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Die drei Templer

Friedrich de La Motte-Fouqué
Wunderbuch Band 3
Die drei Templer
Leipzig, 1817

Die Nacht lag tief über den Gebirgen des schottischen Hochlandes. Ritter Gualterus, ein edler Provenzal, ritt einsam durch die Täler hin. Bisweilen wurde es ihm, als müsse die seit Jahren nicht erschaute Feste der schönen Gräfin Edilbertha ganz nahe bei des Weges nächster Windung ihm vor Augen stehen. Dann wieder kam es ihm vor, als sei er durch ein gaukelndes Hexen- und Koboldspiel ganz weit hinaus in die aller entfernteste und unbewohnteste Gegend dieser wunderlichen Bergesforsten verbannt.

»Mag es sich doch so oder anders damit verhalten!«, sagte er endlich leise, aber entschlossen in sich hinein. »Nur dass ich erst erführe, ob der Sinn der hohen Frau noch ebenso gegen mich gestellt ist, als vordem! Ob sie mich noch würdig hält, zu sprechen, wie damals: ›Edler Ritter Gualterus, reitet für mich gen Welschland und vollführt das ernste Gericht am Herzog Rotaldo. Der Sieg ist möglich; wahrscheinlich indessen der Tod. Doch weiß ich: Wo Gott und reine Frauen winken, fehlt es an Eurem guten Arm und Schwerte nicht!‹ O, was zu jener Zeit der seligen Freude viel ausging in meinem Herzen! Und wenn es nun anders geworden wäre!«

Eine recht furchtbare Beklemmung zog ihm die sonst so starke Brust zusammen. Zwar ermutigte er sich mit dem Gedanken: Nun, du hast doch auf deinem Zug wahrhaftig nichts wider Ritterehre und Frauenwert getan. Wie kann denn Edilberthas fester, frommer Sinn sich abgewendet haben von deinem reinen, ehrbarlichen Dienst!

Aber die ängstigenden Gedanken wollten gar nicht von ihm lassen, so oft er sie auch verlachte, und endlich im fast übermütigen Hohn den ehernen Handschuh von der Linken zog und damit um sich schlug in die Luft, als wolle er wüstes, töriges Nachtgeflügel verscheuchen.

Da rauschte ihm ein wunderliches Wollen und Wandeln und Wirbeln entgegen, und eine seltsame Stimme – eben von der Seite her, wo er hingeschlagen hatte, sagte:

Guten Abend, Herr Ritter,
Guten Abend!
Und ist Euch so bitter
Des Lebens Stimme,
Doch ist Euch bisweilen sehr labend
In ihrem wechselnden Lachen und Grimme
Des Lebens Stimme.
Drum lachen wir all Euch aus,
Euch aus,
Im wechselnden witzigen Graus!

»Wer da?«, rief Gualterus mit kräftigem Kampfeston und hatte im selben Augenblick den Eisenhandschuh wieder an der Hand, und die Hand am Schwert.

Da lachte es nur noch wunderlicher aus den Gebüschen, aber freilich etwas scheu. Nach und nach verzog sich das Lachen, und immer mehr und mehr in die Ferne verhallend, wurde es am Ende gänzlich still.

»Wunderbar!«, sagte darauf Gualterus laut vor sich hin.»Als mich Gräfin Edilbertha hinaussandte auf die italische Fahrt, wagte keiner aus diesen schottischen Bergkobolden es, mich zu verlocken und zu verhöhnen. Nun sind sie mit einem Mal so wunderlich dreist geworden. Ach, das ist wohl kein gutes Zeichen für mich!«

Er seufzte recht sehr tief und herzlich bei diesen Worten. Da lachte es wieder laut und ganz nahebei, welches er jedoch ohne Zweifel für eine Menschenstimme erkennen musste. Und hervor aus den Zweigen trat eine hohe, schlanke, braungelbe Mannesgestalt, eine Fackel in der Hand, welche das gewissermaßen schöne, aber recht scharfe und schon vom greisenden Haupthaar und Bart umwallte Antlitz bestrahlte. Ein schönes Maultier am blanken, mit goldenen Ringen verbrämten Zaum, folgte geduldig an des Fremden Hand.

Höflich grüßend sagte die unerwartete Erscheinung: »Was überrascht Euch denn so ausnehmend an mir? Ich bin ja eben kein anderer, als der, welchen Ihr schon in Welschland fandet. Der sogenannte Abenteurer Gualfredo bin ich, derselbe, vor dessen ungestümem Angriff Herzog Rotaldo in sein Todesblut sank, etwa ein drei, vier Wochen, bevor Ihr dahin gelangen konntet, die verheißene Tat wider ihn auszuführen. Nun tat es, nicht Gualterus, tat es doch Gualfredo. In der Hauptsache sollte man denken, wäre das immer ganz einerlei!«

Der Fremde lachte hell und heiter auf, nicht etwa auf eine boshafte Weise, aber dennoch konnte der Provenzal es nicht über sich gewinnen, dass er mitgelacht oder auch nur den Mund dazu verzogen hätte.

Da hörte der Fremde urplötzlich zu lachen auf, wiegte das stolze Haupt wie fragend hin und her, und sagte endlich: »O Gualterus, Ihr seid bei Weitem noch nicht der Mann, für den ich Euch hielt. Bildete ich mir doch ein, nach allem, was man von Euch erzählte, und was ich noch vor wenigen Tagen durch die schöne Gräfin Edilbertha selbst von Euch erfuhr, bildete ich mir doch ein, Ihr wäret so ein echter Spiegel aller edlen Ritterschaft, dass Euch zwar sehr viel daran läge, was in der Welt vollbracht würde an wahrhafter Tatherrlichkeit, nicht aber wie viel davon in Eure eigene kleine Schale zu liegen käme. Und nun murrt und ächzt Ihr, weil es der Gualfredo ist und nicht der Gualterus, der den bösen Herzog Rotaldo verdientermaßen erschlagen hat. Ermannt Euch, Herr Ritter, damit Ihr Euer selbst würdig bleiben möget!«

Und etwas unzufrieden aussehend, zog er sein Maultier auf einen nahen Fußsteig hinauf, schwang sich, die Fackel löschend, in den Sattel, und trabte, ehe noch Gualterus eines Wortes mächtig werden konnte, davon.


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