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The Ghost and Mrs. Muir

The Ghost and Mrs. Muir
Ein Klassiker des phantastischen Films

Eine alleinerziehende Mutter zieht zusammen mit ihrer kleinen Tochter in ein Haus, in dem es spukt. Was klingt, wie der Plot eines aktuellen Horrorfilms, ist die grundlegende Handlung des Hollywoodklassikers The Ghost and Mrs. Muir aus dem Jahr 1947.

Regie führte Joseph L. Makiewicz, der später mit Filmen wie Die barfüßige Gräfin (1954) oder Kleopatra (1963) einen Klassiker nach dem anderen schuf. Auch wenn The Ghost and Mrs. Muir in Deutschland so gut wie unbekannt ist, so gehört dieser Film ebenfalls zu den Klassikern des Hollywoodkinos. Erst kürzlich zählte das American Film Institute The Ghost and Mrs. Muir zu den zehn wichtigsten phantastischen Filmen, die jemals gedreht wurden.

Doch um was geht es eigentlich in diesem Film? Und vor allem, was macht diesen Film so außergewöhnlich, dass jeder, der ihn sichtet, schlicht und ergreifend und ohne Wenn und Aber davon begeistert ist?

The Ghost and Mrs. Muir handelt von Lucy Muir, die kürzlich ihren Mann verloren hat. Seitdem lebt sie bei ihrer Schwiegermutter und ihrer Schwägerin. Doch möchte sie nun ein eigenes Leben beginnen und sucht sich dafür ein geeignetes Haus. Natürlich löst dies einen Skandal aus, immerhin schreibt man die Jahrhundertwende, und Frauen, die allein wohnen, haben in der Öffentlichkeit alles andere als ein gutes Ansehen.

Lucy jedoch ist dies egal. Und tatsächlich findet sie ein Haus, dessen Miete sie sich gerade noch leisten kann. Der Grund für die niedrigen Kosten liegt darin, da es in dem Gebäude spuken soll. Angeblich hat dort ein Kapitän Selbstmord begangen.

Lucy hält all dies für bloßes Gerede. Umso erstaunter ist sie dann, als sie bereits kurz nach ihrem Einzug feststellen muss, dass es hier tatsächlich umgeht. In der Tat handelt es sich um einen Kapitän, der alles Erdenkliche versucht, um Lucy und ihre Tochter aus dem Haus zu vertreiben – genauer gesagt um Captain Cregg.

Lucy aber lässt sich davon nicht beeindrucken. Dadurch ändert sich auch das Verhalten von Cregg, denn dieser ist von Lucys Selbstsicherheit und ihrer Abgebrühtheit mehr und mehr fasziniert.

Die Liebesgeschichte, die sich daraus entwickelt, zählt zu den besten dieser Art. Denn Joseph L. Makiewicz erzählt die Handlung ganz ohne Kitsch, sondern auf eine tragikomische Weise, in der Vergänglichkeit und Verlust zu zentralen Themen werden.

Drehbuchautor Philip Dunne schrieb dafür einzigartige Dialoge, die sich zwar auf den gewitzten Schlagabtausch zwischen Mrs. Muir und Captain Cregg konzentrieren, die aber zugleich die Figuren als hochkomplex darstellen. Diese Komplexität und Tiefe der Charaktere umfasst nicht weniger die Nebenfiguren, wie etwa den Schriftsteller Miles Fairley, der sich ebenfalls in Lucy verliebt.

Für einen Film aus den 40er Jahren ist diese Figurenkonstellation überaus ungewöhnlich. Und nicht weniger sind dies die teils direkten sexuellen Anspielungen, die nicht nur in den Dialogen mitschwingen, sondern im Grunde genommen die Handlung bestimmen. Denn Creggs Liebe stößt bei Lucy nach und nach auf Erwiderung, doch wie kann man mit einem Geist auch eine körperliche Liebe eingehen? Selbst Captain Cregg ist dies bewusst. Als schließlich ein wirklicher Mann in Lucys Leben tritt, stellt dies die Beziehung mit Lucy auf eine Zerreißprobe.

Dieser sinnliche Unterton hätte nicht besser dargestellt werden können als von den beiden Hauptdarstellern Rex Harrison und Gene Tierney. Harrison war für längere Zeit Makiewiczs Stammschauspieler, und seine Rollen beinhalteten sehr oft Figuren mit einer starken sexuellen Aura. Gene Tierney war eine Ikone des Film Noir, wo sie immer wieder als Femme Fatale zu sehen gewesen war, speziell in den Filmen von Robert Siodmak. Ihre erotische Ausstrahlung bringt sie auf eine zwar dezente, dennoch auf eine eindeutige Weise ins Spiel.

Beide Darsteller in einen Film auftreten zu lassen, kann als wahrer Geniestreich bewertet werden. Denn auf diese Weise erhält der Film diesen leicht schlüpfrigen Unterton, der seinen Höhepunkt in der Szene erreicht, als Lucy das Wort »Fuck« schreiben soll, nachdem sie sich bereit erklärt hat, Creggs Memoiren zu verfassen. Zunächst ist sie voll und ganz gegen diesen Ausdruck, doch schließlich gibt sie nach und tippt ostentativ die vier Buchstaben auf ihrer Schreibmaschine.

Doch ist The Ghost and Mrs. Muir nicht nur ein gewitzter Liebesfilm, sondern zugleich ernst, um nicht zu sagen tragisch. Obwohl der Film sehr schwungvoll und humorvoll ist, besitzt er dennoch eine düstere Aura, die über dem gesamten Geschehen liegt. Wie bereits oben erwähnt, geht es vor allem um die Themen Verlust und Vergänglichkeit. Für beides findet Makiewicz ein unerhört gutes Symbol in dem Holzpfahl am Strand, in den Lucys Tochter ihren Namen einritzt. Denn in der zweiten Hälfte des Films gibt es eine Szenenfolge, in der dieser Pfahl durch die Gezeiten immer schiefer wird, bis er schließlich ganz umfällt und im Schlamm liegt, wobei das Holz mehr und mehr verwittert. Verbunden ist dieses Symbol mit den einsamen Strandspaziergängen Lucys. Grandios und ganz ohne Kitsch zeigt hier der Regisseur eine Frau, die nun wirklich alles verloren hat. Es bleiben ihr nur noch die Erinnerungen an jene glückliche Zeit.

Somit wirkt der Film eher tragikomisch als wie eine reine Komödie. Denn trotz der romantischen und phantastischen Aspekte gestaltet Makiewicz die Handlung betont realistisch.

Die sozialen und finanziellen Probleme, mit denen es Lucy zu tun hat, werden geradezu schonungslos in Szene gesetzt. Makiewicz liefert somit kein Märchen ab, sondern eine funktionierende Mischung aus realen und Fantasyelementen, die auf diese Weise erst wieder in den 80er Jahren im Kino erscheinen sollten. Somit erscheint der Film durchaus feministisch, in dem er eben jene Probleme aufzählt, vor denen alleinerziehende Mütter in einer kapitalistischen Gesellschaft stehen.

Auch hier ist The Ghost and Mrs. Muir um Jahre voraus. Denn das Thema alleinerziehende Mütter sollte erst wieder Ende der 90er Jahre durch den japanischen Film Ring in das Phantastikgenre zurückkehren und zugleich eine regelrechte Welle ähnlicher Filme lostreten.

Obwohl The Ghost and Mrs. Muir ein enormer Erfolg war und alles auf eine überaus sorgfältige Produktion hinweist, erhielt der Film keinen Oscar, sondern wurde lediglich dafür in der Kategorie »Beste Kamera« nominiert. In Deutschland kam der Film nie in die Kinos, was vielleicht an den zu direkten sexuellen Anspielungen liegen könnte. Immerhin war Makiewiczs Meisterwerk in den USA deswegen nur für ein älteres Publikum frei gegeben worden. Erst das ZDF strahlte den Film 1988 unter dem idiotischen Titel Ein Gespenst auf Freiersfüßen aus, noch dazu mit einer völlig dämlichen Synchro – ZDF eben.

The Ghost and Mrs. Muir ist einer der Filme, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Man könnte sogar soweit gehen, ihn als perfekten Film zu bezeichnen. Auf jeden Fall sollte man ihn mal gesehen haben.

(mp)