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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Häckselschneider von Scheidweiler

Vom frischen Quell
Sagen, Legenden und Geschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Zweites Bändchen

Der Häckselschneider von Scheidweiler

Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, als die Schweden die deutschen Gaue heimsuchten, war auf der Niederscheidweiler Mühle im Alfbachtal ein Müllergeselle namens Peter, von dem man, weil er mehr wusste und konnte als andere gewöhnliche Menschen, allerlei eigentümliche Geschichten erzählte. Während einige ihn der Hexerei beschuldigten, hielten ihn andere für den Teufel in Menschengestalt. Alles Gerede über ihn ließ jedoch den Müller kalt. Er sah keinen Grund ein, Peter zu entlassen, zumal er noch nie einen fleißigeren und geschickteren Burschen in Diensten gehabt hatte.

Man ahnte in der Mühle indes nicht, dass die Schweden schon so nahe seien und bereits in Bengel standen. Eines Tages, als des Müllers Tochter Lisbeth mit ihren beiden Mägden allein zu Hause war, erschien darin unvermutet ein schwedischer Soldat, der als Kundschafter ausgeschickt worden war. Die Mädchen gerieten in Angst und Schrecken.

Als der Fremdling das bemerkte, versuchte er sie zu beruhigen, indem er sprach: »Ihr braucht nichts zu fürchten, wenn ihr mich aufnehmt und bewirtet.«

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Während die eine Magd ihm ein reichliches Mahl auftrug, eilte die andere auf Lisbeths Geheiß auf das Feld, um die Männer herbeizuholen. Der Schwede hatte das nicht gemerkt und aß nach Herzenslust. Als er fertig war und die Mädchen verfolgen wollte, wurde er auf einmal von einer kräftigen Faust von hinten gepackt und zu Boden geschleudert. Es war Peter, der mit dem struppigen Fremden so kurzen Prozess machte. So sehr der Schwede auch schrie und zappelte, so ließ ihn Peter doch nicht los. Noch ehe der fremde Geselle sich dessen versehen konnte, hatte ihn der Müllerbursche auf die Häckselbank gelegt und ihm Ohren und Nase fein beschnitten. »So«, sagte Peter, »du bist nun gezeichnet. Laufe rasch zu deinen Kameraden und zeige ihnen, wie man bei uns mit frechen Buben verfährt.«

Als der Schwede sich etwas entfernt hatte, blieb er auf einmal plötzlich stehen und rief zornerfüllt: »Warte, Freundchen, wir sehen uns bald wieder; aber ich komme dann nicht allein, und das ganze Dorf soll den Schimpf büßen, den du mir angetan hast!«

Peter aber antwortete höhnend: »Bringe so viel mit, wie du willst, wir werden schon mit euch fertig werden.«

Den anderen gefiel die dreiste Rede Peters nicht, weil sie befürchteten, dass er dadurch die Schweden zu einem Überfall gereizt habe.

Peter aber beruhigte sie mit den Worten: »Habt nur keine Angst, ich werde sie euch alle vom Halse schaffen.«

»Wie willst du das denn anfangen?«, fragte man ihn besorgt und neugierig.

»Lasst das meine Sorge sein«, gab Peter zur Antwort, »ihr habt keinen Grund, euch zu fürchten.« Damit entfernte er sich.

Es dauerte nicht lange, da kam ein Knabe atemlos dahergerannt, der schon von Weitem schrie: »Die Schweden kommen! In einer halben Stunde sind sie hier. Rettet euch eilends!«

Da war guter Rat teuer, und alle riefen nach Peter. Dieser kam alsbald aus der Scheune heraus und hatte unter jedem Arm ein großes Bündel Stroh. Damit trat er an die Häckselbank heran, worüber sich alle sehr wunderten.

»Du bist wohl von Sinnen«, riefen sie ihm zu, »jetzt, wo die Schweden im Anmarsch sind, willst du noch gemütlich Häcksel schneiden?«

Peter aber sagte: »Ich weiß, was ich tue. Bringt nur noch mehr Stroh herbei!«

Er legte nun das eine Bündel auf die Häckselbank und begann, indem er seltsame, unverständliche Worte vor sich hersang, das Messer in Bewegung zu setzen. Aber, o Wunder! So oft er es niederdrückte, sprangen statt der Häckerlinge ebenso viele wohlbewaffnete Soldaten herab, die sich sofort in Reih und Glied stellten. Und Peter schnitt immer weiter, bis ein großes Heer, bestehend aus allen Waffengattungen, in voller Ausrüstung kampfbereit dastand. Die Trommeln wirbelten, und es rückte in Schlachtordnung gegen die Schweden heran. Diese verzagten, als sie ein so gewaltiges Heer sich gegenübersahen. Sie zogen sich schleunigst zurück und ließen sich nicht mehr sehen.