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Sammlung bergmännischer Sagen Teil 18

Das arme Bergmannsleben ist wunderbar reich an Poesie. Seine Sagen und Lieder, seine Sprache, seine Weistümer reichen in die älteste Zeit zurück. Die Lieder, die wohlbekannten Bergreihen, die Sprachüberreste, die Weistümer sind teilweise gesammelt. Die Sagen erscheinen hier zum ersten Mal von kundiger Hand ausgewählt und im ganzen Zauber der bergmännischen Sprache wiedergegeben. Das vermag nur zu bieten, wer ein warmes Herz für Land und Leute mitbringt, wo diese uralten Schätze zu heben sind; wer Verständnis für unser altdeutsches religiöses Leben hat, wer – es sei gerade herausgesagt – selbst poetisch angehaucht ist. Was vom Herzen kommt, geht wieder zum Herzen, ist eine alte und ewig neue Wahrheit. Hat der Verfasser auch nur aus der Literatur der Bergmannssagen uns bekannte Gebiete begangen, verdient er schon vollauf unseren Dank. Seine Liebe zur Sache lässt uns hoffen, er werde mit Unterstützung Gleichstrebender noch jene Schaetze heben, die nicht an der großen Straße liegen, sondern an weniger befahrenen Wegen und Stegen zu heiligen Zeiten schimmern und zutage gefördert sein wollen.


III. Sagen von den Venedigern

3.

Am ganzen Harz weiß man viel von Leuten aus Venedig zu erzählen, die alljährlich von dorther gekommen sind und sich dann immer nach bestimmten Punkten, die sie vorher angegeben haben, bringen lassen. Die Berge haben sich vor ihnen aufgetan, und sie sind hineingegangen und reich beladen zurückgekehrt. Denen, welche ihnen als Führer gedient hatten, haben sie meistens reichlich belohnt und ihnen oft gesagt, die Leute hierzulande wüssten gar nicht, was noch alles in den Bergen stecke, und der Stein, mit dem sie nach der Kuh würfen, sei mehr wert als die Kuh selber.

Zu einem Mann im Tal sind auch mal Venediger gekommen, die haben gesagt, er solle sie an einen bestimmten Ort führen. Das hat er getan, und als sie da angekommen sind, haben sie eine Hasel in die Höhe geklappt. Unter der ist ein großer Gang zum Vorschein gekommen. Da sind sie nun hineingegangen, und der Mann mit ihnen, und sind endlich in einen großen Saal gekommen, in dem eine große Mulde voll Goldkugeln gelegen hat. Da haben sie denn ihre Säcke aufgemacht und vollgepackt. Wie das aber der Mann gesehen, hat er wie von ungefähr sein Tuch in die Mulde fallen lassen, sich danach gebückt und unter ihm gleichfalls eine der Kugeln herausgenommen, ohne dass es einer gesehen hätte. Sogleich ist aber ein großer schwarzer Hund, der dabei lag, aufgesprungen und hat den Mann zerreißen wollen. Die Venediger aber haben ihn gleich wieder beruhigt. Darauf sind sie wieder herausgegangen und haben dem Mann gesagt, er könne nun gehen, denn er habe seine Belohnung schon. Nachher, als sie fortgewesen, hat der Mann gern noch einmal in den Berg gewollt, um mehr zu holen, und hat alle Haseln, die da standen, aufzuklappen versucht. Aber es hat sich keine wollen aufklappen lassen.

4.

Bei einem Mann in Grund sind auch alljährlich Leute aus Venedig eingekehrt. Die haben sich von ihm in die Berge führen lassen und hatten einen Spiegel mit sich. Wenn sie in den schauten, konnten sie alles sehen, was in den Bergen war. Das wusste der Mann und nahm ihnen einmal in der Nacht heimlich ihren Spiegel fort. Und da sah er denn, dass der Berg bei Grund einen eisernen Kopf, einen silbernen Leib und einen eisernen Fuß hätte, und der schwamm auf dem Wasser. Frühmorgens, als die Venediger aufstanden, wussten sie schon, dass ihr Wirt ihnen den Spiegel fortgenommen hatte, und zwangen ihn sogleich, ihnen denselben herauszugeben.

Da sind sie denn fortgegangen und nie wiedergekommen. Der Mann hat wieder arbeiten müssen, um sein kärgliches Brot zu verdienen, während er früher von den Venedigern so viel bekam, dass er vollauf zu leben hatte.