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Mechthild Borrmann – Wer das Schweigen bricht

Mechthild Borrmann – Wer das Schweigen bricht

Robert Lubisch, Mediziner, verwaltet den Nachlass seines Vaters, dessen Ansprüchen er nie genügte und dessen Firma er nicht leiten wollte, die Lubisch AG, ein Bauunternehmen. Er besuchte seinen Vater nach dem Tod seiner Mutter nur noch am Geburtstag, Ostern und Weihnachten, und nun muss er sein Haus verkaufen.

Als er in den Sachen stöbert, die ihm sein Vater außerdem hinterlassen hat, findet er ein sepiafarbenes Porträtfoto mit gezackten Rändern von einer jungen, fremden Frau. Zudem findet er einen SS-Ausweis mit unkenntlichem Foto auf den Namen Wilhelm Peters, einen Passierschein ohne Namen und einen Entlassungsschein aus der Gefangenschaft auf den Namen Friedhelm Lubisch, den Namen des Vaters, der erst 1948 entlassen wurde.

Auf der Rückseite des Fotos der unbekannten Frau ist das Fotoatelier Heuer in Kranenburg als Urheber angegeben. Während Robert Lubisch zusammen mit seiner Frau Maren darüber spekuliert, wer dieser SS-Scharführer Wilhelm Peters und die unbekannte Frau waren und was Friedhelm Lubisch mit beiden zu tun hatte, vermutet er, dass sein über all die Jahre unantastbarer, übermächtiger Vater vielleicht ein Geheimnis hatte. Vielleicht wird sich eine Schwäche des Vaters offenbaren, die ihn auf eine normale Größe zurechtstutzt.

Für Robert, der sehr lange mit der Übermächtigkeit seines Vaters zu kämpfen hatte, wäre das sicher eine Befreiung. Es tut sich für ihn die Frage auf, ob die Frau auf dem Foto seinem Vater nahegestanden hat. Folglich fasst er den Entschluss, nachzuforschen.

Also nutzt er die Chance, als er zu einem Kongress an der Radboud Universität in Nimwegen eingeladen ist, sich in Kranenburg nach dem Fotoatelier Heuer zu erkundigen. In einer Kneipe gibt man ihm die Auskunft, wo der alte Fotograf Heuer zu finden ist.

Dieser erkennt das Foto der Frau als seine eigene Arbeit und sagt, es zeige Therese Pohl, später Therese Peters, die Frau von Wilhelm Peters. Wilhelm werde vermisst und sei nie gefunden worden.

Lubisch fragt den alten Fotografen, ob Frau Peters noch lebe und wo er sie finden könne, obwohl er eigentlich am Ende seiner Suche angekommen ist, da er offenbar keine heimliche Geliebte des Vaters gefunden hat. Heuer sagt ihm, Therese Peters sei nicht lange nach dem Verschwinden ihres Mannes ebenfalls aus der Gegend fortgegangen, und niemand habe mehr irgendetwas von ihr gehört.

Robert fragt, wo die Peters gewohnt hätten, und Heuer verweist ihn an den Höverkotten, also eine ausgebaute Hütte der Familie Höver. Die Adresse bekommt Robert von Heuers Schwiegertochter. Aber – so meint sie auch – es sei besser, er wende sich mit so alten Geschichten an die Hövers, die Geschwister Paul und Hanna, die in der Gegend aufgewachsen seien. Sie lebten auf dem Höverhof.

Auf dem Höverhof trifft Robert zunächst niemanden an. Also sucht er, da er nur wenig Zeit hat, noch den Höverkotten auf. Dort trifft er die Pächterin, die Journalistin Rita Albers, und weckt deren Interesse an diesem Fall. Robert lässt ihr Kopien des Fotos, des Ausweises und des Passierscheins da und fährt zurück nach Nimwegen, nicht ohne mit der Journalistin Visitenkarten auszutauschen.

Eine spannende alte Geschichte um das Ehepaar Peters, die Hövers und so manchen anderen, die im Nazireich beginnt, wird nun offenbar, in deren Verlauf es auch einige Tote gibt, deren Ableben die Polizei beschäftigt und am Ende aufgeklärt wird.

Die Autorin bietet einen historischen Krimi, der in den Wirren des Zweiten Weltkrieges spielt, und in dem sechs junge Menschen, alle geboren von 1920 bis 1922, in einem Netz aus Liebe, Jugend, Schuld, Freundschaft und letztlich Hass gefangen sind. 60 Jahre später forscht ein Arzt und Sohn eines Beteiligten über diese Dinge nach und bezieht eine Journalistin in seine Suche ein. Am Ende beschäftigt das Geschehen im und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Polizei, die einige Taten aufklären kann und Verantwortliche zur Rechenschaft zieht.

Mechthild Borrmann beschreibt das Geschehen im Krieg durch Rückblenden, die einer der Beteiligten, die inzwischen ein ganz anderes Leben gelebt hat und lebt, durch den Kopf ziehen. Demgegenüber bewegen sich der Arzt Robert Lubisch und die Journalisten Rita Albers in den Monaten November 1997 bis April 1998. Endlich trifft Lubisch auf Therese Peters, nun Mende, die ihm genau erzählen kann, was damals geschah.

In Ihren Erzählungen von der Hitlerzeit zeichnet die Autorin ein düsteres, aber durchaus realistisches Bild dieser schlimmen Jahre. Die Personen, die sie beschreibt, könnten so oder ähnlich tatsächlich agiert haben, und die Geschehnisse um diese Personen könnten sich auf diese oder ähnliche Weise tatsächlich ereignet haben.

Insbesondere die Menschen, die dieses System aufrecht erhielten und das deutsche und andere Völker gnadenlos unterdrückten, sind in dem vorliegenden Roman sehr genau und glaubwürdig beschrieben. Ihre Handlungsweisen gegenüber den Gegnern des Regimes, ihre Brutalität und ihre Skrupellosigkeit kommen in dieser Geschichte sehr genau zum Ausdruck, und die Leiden der auf diese Weise behandelten Menschen werden ebenfalls sehr deutlich dargestellt.

Der Erzählerin sind die psychologischen Betrachtungen ihrer Charaktere sehr gut und glaubhaft gelungen, und sie beweist dabei nicht nur erzählerisches Talent, sondern auch Sensibilität und Empfindungen für ihre Personen, die beweisen, dass sie ein ausgesprochen feines Gespür für die Menschen dieser Zeit hat.

Aber nicht nur Sensibilität und Gespür für die Personen der Jahre des Zweiten Weltkriegs besitzt Mechthild Borrmann, sondern auch für die Menschen unserer Zeit, die Nachgeborenen und ihren Umgang mit der Weltkriegsgeneration. Ganz besonders hervorzuheben ist bei ihrer Geschichte wohl der Aspekt, dass man nicht nur in unserer Zeit um die Unrechtmäßigkeit diverser Taten in den Jahren 1939 bis 45 wusste, sondern bereits in diesen Jahren, und dass die Täter, die damals nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, damals eben auch nicht die Helden des normalen Volkes waren, wie sie es vielleicht gern gewesen wären. Unrecht war eben immer Unrecht, auch in jenen Jahren, und Täter blieben Täter, ganz gleich, welches Regime herrschte.

Fazit:
Mechthild Borrmann ist mit Wer das Schweigen bricht ein ausgezeichneter historischer Kriminalroman Über die Zeit des Nationalsozialismus in der deutschen Provinz gelungen. Mit Gespür für Personen und Taten beschreibt die Autorin eine spannende Geschichte aus dieser Zeit, die so oder ähnlich wohl öfter in unserem Land geschah und manchmal bis in die Gegenwart hineinreicht.

Ich möchte diesen Roman allen historisch interessierten Lesern empfehlen, denen die bloße Unterhaltung durch ein Buch ein bisschen zu wenig ist und die es mögen, wenn vergangenes Unrecht beim Namen genannt und am Ende gesühnt wird.

Die Autorin:

Mechthild Borrmann ist 1960 in Köln geboren. Die Autorin lebt heute in Bielefeld und verbrachte Kindheit und Jugend in Kleve am Niederrhein. Sie arbeitete u.a. als Tanz- und Theaterpädagogin, Groß- und Außenhändlerin sowie als Gastronomin, bevor sie begann, Kriminalromane zu schreiben. Seit 2011 ist sie freie Schriftstellerin.

2012 bekam sie für den Roman Wer das Schweigen bricht den Deutschen Krimi Preis.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Droemer Knaur.
  • Foto der Autorin. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Droemer Knaur.

(ww)