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Felsenherz der Trapper – Teil 15.6

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 15
Der Medizinmann Omakati
Sechstes Kapitel

Edward Botterley

Die Apachen waren immer noch derart bestürzt, standen noch immer so stark unter dem Eindruck der Erscheinung des zweiten Grizzlys, dass sie in stummen Kreis die drei leeren Tannen umgaben.

Einige hatten brennende Äste mitgebracht, deren flackerndes Licht diese Versammlung der stummen, finsteren Krieger noch düsterer und seltsamer machte.

Dann schritt jener alte, grauhaarige Apache, der nun den Oberbefehl führte, auf eine der Tannen zu und untersuchte sie.

Nicht einmal die Riemen, mit denen die Gefangenen gefesselt gewesen, waren vorhanden.

Der alte Krieger richtete sich wieder auf, rief in einem Ton, der deutlich sein Misstrauen gegen Omakati verriet: »Matara, der Schlaue Fuchs, sah vierzigmal, seit er mit zu den Kriegern der Apachen gehört, die Büffel im Herbst nach Süden ziehen. Und doch sind Mataras Augen noch scharf wie die des Adlers, und sein Geist ist klar und lebendig wie der des Jüngsten der Apachen! Matara zählte 30 Jahre, als unsere Krieger von einem Zug gegen die Ansiedlungen der Blassgesichter im Osten einen Knaben mitbrachten. Der Knabe wurde als einer der Unseren erzogen, wurde ein Apache, und sein Kriegsname lautete Omakati! Als unser Medizinmann gestorben war, wurde Omakati sein Nachfolger. Aber – er hielt sich meist fern von uns, lebte einsam im Gebirge, war bald hier, bald dort. Dennoch achteten und fürchteten die Apachen ihn. Er war ein großer Zauberer. Bald vergaßen die Apachen, dass Omakati einst ein Blassgesicht gewesen war, obwohl er stets verlangte, wir sollten das Kriegsbeil begraben und wie die elenden Yuma Felder bepflanzen und Vieh züchten. (Die Yuma sind ein halbwilder Indianerstamm in Nordmexiko, der Ackerbau und Viehzucht treibt). Wenn unsere Krieger ein Blassgesicht gefangen genommen hatten und es an den Marterpfahl stellten, hat Omakati stets mit Manitus Rache gedroht, der nicht wünsche, dass seine roten und weißen Kinder sich gegenseitig bekämpfen. Omakati hielt sich immer fern, wenn ein Kriegszug gegen die Farmer im Osten unternommen wurde. All dieses, Krieger der Apachen, ist schon oft im Rat der Alten besprochen worden. Unser berühmtester Häuptling, der Große Bär, hat Omakati insgeheim oft einen Verräter genannt! Laut wagte er ihn nicht zu beschuldigen, denn des Medizinmannes Macht geht über Leben und Tod! Krieger der Apachen, zwei eurer Häuptlinge sind heute abermals durch die Kugeln der Blassgesichter gefallen! Wie hätte Manitu uns da wohl die drei Gefangenen entführt, wo wir so viele Tote zu beklagen haben! Der Große Geist hätte es nie getan; der Große Geist liebt seine roten Kinder! Krieger der Apachen, hier in der Rinde der Tannen habe ich dort, wo die Riemen der Gefangenen sich befanden, die Schnitte eines Messers entdeckt! Die Riemen sind also zerschnitten worden. Wenn Manitu die Gefangenen befreit hätte, würde er dies ohne jeden Messerschnitt fertiggebracht haben! Ich, Matara, der Schlaue Fuchs, behaupte, dass Omakati uns soeben betrogen hat! Er hat uns nur von diesen drei Tannen weglocken wollen. Er ließ die anderen Feuer auslöschen; er wollte vielleicht Felsenherz, der uns entkommen ist, nur Gelegenheit geben, die drei zu befreien.«

Der alte Krieger machte eine kurze Pause.

Ringsum erhob sich leises Beifallsgemurmel. Auch bei den anderen Apachen war jetzt das Misstrauen rege geworden.

Alles blickte zu der nördlichen Talwand hin, wo das Riesenfeuer noch immer brannte.

Dort lag Omakati vor dem Feuer regungslos ausgestreckt, glich von Weitem wieder völlig einem Grizzly, der sich auf den Bauch niedergetan hat und schläft.

»Krieger der Apachen«, fuhr Matara fort, »eilt zu dem Zelt des Schnellen Büffels und nach den Ausgängen des Tales! Seht, ob die Waffen, die wir auf der Insel erbeuteten, verschwunden und die Wächter etwa getötet worden sind!«

Eine Menge der jüngsten Krieger stürmte davon.

Sehr bald erschollen dann ihre gellenden Rufe, sehr bald kehrten einige zurück und meldeten, dass die Waffen nicht mehr vor dem Zelt lägen und dass die beiden Wächter am Nordausgang gefesselt und geknebelt seien.

Nun ertönte ein so wildes Geheul, dass Mataras Stimme in dem allgemeinen Lärm fast unterging.

»An den Marterpfahl mit dem Verräter Omakati!«, brüllte alles in furchtbarer Wut durcheinander.

Der ganze Haufen der Krieger wälzte sich der Stelle zu, wo der Medizinmann unbeweglich am Boden ruhte.

Mordgierige Fäuste krallten sich in dem Grizzlyfell fest.

Dann ein neues Geheul – noch ärger als vorhin, – ein Geheul der Enttäuschung, ohnmächtiger Rachgier.

Denn – das Bärenfell enthielt nichts als eine Menge grüner Zweige, die ihm die Gestalt eines ruhenden Grizzly verliehen hatten.

Omakati selbst war verschwunden!

»Ihnen nach!«, rief Matara befehlend. »Krieger der Apachen, wir werden die Flüchtlinge fangen! Fünfzig reiten sofort flussabwärts bis zu den nächsten Stromschnellen, fünfzig andere sollen …«

Matara, der Schlaue Fuchs schwieg plötzlich.

Sein Blick war zufällig zu der Stelle emporgeglitten, wo vorhin der zweite Grizzly sich gezeigt hatte.

Dort stand jetzt ein Mann in Trappertracht mit langem, dunklem Bart.

Es war Omakatis Stimme, die nun hinunterrief: »Apachen! Ich bin Omakati, bin aber auch Edward Botterley, bin der Bruder des Mannes, der als Erster am Marterpfahl sterben sollte. Heute in aller Frühe belauschte ich den Trapper Abraham und meinen Bruder, hörte so den Namen Botterley, merkte, dass ich wirklich meinen Bruder James vor mir hatte. James sprach zu Abraham Worte, die diesem rätselhaft blieben. Ich aber begriff, was sie bedeuteten: James hatte längst bitter bereut, mich damals den Apachen als Knabe überlassen zu haben. Er war jetzt hier an den Pecos gekommen, um mich zu suchen. Da erwachte die Sehnsucht nach meinen Eltern in mir, da beschloss ich, mit James für immer in die Ansiedlungen zurückzukehren. Doch – schon mussten Abraham und mein Bruder vor euch auf die Insel flüchten, und so kam es denn, dass ich Mittel und Wege ersann, James und seine Gefährten zu retten. Alles Weitere wisst ihr! So, wie ihr mich jetzt hier seht, lebte ich nebenbei noch als Trapper …«

Er nahm den falschen Bart ab und enthüllte so das tief gebräunte Antlitz des allen Apachen wohlbekannten Medizinmannes, fügte dann schnell hinzu: »Wir haben eure Mustangs aus dem anderen Tal fortgeschafft! Ihr könnt uns nicht verfolgen. Ihr findet sie weiter südlich. Sucht nur danach. Lebt wohl, Apachen! Viele Jahre war ich einer der euren. Ich wollte euren wilden Sinn umwandeln, wollte stets unnötiges Blutvergießen verhindern. Ihr hörtet nicht auf mich! Der rote Mann wird einst an seinen eigenen Fehlern zugrunde gehen!«

Dann trat er rasch in die Büsche zurück.

Zwanzig – dreißig Kugeln pfiffen hinter ihm her.

Und ein Wutgeheul folgte ihm, dass das Echo in den Uferbergen davon lebendig wurde und das Gebrüll der überlisteten Apachen vielfach verstärkt zurückwarf.

Am Morgen befanden die Flüchtlinge sich bereits in der Llano Estacado. Voran ritten die beiden wieder versöhnten Brüder. Dann kamen nebeneinander Felsenherz, der dicke Abraham und der Comanchenhäuptling. Dieser führte noch einen Mustang am Zügel, auf dem die Leiche Tom Bracks, des Mulatten, festgebunden war, die Chokariga aus dem Lager ebenfalls mitgenommen hatte.

Tom wurde dann in der Llano in einer Felsschlucht, wie es einem Delawarenkrieger gebührte, bestattet.

Fünf Tage drauf nahmen die Brüder Botterley von den drei Westmännern Abschied und ritten den nahen Ansiedlungen zu.

Abraham, Felsenherz und der Schwarze Panther aber kehrten um und wollten sich zu den Dörfern der Comanchen am Canadian River begeben, um dort von den letzten Strapazen eine Weile auszuruhen.