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Felsenherz der Trapper – Teil 21.4

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 21
Der Indianerhändler
Viertes Kapitel

In der Höhle der Coloradoberge

Chokariga, der tapfere Comanchenhäuptling, hatte an dem Lagerplatz, den er in jener engen Schlucht für sich und seinen weißen Bruder ausgewählt hatte, sehr bald wegen Felsenherz’ langen Ausbleibens ernstes Besorgnis empfunden und war daher gleichfalls nach Südosten bis zum San Juan River geschlichen. Hier vertraute er sich einem Baumstamm an und schwamm flussabwärts, da auch er, falls hier feindliche Indianer vorhanden waren, diese in der Nähe des San Juan River vermutete.

Schon nach kurzer Zeit bemerkte er dann am Südufer der Halbinsel schwachen Feuerschein. In der Krone des Urwaldriesen war er vollständig geschützt. So trieb er den Stamm denn dicht ans Ufer der Halbinsel und kam auch gerade zur rechten Zeit. Durch eine Lücke in den Büschen sah er, wie der Apachenhäuptling Felsenherz gepackt hielt und mit dem Messer ausholte.

Chokarigas Büchse flog empor.

Nur ein Westmann wie er durfte sich ein Ziel wie dieses wählen: Ikawirus rechte Hand!

So verlor der blutgierigen Apache zwei Finger.

Der Schwarze Panther aber tauchte und landete unterhalb des Lagers in einer Anschwemmung von Urwaldriesen, kroch weiter und konnte dann seinem weißen Bruder helfend beispringen, als diese, den Verwundeten über der Schulter, zu entfliehen trachtete.

Eilends kehrten die beiden Jäger mit den noch immer halb bewusstlosen Stury zu der Schlucht zurück, holten ihre Pferde, banden ihnen die aus dickem Leder bestehenden Hufschuhe unter und ritten direkt nach Süden den Coloradobergen zu. Die Hufschuhe bewirkten, dass die Pferde nur sehr schwer erkennbare Spuren zurückließen. Felsenherz hatte den Trapper Stury zu sich in den Sattel genommen.

Als sie gegen Morgen aus den San-Juan-Bergen in die erste stark wellige Prärie gelangt waren, sagte der Comanche zum blonden Jäger: »Wir brauchen jetzt nur noch diese Prärie zu durchschreiten, sind wir in den Vorhügeln der Coloradowildnis. Dort kenne ich ebenfalls eine Höhle, die, wie der rote Tom dir kurz beschrieb, sich meilenweit hinzieht und einen sehr versteckten Zugang hat. Es ist fraglos dieselbe Höhle, die er meint. Dort werden wir mit ihm zusammentreffen.«

Es wurde immer heller.

Plötzlich zügelte der ein Stück voranreitende Schwarze Panther seinen prachtvollen Rappen und deutete nach Norden. Dort brachen aus einem Wald gerade in langer Linie etwa zweihundert Rothäute hervor.

»Navajo!«, rief Chokariga.

Im Galopp sprengten sie weiter.

Eine wilde Hetze begann. Die Navajo rückten näher und näher. Endlich tauchten die vereinzelte Felsen auf, die sich sehr bald zu Hügeln auftürmten. Bewaldete Berge erschienen, und der Schwarze Panther bog nun mehr nach Süden von der bisherigen Richtung ab, bis man ein Tal erreicht hatte, dessen kahle westliche Wand, aus dunklem Gestein bestehend, in natürlichen Terrassen sich emporzog und oben in eine flache Kuppel auslief.

Chokariga sprang aus dem Sattel. Die Freunde führten ihre Tiere eilends von Terrasse zu Terrasse, bis sie sechs einzelne, mächtige Tannen vor sich sahen. Diese Tannen verdeckten den Eingang zu einer jener endlosen Höhlen, wie sie in den Coloradobergen nicht selten sind.

Zu der beiden Westmänner Erstaunen war der rote Tom hier bereits anwesend und trat jetzt aus dem breiten, hohen Eingang der Grotten heraus, indem er ihnen zurief: »Die Navajo sind dicht hinter Euch! Ich werde Eure Pferde halten. Wie Ihr wisst, lasse ich mich mit den Rothäuten nie auf einen Kampf ein. Vertreibt die Navajo durch ein paar Schüsse.«

Im selben Moment hatte der Verwundete den Händler erblickt.

»Tom Harpley!«, schrie er. »Die Toten erwachen!«

Dann sank er, von neuer Ohnmacht umfangen, Felsenherz bewusstlos in die Arme.

Der rote Tom blickte auf Stury mit einem Ausdruck unversöhnlichen Hasses.

«Ich werde Euch später alles erklären«, sagte er zu Felsenherz und Chokariga. »Verteidigt den Höhleneingang gegen die Navajo. Ich werde auf diesen Elenden achtgeben, der, sobald er aus der Ohnmacht erwacht ist, versuchen wird, uns zu entfliehen. Er weiß schon, warum, der … Frauen- und Kindermörder! … Endlich … endlich ist die Zeit gekommen«, dabei streckte er die Arme wie in wilder Verzückung gen Himmel, »wo ich meinen Schwur halten kann!«

Der blonde Trapper und Chokariga ahnten hier irgendein furchtbares Geheimnis, eine jener Tragödien, wie sie im Wilden Westen zum Alltäglichen gehörten, als noch die ersten Ansiedler sich über den Arkansas River wagten.

Sie ergriffen ihre fehlenden Büchsen und fassten hinter den Tannen Posto. Aber die Navajo waren verschwunden!

Felsenherz meinte kopfschüttelnd zum Schwarzen Panther: »Die Navajo sind mit den Apachen zurzeit nicht gerade gut Freund! Ob sie etwa Ikawiru auskundschaftet und sich gegen diesen gewandt haben?«

Chokariga machte ein sehr ernstes Gesicht. »Mein Bruder Harry (Felsenherz hieß ja mit seinem wahren Namen Harry Felsen) mag wissen, dass dieses Höhlengebiet drei Eingänge hat. Ich glaubte bisher, nur ich hätte hiervon Kenntnis. Jetzt fürchte ich jedoch, auch die Navajo sind hiervon unterrichtet. Wir werden dabei von zwei Seiten angegriffen werden.«

Der blonde Jäger hatte den Kopf etwas weiter vorgestreckt, um in das Tal hinabspähen zu können.

Sofort blitzten aus niederem Gestrüpp und hinter Felsblöcken der tieferen Terrasse mehrere Schüsse auf. Eine Kugel traf Felsenherz’ breite Hutkrempe, eine zweite riss ihm ein Loch in den linken Ärmel seiner Wildlederjacke.

»Ah – so ist es gemeint!«, rief er trotzdem gut gelaunt. »Nun wissen wir doch, woran wir sind!«

Der edle Comanchenhäuptling fügte hinzu: »Wir wissen, dass die Navajo uns eingeschlossen haben und uns durch die Höhle in den Rücken fallen werden. Chokariga wird schleunigst einen Steinwall aufschichten. Nur so können wir uns hier verteidigen.«

Er begab sich zum Indianerhäuptling, während Felsenherz draußen Wache hielt.

Tom Harpley war sofort bereit, mitzuhelfen. Er hatte Stury inzwischen leicht gefesselt, da dieser wieder zu sich gekommen war.

Die Höhle verengte sich etwa 98 Fuß hinter dem Eingang bis auf 6 Fuß Breite und 9 Fuß Höhe. Diese Stelle wurde durch Felsblöcke und Stein verbarrikadiert. In 10 Minuten hatten die beiden kräftigen Männer dieser Arbeit erledigt, wobei der rote Tom insofern eine große Geschicklichkeit bewiesen hatte, als er zwischen den Blöcken Schießscharten freigelassen und die Blöcke so gestützt hatte, dass sie von der anderen Seite unmöglich weggeräumt werden konnten.

Voller Spannung erwarteten die drei Gefährten jetzt die weitere Entwicklung der Dinge. Da sie vorläufig keinen Angriff zu fürchten brauchten, erzählte der rote Tom den beiden Westmännern jetzt die Geschichte des ungeheuerlichen Verbrechens, das Robbin und Stury einst begangen hatten.