er ganz gedehnt und wird immer verlegner. »Es ist weiter nichts, es ist vom Träumen.«

»Vom Träumen, wie so denn das?« fragte einer lächelnd.

»Nun, es hat mir diese Nacht geträumt, ich wäre in der Türkei und sollte mir ein Ohr abgeschnitten werden. Wie der Kerl den ersten Schnitt tat, da bin ich aufgewacht und da blutet es mang immer noch; det is des Janze.«

Da standen anfangs alle starr und steif und brachen dann in ein unmaßiges Gelächter aus.

»Dass du die Motten kriegst«, sagte der eine.

Die anderen packten aber geschwind ihre Siebensachen zusammen, sagten »in Gottes Namen, Freund« und ließen ihn verblüfft stehen.

Er fing zwar noch einmal an »bei uns in Berelin«, aber es mochte das Weitere niemand hören.

Merke: Wenn einer ein eitler Geck ist, so kann ihm eine kleine Lehre nicht schaden. Gar oft aber hilft sie, auch wohl sogar, was freilich viel sagen will – »bei uns in Berelin.«