Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern – 14. Blatt

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern
von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871

Eulenspiegel macht die Kranken im Hospital in Nürnberg ohne Arznei gesund.

u einer anderen Zeit kam Eulenspiegel nach Nürnberg und gab sich für einen Wundarzt aus, weil er auf diese Weise am leichtesten betrügen konnte. Hier schlug er an den Straßenecken große Zettel an, mit der Nachricht, dass ein gelehrter Wundarzt daselbst angekommen sei. Wer krank sei, solle zu ihm kommen, er könne alle kurieren. Nun war das Hospital daselbst voll von Kranken, und der Spitalmeister wäre dieselben gern los gewesen, um sie als gesund entlassen zu können. Er ging deshalb sogleich zu dem Wunderdoktor und bat ihn, dass er doch in das Hospital kommen und seinen vielen Kranken helfen möchte.

Eulenspiegel sprach: »Ja, ich will ihnen helfen, aber ihr müsst mir zwanzig Gulden geben, dann sollt ihr sehen, dass sie alle ganz munter herauslaufen.«

Der Spitalmeister zahlte ihm auch die Summe gleich aus.

Eulenspiegel versprach, ihm das Geld wiederzugeben, wenn die Kranken nicht alle herausliefen. Und nun ging Eulenspiegel in das Hospital und fragte jeglichen Kranken, was ihm fehle. Als er nun von einem Kranken wegging, musste ihm derselbe erst geloben, keinem anderen zu verraten, was er ihm heimlich ins Ohr sagte. Und jeder Kranke gelobte ihm an, sein Geheimnis zu verschweigen.

Eulenspiegel aber hatte bei seinem Untersuchen jedem Kranken ins Ohr gesagt: »Ich soll euch Kranke alle gesund machen und auf die Beine helfen. Dazu gibt es nun kein anderes Mittel, als dass ich erst einen von euch zu Pulver brenne und allen übrigen Kranken davon eingebe. Dies ist das einzige Mittel, euch allen zu helfen. Welcher nun am kränkesten von euch ist, den werde ich zu Pulver brennen. Um dieses mit Gewissheit zu erfahren, werde ich mit dem Spitalmeister draußen vor die Tür treten und laut rufen: Welcher von euch nicht krank ist, der eile, dass er aus dem Spital komme! Derjenige nun, welcher alsdann zurückbleibt, wird verbrannt. Versäume du es also ja nicht, wenn ich rufe, denn der Letzte muss die Zeche bezahlen.«

So sprach Eulenspiegel zu jedem Kranken.

Am anderen Tag trat er mit dem Spitalmeister vor die Hospitaltür und rief mit lauter Stimme: »Wer gesund ist, komme heraus!«

Da krochen alle Kranken von ihren Lagern auf und kamen heraus, der eine an Krücken, der andere am Stock. Ja sie drängten sich heraus, denn keiner wollte der Letzte und Kränkeste sein.

»Siehe!«, sprach Eulenspiegel zum Spitalmeister, »da hast du deine Kranken, sie sind alle gesund, keiner ist mehr krank.«

Der Spitalmeister dankte ihm herzlich für die Hilfe und hätte ihm noch mehr Geld gegeben, wenn er es verlangt hätte. Eulenspiegel setzte sich aber auf sein Pferd und eilte, dass er aus Nürnberg kam. Bald darauf kam ein Kranker nach dem anderen wieder und klagte aufs Neue seine Krankheit.

Da sprach der Spitalmeister: »Was ist das? Ich habe den großen Wunderdoktor bei euch gebraucht und ihr sagtet alle, ihr wäret gesund, und nun seid ihr wieder krank? Das kann nicht möglich sein.«

Da erzählten die Kranken, der Wunderdoctor hätte gesagt, welcher am kränksten wäre, den wolle er verbrennen, und die anderen mit dem verbrannten Menschen kurieren. Nun hätte keiner am kränksten sein wollen, sondern jeder hätte alle seine Kraft angestrengt, um die Tür zu erreichen.

Da merkte der Spitalmeister, dass er betrogen war, denn der Wunderdoktor war weg. Die Kranken mussten wieder in das Hospital, und das Geld war unnütz ausgegeben.