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Der Welt-Detektiv Band 6

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Atlantis Teil 39

Die zweite Nacht hatten sie das Atoll umfahren. Am Abend des dritten Tages hatten sie es gefunden. Die Beschreibung Christies traf in allen Punkten zu. Die Felsen waren nach allen Seiten hin unbesteigbar. Der Eingang zur Lagune durch das Felsenriff? … Die Seeräuber hatten ihn einst gefunden, also mussten sie ihn auch finden. Doch alles Suchen war vergeblich. Immer wieder hatten sie das Atoll kreisend umfahren, stets bestrebt, sich nicht einem Wächter der Besatzung zu verraten.

Ein Zufall musste es gewesen sein, der irgendwann bei starker Ebbe den Piraten den unterseeischen Weg zeigte. Ein starker Sturm vielleicht könnte den Eingang freilegen. Aber die See war ruhig, spiegelglatt.

Uhlenkorts Erregung hatte sich von Tag zu Tag gesteigert. Der Gedanke, Christie hier in unmittelbarer Nähe zu wissen … mehrmals hatten sie auf dem Rand der Klippen eine weibliche Gestalt zu sehen geglaubt, die wohl Christie sein konnte.

Immer wieder hatte er sich an Tredrup gewandt, an ihn, den Findigen, Listenreichen. Der wusste keinen Ausweg, starrte mit zusammengebissenen Zähnen zu den Klippen hinüber, die wie Burgzinnen unüberwindbar vor ihnen lagen.

Die Welle nach Saltadera! Uhlenkorts Blicke gingen immer wieder zum Sender. Den Freund dort zu fragen, zu bitten …

Die Nacht verging.

Tredrup gab den Befehl zu tauchen. Die Fahrt ging unter Wasser weiter. Nur das Periskop, auf die Insel eingestellt, zeigte ihr Bild.

Uhlenkort starrte darauf hin. Die Mauern der Klippen glitten vorüber, lückenlos. Fast jeder Stein in hellem Sonnenlicht deutlich erkennbar. Er trat zurück.

»Vergeblich, unmöglich, Tredrup. Das schärfste Auge vermag nichts zu sehen. Wir nähern uns jetzt der Korallenbank im Osten, wir müssen ausweichen. Wäre es nicht doch möglich, dass eine andere Insel, dieser ähnlich, die gesuchte wäre, wo Christie verborgen ist?«

Tredrup schüttelte den Kopf. »Meine Nase, und auf die schwöre ich, sagt mir, diese Insel ist es und keine andere.« Er trat zum Periskop.

Das Boot hatte seinen Kurs geändert. Er stellte das Periskop neu ein. Dann bohrte sich sein Blick in das Bild der Insel. Uhlenkort war im Begriff, den Raum zu verlassen. Ein Schrei aus Tredrups Mund hielt ihn zurück. Er stürzte zu ihm hin.

»Ich sehe den Eingang … ich sehe ihn … dort liegt er.« Er wollte weitersprechen, da hatte ihn Uhlenkort weggerissen, schaute selbst hindurch.

»Der Eingang! Dort liegt er!«, murmelten seine Lippen noch. »Groß und breit das dunkle Tor in dem hellerleuchteten Gestein!«

Er wandte sich zu Tredrup um.

»Tredrup! Du, was ist das? Die Öffnung! Wohl über einen Meter noch liegt sie frei da. Wie ist das möglich, dass wir sie nicht früher sahen? Mehr als ein dutzendmal kamen wir schon an dieser Stelle vorbei und sahen nichts.«

Tredrup starrte auf den Boden. Eine leichte Blässe lag auf seinem Gesicht. Dann, als hätte er einen Entschluss gefasst, ging er zu seinem Periskop.

«Stop!«, schrie er ins Mikrofon.

Das Boot bewegte sich ein kurzes Stück noch, dann stand es.

Tredrup maß die Entfernung zur Küste. An dieser Stelle des Meeres hatten sie am Tag zuvor ebenfalls haltgemacht. Sein Blick ging über die Kronen der Klippen. Die beiden Palmenwipfel, die er gestern noch eben über der Felsenkante sah, waren jetzt nicht mehr zu sehen.

»Saltadera!«, murmelten seine Lippen. »Wibehafen! … Der vom Leuchtturm … Vineta … Black Island … eine Kette!« Er wandte sich zu Uhlenkort.

»Du willst es wissen, wie das geschehen konnte, dass wir heute sehen, was gestern unsichtbar war? Frage ihn in Saltadera!«

Uhlenkort trat einen Schritt zurück, sah Tredrup an, als verstände er ihn nicht.

»Was sagst du? Er?«

»… Er hob in dieser Nacht den Meeresboden hier und die Insel darauf! Sein Werk!«

Uhlenkort legte die Hände über die Augen.

»Sein Werk, Tredrup! Auch das ist sein Werk. Die Macht in seinen Händen. Mich graut. Zu viel, zu viel für schwache Menschenhand. Zu viel, was das Schicksal einem gab, der von irdischer Mutter geboren ward. Seine Hand umspannt den Erdball. Menschen, Meer und Land sind ihm Untertan.«

Ein knirschender Ton vom Kiel des U-Bootes riss sie aus ihren Gedanken. Im Schaukeln der Flut hatte das Boot leicht ein unterseeisches Riff gestreift.

»Hallo!«, rief Tredrup. »Sanfte Warnung! Gut, dass ich stoppen ließ. Das Boot in Fahrt … es hätte ein böses Leck geben können.«

Schon stand er am Maschinentelegrafen. »Achtung! Rückwärts halbe Kraft!«

Langsam schob sich das Boot von der Untiefe ab. Neue Kommandos. Die Ballasttanks füllten sich, das Periskop wurde eingezogen. Das Boot sank, bis es in fünfzig Meter Tiefe ein sicheres Lager auf sandigem Grund fand.

Die Sonne war untergegangen, als das Boot wieder auftauchte. Sie hatten lange beraten, ob sie ebenso wie die Piraten mit dem U-Boot durch den Tunnel fahren sollten. Der Plan war zurückgestellt worden. Erst sollte der Versuch gemacht werden, im Boot durch den Durchlass zu schlüpfen. Die schwache Besatzung rechtfertigte ein solches Unternehmen.

Eine breite, ziehende Wolkenbank verbarg die Mondscheibe, als das Beiboot mit Uhlenkort, Tredrup und einem Dutzend bewaffneter Matrosen abstieß. Mit leisen Ruderschlägen näherte es sich den Korallenfelsen. Nach kurzem Suchen fanden sie den Durchlass.

Es galt äußerste Vorsicht. Konnte man doch nicht wissen, ob die Tunnelhöhle gleichmäßig durch den zweihundert Meter breiten Korallenkranz lief. Vielleicht kam gar das Wasser im weiteren Verlauf wieder bis an die Tunneldecke heran.

Im ersten Teil der Durchfahrt schoben sie das Boot vorwärts, indem sie die Hände gegen die Decke stemmten. Nach etwa hundert Metern wurde der Tunnel niedriger. Fast streiften ihre Köpfe die Felszacken der Decke. Nahm die Höhe so weiter ab, musste die Ausfahrt zur Lagune versperrt sein.

Da glitzerte es vor ihnen hell auf. Die Strahlen des Mondes brachen sich in dem Wasserspiegel der Lagune. Ein paar kurze Stöße noch, und sie waren in der Lagune. Ein Kranz sandigen Strandes darum. An der Ostseite ein Bootssteg.

Darauf zu!

So gute Dienste das Mondlicht ihnen beim Suchen leisten musste, so groß war die Gefahr jetzt, dass man sie sehen, auf sie schießen könnte.

»Mir nach in den Klippenschatten!«, kommandierte Tredrup. »Sind wir im Dunkel, sind die Waffen gleich.« In wenigen Augenblicken war das Boot leer, alles um Tredrup versammelt.

Wo ist Christie? Wo sind die Seeräuber? Das war die Frage. Rings um sie herum das Gewirr der Korallenklippen. Überall Möglichkeiten zum Unterschlupf, zum Versteck.

»Erst Christie!«, flüsterte Uhlenkort Tredrup leise zu. Er sah nicht, wie Tredrup bei diesen Worten sein Gesicht zu einer Grimasse verzog.

Erst Christie! Ja, hätte man gewusst, wo sie war. Tredrup nahm das Nachtglas vor die Augen, ging damit die Felsen in der Runde ab. Ein heller, schmaler Strich an der nördlichen Felswand, wie ein Pfad kam es ihm vor. Irgendwohin musste er führen.

Christie oder die Seeräuber oder alle beide!

Darauf los! Die Hälfte der Mannschaft zurücklassend, schritt er, von Uhlenkort und den Übrigen gefolgt, der Stelle zu.

»Ein Pfad!«, flüsterte er Uhlenkort zu. »Ein Pfad, der nach oben führt. Kein unnützes Geräusch! Alles schussfertig!«

Der Pfad ging mit einer scharfen Biegung rechts ab. Tredrup winkte allen, zurückzubleiben, schlich um den Felsenvorsprung und ging allein weiter. Wieder bog der Pfad zur Seite, mündete vor einem dunklen Höhleneingang. Ein paar ausgehauene Stufen. Im Licht des Mondes sah er, dass hier Menschenhand gearbeitet hatte. Vorsichtig trat er in die Höhle. Völliges Dunkel umgab ihn. Er wagte es nicht, die Handlampe aufleuchten zu lassen. Leise schritt er weiter, Schritt für Schritt über den Boden tastend. Da traf an sein gespanntes Ohr das tiefe Atmen schlafender Männer.

Die Seeräuber! Was tun? Mit derselben Vorsicht, mit der er gekommen, ging er zurück, winkte seinen Leuten, ihm zu folgen. Vor dem breiten Höhleneingang fanden sie Platz, sich aufzustellen.

»Alles fertig?«

»Fertig!«, kam die Antwort. Er zog aus seiner Tasche eine starke Leuchtpatrone, zündete sie an und warf sie mit weitem Schwung in die Höhle.

»Drauf!«, gellte sein Ruf. »Drauf!«, brach sich der Widerhall im Kreis der Felswände.

Ein paar Schüsse knallten … Geschrei Getroffener. Fünf Minuten später lag die Besatzung gut gefesselt am Eingang zur Höhle. Ein Toter. Der Offizier, der Kommandant des Atolls. Er hatte sich bis zum letzten Augenblick gewehrt, dann, als er sah, dass Widerstand aussichtslos war, sich mit seiner eigenen Waffe getötet.

»Wo ist eure Gefangene?«, schrie es den Gefesselten von allen Seiten zu. Ein Verwundeter, der nicht gebunden war, deutete mit dem Arm zur anderen Wand der Felsen.

»Da drüben, wo das Licht glänzt.«

Im Nu flogen alle Köpfe herum. Schon stürmte Uhlenkort den Pfad hinunter, kaum, dass ihm Tredrup folgen konnte.

Dann standen sie keuchend am anderen Rand der Lagune, suchten nach dem Aufgang zum Licht, fanden ihn nicht. Ungeduldig lief Uhlenkort an den zackigen Wänden der Felsen entlang.

Da kam das Licht von oben herunter. Verschwand hinter einem Felsvorsprung, tauchte wieder auf … verschwand wieder … war unten am Strand der Lagune.

»Christie Harlessen! Christie!«, schrie Uhlenkort. »Bist du es?«

»Ich bin es, Walter!«

Das Licht fiel zur Erde … verlosch …