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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang 14

Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang
Ein Märchen von Gotthold Kurz
Nürnberg, bei Gottlieb Bäumler 1837

Vierzehntes Kapitel

Wie Jacob Staatsverrätern auf die Spur kommt und von ihnen dem Untergang preisgegeben wird

Der ungemein schöne Herbst dieses Jahres hatte schon zu manchen ländlichen Parteien des Hofes Veranlassung gegeben. Jetzt wurde eine große Jagdpartie in Oudenbosch veranstaltet, an welcher auch unser kleiner Freund Anteil nehmen sollte. Bei solchen Ausfahrten pflegte er, wie immer, um die Person des Fürsten selbst zu sein. An diesem Morgen aber war im Gedränge der eiligen Abfahrt der Wagen verwechselt und Jacob von den Lakaien in den des Hofmarschalls gesetzt worden, was er selbst erst gewahr wurde, als der hochfrisierte, besternte Herr mit seinem würdigen Freunde, dem Oberstkämmerer einstieg, während die fürstlichen Equipagen bereits vorausgefahren waren. Sein Widerwille gegen diese Höflinge und ein gewisses unheimliches Vorgefühl bestimmten den Jüngling, sich während der Fahrt verborgen zu halten. Er war daher in eine Seitentasche des Wagens geschlüpft, in welcher er jetzt wider seinen Willen der Zeuge einer ebenso wichtigen wie unheilvollen Unterredung wurde.

Der Feind nämlich, der im offenen Feld nichts gegen die Standhaftigkeit der tapferen Vaterlandsverteidiger hatte ausrichten können, sann auf Verrat und List, um sich des Landes zu bemächtigen. Es war ihm bereits gelungen, in der Hauptstadt selbst durch seine heimlichen Agenten eine Partei zu werben, welche damit umging, die Regentenfamilie beiseitezuschaffen und das Land mit allen festen Plätzen dem Feind in die Hände zu spielen. Mit großen Geldsummen und noch größeren Versprechungen waren die beiden Herren, von denen eben die Rede ist, gewonnen worden, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, und den entscheidenden Schlag zu führen. Das tiefste Geheimnis schwebte Sr. Durchlaucht Schoßzwerglein, der allerliebste kleine Herr Fingerlang hier?«, rief er mit übermütiger Bosheit aus und hielt ihn vor sich hin. »Was hat Sie denn hierher geführt, mein Werter? Legen Sie sich aufs Kundschaften? Haben Sie alles recht wohl verstanden und gemerkt, was hier besprochen worden ist? Es wird Ihnen leider nicht sehr gedeihen, denn wie Sie leicht einsehen, braucht es nur einen etwas starken Druck von diesen beiden Fingern, mit denen ich Sie halte, um Sie zu erwürgen. Und es kräht kein Hahn nach Ihnen!«

Jacob erhob seine Stimme, um begreiflich zu machen, wie er ganz unschuldig hierher gekommen sei, und beschwor seinen Gegner, ihm, dem Harmlosen nicht unnützerweise das Leben zu rauben.

»Könnte man nur auf seine Verschwiegenheit rechnen«, flüsterte der Obristkämmerer etwas minder hartherzig seinem Gefährten zu, »vielleicht wäre er sogar geeignet, der Sache als unverdächtiges Werkzeug zu dienen?« Höre, Kleiner«, fuhr er zu Jacob gewendet fort, »was hier zu deinen Ohren gedrungen ist, wird, ob es dir gefalle oder nicht, doch vor sich gehen, ohne dass du es verhindern kannst! Am sichersten für uns wäre es freilich, wenn wir dir das Köpflein eindrückten wie einen Krammetsvogel! Aber es dauert mich deine artige Gestalt und dein junges Leben. Du hast dir übrigens von anderen Gelegenheiten her den Ruf eines verständigen und herzhaften Bürschchens verschafft. Ich mache dir als Ausweg zu deiner Rettung den Vorschlag, dass du unserer Sache beitreten willst, und sichere dir für diesen Fall noch obendrein Ehre und Belohnung zu. Du kannst hier deinen Mut und deine Verschlagenheit erproben, mehr als irgend einmal sich noch Gelegenheit finden wird. Hast du Lust, gemeinschaftliche Sache mit uns zu machen? Spricht!«

Jacob sammelte sich aus seiner Bestürzung, sah ihn mit offenem Auge ins Angesicht und sprach endlich mit fester Stimme: »Das, was ihr von mir wollt, vermag ich nicht!«

»Und wenn du dich nicht traust, für uns zu wirken, so schwöre wenigstens einen heiligen Eid, dass du nichts von all dem, was du jetzt gehört hast, irgendeinem Menschen verraten, noch über deine Zunge kommen lassen willst.«

»Ich schwöre nicht«, entgegnete Jacob nach einer Pause, doch mit gebrochener Stimme. »Gott helfe mir! Ihr aber bedenkt, dass Ihr einst Rechenschaft zu geben habt dem, der alles sieht und hört, und der gerecht richtet!«

Ergrimmt und ohne weitere Rücksicht schleuderte bei diesen Worten der Hofmarschall den Gefangenen aus dem Wagen hinaus in den zur Seite befindlichen Kanal und schrie dazu: »So plaudere denn du Krabbe, wie es dir beliebt.«

Im nächsten Augenblick hatte ihn auch schon die feuchte Tiefe verschlungen.

Seine Ausrüstung kostete nicht viel Zeit, wenn sie gleich sehr vollständig und glänzend war.

Bis zur bevorstehenden Abreise der Familie blieb Jacob nun der unzertrennliche Gefährte derselben. Dann aber schlug die Scheidestunde. Der General Erb Stadthalter, Prinz von Oranien, hatte Befehl gegeben, ihm den merkwürdigen Jüngling vorzustellen. Diesem sagte ein dunkles inneres Gefühl, dass er nur auf diesem Wege seine ersehnte wahre Bestimmung erreichen könne.

Unter bitteren, ja heftigen Schmerzen trennte er sich von der würdigen Familie, an die sein Herz durch Bande der Dankbarkeit, der Achtung und der Liebe so festgeknüpft, die ihm durch tausend süße Erinnerungen so teuer geworden war! Nun sollte er zum ersten Mal ganz für sich allein stehen in der Welt und eine ganz neue Laufbahn betreten, von der man ihm nicht lauter Gutes, sondern auch genug Bedenkliches vorhergesagt hatte!

Seine Ausrüstung kostete nicht viel Zeit, wenn sie gleich sehr vollständig und glänzend war.