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Jacob von Molay, der letzte Templer 26

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Dritter Teil
König Philipp
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Erstes Kapitel

Anmerkung:
Die erste Seite dieses Kapitels wurde nicht gescannt und wird bei Erhalt dieser nachgereicht und in den folgenden Text eingefügt.

[…] Wilhelm von Paris, eine Klage gegen die Tempelherren haben anbringen lassen, und der Antrag sollte dahin lauten, diesen ganzen berühmten Orden auszurotten. Ja, man wusste sogar in Paris den Inhalt der päpstlichen Briefe, welche der König erhielt, obwohl sie schwerlich in andere Hände gelangten als in die des Herrn und seines geheimen Rates. Bei solchen Umständen war es leicht zu erwarten, dass Jacob von Molay alle Mittel ergreifen musste, um sich und den Orden vor dem Superior zu entschuldigen. Er war selbst nach Troyes gereist, forderte Aufschluss vom Papst. Doch der forderte des Großmeisters Gutachten über die Verbindung der drei kriegerischen Orden – und nichts weiter. Jetzt entspann sich in des Großmeisters Kopf ein ganz besonderer Gedanke, und der Großmeister, wie er ihn weiter und immer weiter dachte, fühlte sich beruhigt in dem Gedanken: »Der Kardinal von Ostia hatte also die Wahrheit gesprochen. Drei Orden werden das Gelobte Land erobern. Die weltlichen Ritter stehen zurück gegen uns. Das mag freilich zur Eifersucht spornen. König Philipp, der beste Sohn der Kirche, ausgeschlossen von einem solchen Unternehmen, einehrgeiziger Herr – freilich, freilich, muss das ihn am meisten kränken. Darum also die vielen Boten vom Papst und an den Papst! Das Volk ist töricht, um etwas anderes darunter zu vermuten, und der Neid des Volkes hat so erbärmliche Dinge gegen uns erfunden.«

Da aber fiel dem Großmeister der Name Wilhelm von Nogareto ein, der Waffenschmied, der Prior von Montfaucon und Nosso Dei. Und wie er sich auch zu beruhigen strebte, es wollte ihm nicht gelingen. Selbst des Dauphins und Montroyals unüberlegtes Verfahren war, wie leicht zu begreifen, dem König zu Ohren gekommen. Seine Diener hatten nicht ermangelt, den Hergang mit den grellsten Farben auszuschmücken. Bei einem seiner Besuche am Hof hatte sich der König bitter über diesen Gegenstand ausgelassen, und der Großmeister hatte Mühe, sich darüber zu entschuldigen. Philipp ging bei dieser Gelegenheit von seiner gewöhnlichen Art und Weise, wie er Beleidigungen vergalt, ab. Er verständigte sich ganz und gar mit dem Großmeister, sprach davon, wie es sehr leicht möglich wäre, dass in dem freudeerfüllten Paris dieser oder jener irgend einmal aus dem Geleise träte, dass die nächtlichen Wanderungen so jungen Kriegsmännern nicht zu verdenken wären; dass alle Regeln des Ordens wohl einigermaßen gemildert werden dürfrten und dass vielleicht ein Becher Wein die beiden Herren zur Undedachtsamkeit verleitet haben könnte.

Überraschender noch als des Königs Sanftmut kam dem Großmeister ein zufälliger Vorschlag des Königs.

»Ihr wisst«, sprach Philipp, »wie hoch ich Euch schätze. Der Bube, den Ihr mir über die Taufe gehoben habt, wird kräftiger und stärker als die übrigen. Ich mag das. Ein Mann muss mannhaft sein. Geist und Körper müssen da im Zusammenklang stehen und schon der Anblick soll ihn zum Fürsten der Schöpfung stempeln. Darum, liever Vetter, habe ich mir so eines ausgedacht und ich bin überzeugt, Ihr haltet es nicht ganz ohne. Seht her! Der Papst will, wie ich höre, aufs Neue das Kreuz predigen. Das ist ganz gutl! Die drei kriegerischen Orden aber werden miteinander um den Vorzug buhlen. Die vom Hospital werden denen vom Tempel die Anwartschaft auf den Thron von Jerusalem streitig machen. Und wenn auch die deutschen Ritter, was ich gar sehr bezweifle, sich still genügsam zurückgezogen halten, so dürfte es doch leicht zwischen den beiden bedeutendsten Orden wieder zur blutigen Fehde kommen, wie ich das mehr als einmal schon erlebte. Da, lieber Vetter, habe ich nun einen Ausweg gefunden, meine ich. Was tut der Name zur Sache? Streben wir doch alle für die Glorie des Kreuzes. Und mögen wir so oder so heißen: Wir bleiben Kämpfer Christi. Eine gewisse Hochachtung flößt schon die Geburt eines Königskindes ein. Verehrung gebietet schon die Majestät, welche von Gottes Hand über einen Menschen ausgestreut wurde, und der übermütigste Stolz beugt sich vor der königlichen Hoheit. Seid Ihr nicht auch meiner Meinung, lieber Vetter?«

»Majestät«, versetzte Jacob von Molay, »was Ihr da zu behaupten geliebt, das mag wohl von allen Menschen gelten, die sich irgendeinem weltlichen Fürsten untertan fühlen. Doch von den Tempelherren, die nur den Papst …«

»Nicht weiter, lieber Vetter!«, unterbrach ihn hastig der König. »Die Privilegien, welche Päpste gegeben haben, können Päpste nehmen!«

Jacob von Molay lächelte. Er sah den König so treuherzig dabei an, dass dieser den Blick nicht ertragen konnte, und mit einer raschen Wendung wieder zu dem Hauptgegenstand gelangte. Doch die Wallung war nicht zu verkennen, als Jacob von Molay sich auf die alleinige Oberherrschaft des Papstes berief.

»Das beiseite!«, lenkte der König wieder ein. »Ihr, der Kirche bester Sohn, werde gewiss dem Orden nicht in den Weg treten. Doch Frankreichs Ehre und Ruhm zu erhöhen, möchte ich wohl alle Ritter dieses Weltteils einem Herrn gehorsam machen, in dessen Adern französisches Blut fließt. Möge der Name schwinden, wenn nur die Sache bleibt, und dreimal Heil dem französischen Thron, wenn sein Spross das Haupt eines alleinigen Ordens ist, der alle christlichen Ritter in sich begreift – ein königlicher Orden muss es sein! Das wird der unwandelbare Pfeiler, auf dem die Christenheit ruhen kann; die kühne Stirn, gegen heidnisches Unternehmen und Unterfangen, die ruhigthronende Sicherheit des Kreuzes, die gottgefälligste Tat, das herrlichste Beschließen in meinem ganzen Leben!«

Wie plötzlich, wie weit ab schweifte König Philipp in diesem Augenblick! Und wie auch Jacob von Molay wohl bewandert war in der Rede, so fehlten ihm in diesem Augenblick doch die Worte. Stand nicht Philipps Plan seinem Hoffen gerade gegenüber? Wo blieb die Hoffnung für ihn, wenn ein königlicher Prinz an die Spitze der Ritterschaft gesetzt wurde? Des Menschen Herz ist ein unerschöpflicher Born. Nicht möglich ist es, es völlig zu ergründen. Und wer möchte dem Großmeister Jacob von Molay verdenken, wenn er, nach allem, was ihm in Paris nun vorgekommen war, nicht mehr so gerade und offenherzig seine Gedanken kundgab, als dieses ehemals stets bei ihm der Fall gewesen war? Nach langem Überlegen, während des Königs Blick erwartungsvoll an seinem Mund gehangen hatte, fragte er, ob auch Seine Heiligkeit der Papst mit der Absicht des Königs einverstanden wäre.

»Lieber Vetter«, versetzte Philipp, der Heilige Vater zu Rom hat etwas anderes zu bedeuten als der Heilige Vater zu Avignon! Und Gott gedankt, dass ich Herr in Frankreich bin! Dass meine Befehle gelten und nicht die seinen! Villaret hat das sogleich erkannt und deshalb ist er nicht herübergekommen von Zypern – was soll mir Villaret? Gesund ist er, das weiß ich! Doch er schrieb dem Heiligen Vater, seine Gesundheitsumstände erlaubten es nicht, die Reise über das Meer zu machen.«

»Königlicher Herr«, unterbrach ihn der Großmeister, »wisst Ihr vielleicht, warum die Mahnung an Villaret nicht so dringend war als wie an mich? Warum wurde mir die Ehre eines päpstlivhen Legaten zuteil und nicht ihm?«

»Lieber Vetter«, war des Königs schmeichelhafte Antwort, »könnt Ihr Euch das nicht selbst erklären? Seit lange schon, seit lange, sage ich, sind die Ritter vom Tempel des Papstes rechte Hand, und bei der Jungfrau, die wir verehren, dergleichen gute Stütze zu bewahren, steht dem Papst wohl an!«

Unmerklich war der schmeichelnde Ton des Königs in Bitterkeit übergegangen.

Der Großmeister merkte es wohl. Doch behielt er Fassung und fragte, scheinbar ruhig: »Weiß Eure Majestät nichts von der Sendung an Villaret?«

»Doch, doch! He, Bourdon!«, rief der König zur Tür hin. »Bring mir das Schreiben Seiner Heiligkeit an den Großmeister der Hospitaliter.«

Der Diener vollzog den Befehl auf das Schleunigste, und der König reichte das Schreiben dem Großmeister, welcher es aufmerksam und halblaut las:

Die Könige von Zypern und Armenien bitten inständigst, dass Wir ihnen zu Hilfe eilen. Wir haben Uns daher entschlossen, mit Euch und dem Großmeister des Tempelherrenordens darüber zu verhandeln. Da Ihr, in Rücksicht auf einen neuen Kreuzzug, Uns am besten raten könnet, weil Ihr, einesteils die beste Kenntnis des Landes habt, auch am ehesten über die Ausführung des Unternehmens berichten könnt, anderenteils niemand mehr als Ihr nach der Römischen Kirche bei dem Erfolg beteiligt ist: Wir verordnen daher, dass Ihr Euch bereithaltet, so geheim wie möglich, hierher zu gelangen, mit möglichst kleinem Gefolge. Diesseits des Meeres werdet Ihr eine große Anzahl Eurer Ritter finden, welche Euch begleiten. Sorgt aber, auf Zypern einen tüchtigen Befehlshaber zu lassen und wackere Ritter, um Eure Residenz verteidigen zu können. Da Eure Abwesenheit nicht lange dauern wird, so wird sie keinen Einfluss auf die Geschäfte des Ordens haben. Indessen möget Ihr doch nicht unterlassen, einige Ritter, die Weisheit und Eifer genug besitzen, uns treu zu raten, mitzubringen.

Bourdeaux, den 6. Juni 13…

»Sonderbar! Sonderbar!«, äußerte er dann kopfschüttelnd. »Mich will man mit meinem glänzendsten Gefolge, mit meinen besten Komturen; und Villaret so geheim wie möglich, mit weniger Begleitung! Eure Majestät möge mir nicht verargen, wenn ich bei dem Papst selbst mich nach der Ursache zu diesem sonderbaren Benehmen erkundige? Überhaupt erscheint mir alles, was in neuester Zeit vonseiten des neuen Papstes mit dem Orden vorgenommen wird, nicht so ganz … ehrlich … wenn ich es sagen soll, und wie Eure Majestät das Heil Eurer Untertanen im Auge haben müsse, so obliegt mir die Pflicht für des Ordens Glieder.«

»Vergesst nicht, Großmeister der Tempelherren«, bemerkte Philipp mit dem Stolz, den unbeschränkte Macht erzeugt, »vergesst nicht, dadd die Tempelherren in meinem Reich meine Untertanen sind! Wenn ich also für das Heil der meinen Sorge trage, so sind die Ritter vom Tempel nicht davon ausgeschlossen. Väterlich muss ich ihr jetziges und künftiges Glück beabsichtigen, wie, wenn sie meine Kinder wären; die guten Kinder beloben, die bösen bestrafen … Und dann, mit kurzen Worten auch: Ich kann es nicht ertragen, dass in meinem eigenen Reich ein anderer noch außer mir ein unbedingtes Wort zu sprechen hat, ein fürstlich Wort – die eigenen Söhne dürfen es nicht! Viel weniger noch ein anderer, der nicht vom königlichen Stamm ist!«

»Was ist Euch plötzlich, Majestät?«, trat der Großmeister einen Schritt zurück. »Was entflammt Euren Zorn? Gelten Eure Worte mir? So muss der Erdenlauf sich geändert haben, denn der beste Sohn der Kirche kann unmöglich die Privilegien des besten Ordens gar zu ausgedehnt finden. Majestät!«, trat der Meister dem König wieder näher, »ich bin nicht gewohnt, mein wahres Empfinden zu verbergen; bin nicht gewohnt, einem König gegenüber eingeschüchtert dazustehen. Fürstenrang ist die Hülle, die mich wie Euch umgibt! Und … lasst es mich sagen: Es tagt furchtbar in meiner Seele – bei unserer lieben Frau, die wir verehren! Ich habe niemals gebebt, wenn tausend Speere mich umsausten, wenn von der Keulen Wucht die Lüfte zitterten, wenn das Sonnenlicht, von der Pfeile unzählbarem Schwarm ausgelöscht wurde. Aber jetzt … jetzt, Herr König, bebt meine Stimme, an dem, was ich sage. Glauben wollte ich es nicht, was man mir geflüstert hat, und ich brauche nicht mehr zu glauben. Was man klar und deutlich einsehen kann, das braucht man nicht zu glauben!«

»Was seht Ihr ein? Was seht Ihr klar und deutlich ein?« Diese Worte hastig sprechend warf sich der König in einen Sessel.

»Jetzt, Majestät«, versetzte Jacob von Molay mit einer Kälte, die den König entflammte, »jetzt, Majestät«, sprach er noch langsamer, »will ich meine wahre Meinung zurückhalten. Der Dauphin von Auvergne soll sie Euch schriftlich überbringen. Ich beurlaube mich, Majestät!«

»Nicht doch – nicht doch!«, fuhr der König vom Sessel auf. Eine jähe Zornesröte, ein funkensprühendes Auge stellte seine Bewegung dar. »Ihr bleibt, Großmeister! Ihr bleibt hier, bis ich Euch die Erlaubnißs gebe, Euch zu entfernen! Bedenkt, dass Ihr im Louvre seid! Und bedenkt zugleich, dass auch mein Arm bis in den Tempel reicht.«

»Welche Sprache, Sire? So hatPhilipp von Frankreich niemals mit mir gesprochen! Nein, nein, Herr und König, Ihr irrt Euch zumal, wenn Ihr denkt, dass Jacob von Molay sich einschüchtern lässt. Dass irgendein Ungetüm hinter Euren Worten lauert«, fügte er sich aufrichtend hinzu. »Das sehe ich wohl ein. Doch wo ich auch stehen mag, sei es im Louvre zu Paris oder jenseits des Meeres unter glühendem Himmel: Mein Gott ist über mir, er schützt mich durch den Papst!«

Da trat die winzig kleine, unscheinbare Gestalt des Paters zwischen die beiden und Wilhelm von Paris krächzte dem Großmeister zu: »Mit Verlaub, edler Herr, dass ich Euch in Eurer Wallung unterbreche. Die heiligste Pflicht rief mich zu meinem Beichtkind, zu König Philipp von Frankreich. Wir sind durch den Zufall einer Mühe überhoben. Was Ihr jetzt dem König gesagt habt, hat er nicht nötig, mir zu vertrauen und Ihr selbst … da ich eben mit Euch zusammengetroffen bin … es ist mir der Weitläufigkeit halber … nichts weiter … So sagt mir denn … hm … ja! Nicht wahr, Herr und Meister?«

»Euch? Ich? Was hätte ich Euch zu sagen? Wie könnt Ihr verwegen hintreten vor den König von Frankreich – der Pöbel mag Euer heiliges Gewand verehren. Da Ihr mich aber kennt, macht Ihr Euch lächerlich, breitbeinig dazustehen vor dem Großmeister der Tempelherren!«

Da loderte es plötzlich auf in des Paters grauen Augen in unzähmbarer Wut. Über den Kopf em­por reckte er die Arme, so weit er reichen konnte, mit ausgespreitzten Händen, und mit einer Kraft, die man ihm nicht zugetraut hätte, kreischte er: »Was war das? Der Glaubensinquisitor des Papstes in Frankreich und lächerlich! Wahret Euch, Tempelherr! Über meine Lippen donnert der Strahl gegen Ketzer, und jeder Atemzug, jeder Hauch meines Mundes trifft wie verzehrendes Feuer!«

»Wenn der Unsinn waltet im Louvre«, wandte sich Jacob von Molay zur Tür, »dann verlässt dieVernunft vernünftig das Haus.«

Trabanten des Königs streckten die Hellebarden vor.

»Bei unserer lieben Frau!«, rief der Meister mit bitterem Lachen, »die Hellebarden des besten Sohnes der Kirche drohen dem Meister des Tempelordens!«

»Wer gab den Befehl?«, donnerte der König den Trabanten zu. »Zurück, Ihr! Lasst ab von ihm! Lasst ihn durch! Wer gab den Befehl?«, fragte er noch einmal.

»Eure Majestät!«

»Pater, Ihr habt ihn gegeben!«

»Ja, mein König.«

Da wandte ihm Philipp den Rücken zu und sprach über die Schulter hinweg: »Ihr seid doch zu dumm, Pater.«