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Die Skalpjäger – Ein Dinner aus zwei Schüsseln

Thomas Mayne Reid
Die Skalpjäger

Zweiter Teil
Dreizehntes Kapitel

Ein Dinner aus zwei Schüsseln

El Sol stand, wie gesagt, über dem am Boden liegenden Indianer. Sein Gesicht verriet ein Gemisch von zwei Gefühlen – Hass und Triumph.

Seine Schwester galoppierte in diesem Augenblick heran, sprang von ihrem Pferd und kam schnell auf uns zu.

»Sieh«, sagte er, auf den Navajohäuptling deutend, »sieh den Mörder unserer Mutter!«

Das Mädchen stieß einen kurzen scharfen Ruf aus, zog ein Messer und stürzte damit auf den Gefangenen zu.

»Nein Luna!«, rief El Sol, indem er sie beiseiteschob. »Nein, wir sind keine Mörder – dies ist keine Rache, er soll noch nicht sterben. Wir wollen ihn lebend den Squaws von Maricopa zeigen. Sie sollen den Mamouchic über diesen großen Häuptling, diesen ohne Wunde gefangenen Krieger tanzen.«

El Sol stieß diese Worte mit einem verächtlichen Ton aus. Die Wirkung, welche sie auf den Navajo machte, zeigte sich sogleich.

»Hund von einem Coco!«, schrie er mit einem unwillkürlichen Versuch, sich freizumachen, »Hund von einem Coco, der du mit den bleichen Räubern im Bund bist! Hund!«

»Ha, erinnerst du dich meiner, Dacoma? Es ist gut.«

»Hund!«, unterbrach ihn der Navajo von Neuem, und die Worte zischten durch seine Zähne, während seine Augen mit dem Ausdruck wütender Bosheit blitzten.

»Hihihi!«, rief Rube, der in diesem Augenblick herangaloppierte. »Hihihi! Der Indianer ist scharf wie ein Metzgerbeil. Zum Teufel mit ihm! Wärmt seine Glieder mit der Pferdepeitsche! Er hat meine alte Stute warm gemacht. Der Teufel soll ihm Sirup geben!«

»Lassen Sie uns nach Ihrer Wunde sehen, Mr. Haller«, sagte Seguin, der jetzt von seinem Pferd gestiegen war, indem er sich mir mit, wie es mir erschien, besorgtem Wesen näherte.

»Wie, ist sie … durch das Fleisch? Sie sind sicher genug … wenn der Pfeil … nicht vergiftet ist! Ich fürchte … El Sol … kommen Sie schnell herbei, mein Freund! Sagt mir, ob diese Spitze vergiftet gewesen war.«

»Erst wollen wir sie herausziehen«, erwiderte der Maricopa, welcher sich mir jetzt näherte. »Wir versäumen damit keine Zeit.«

Der Pfeil war durch meinen Vorderarm gedrungen. Die Spitze hatte das Fleisch durchbohrt, und auf der entgegengesetzten Seite war etwa noch die Hälfte des Schaftes sichtbar.

El Sol nahm das gefiederte Ende in seine beiden Hände und knickte es ab. Hierauf erfasste er die Spitze und zog den Pfeil sanft aus der Wunde.

»Lassen Sie es bluten«, sagte er, »bis ich die Spitze untersucht habe. Er sieht nicht aus wie ein Kriegerpfeil, aber die Navajo bedienen sich eines sehr feinen Giftes. Zum Glück besitze ich sowohl die Mittel, es zu entdecken, als auch das Gegengift.«

Bei diesen Worten nahm er einen Büschel roher Baumwolle aus seiner Jagdtasche. Hiermit rieb er leicht das Blut von der Pfeilspitze ab, darauf zog er ein kleines Fläschchen heraus, goss einige Tropfen einer Flüssigkeit auf das Metall und beobachtete dieselbe.

Ich wartete mit nicht geringer Besorgnis auf das Resultat. Auch Seguin schien ängstlich zu sein, und da ich wusste, dass er oft von der Wirkung eines vergifteten Pfeiles Zeuge gewesen sein müsse, fühlte ich mich nicht eben behaglich, als ich ihm die Prüfung mit so großer Ängstlichkeit beobachten sah. Ich wusste, dass da, wo er sie fürchtete, Gefahr sein müsse.

»Mr. Haller«, sagte El Sol endlich, »Sie haben diesmal Glück gehabt. Ich glaube, dass ich es Glück nennen kann, denn Ihr Gegner hat sicherlich in seinem Köcher andere Dinge gehabt, die nicht ganz so unschädlich sind wie dieser.«

»Lassen Sie sehen«, fügte er hinzu. Er trat zu dem Navajo und zog einen anderen Pfeil aus dem noch auf den Rücken des Indianers geschlungenen Köcher.

Nachdem er die Klinge einer gleichen Probe unterworfen hatte, rief er: »Sagte ich es nicht, sehen Sie her! Es ist grün, wie Pisang – er hat zwei abgeschossen. Wo ist der andere? Kameraden, helft mir ihn suchen. Ein solcher Verräter darf nicht hier zurückbleiben.«

Mehrere von den Leuten sprangen von ihren Pferden und suchten nach dem zuerst abgeschossenen Pfeil. Ich deutete die Richtung und wahrscheinliche Entfernung, so gut ich konnte, an. Nach wenigen Augenblicken wurde er aufgehoben.

El Sol nahm ihn und goss einige Tropfen seiner Flüssigkeit darauf. Sie wurde ebenso grün wie die andere.

»Sie können Ihren Heiligen danken, Mr. Haller«, sagte der Coco, »dass dieser es nicht war, welcher jenes Loch in Ihren Arm gemacht hatte, sonst würde alle Geschicklichkeit Doktor Richters, im Verein mit der meinen nötig gewesen sein, um Sie zu retten. Aber was ist dies? Noch eine Wunde? Ha, er hat Sie mit seiner Lanze berührt. Lassen Sie mich die Wunde ansehen.«

»Ich glaube, dass es nur ein Ritz ist.«

»Dies Klima ist ein seltsames, Mr. Haller, ich habe solche Ritze zu tödlichen Wunden werden sehen, wenn sie nicht gehörig beachtet wurden. Luna, etwas Baumwolle! Ich werde Ihre Wunde so zu verbinden versuchen, dass Sie die Folgen nicht zu fürchten brauchen. Sie verdienen dies von mir, denn wenn Sie nicht gewesen wären, so würde er mir entronnen sein.«

»Wären Sie nicht gewesen, Sir, so würde er mich getötet haben!«

»Nun«, entgegnete der Coco lächelnd, »es ist möglich, dass Sie nicht so gut davongekommen sein würden. Ihre Waffe hat Ihnen versagt. Man kann kaum erwarten, eine Lanzenspitze mit einem Büchsenschaft zu parieren, obgleich es sehr hübsch getan wurde. Es wundert mich nicht, dass Sie bei dem zweiten Rennen abdrückten. Ich gedachte es selbst zu tun, wenn das Lasso mich wieder verlassen hätte. Wir haben aber beide Glück gehabt. Sie müssen diesen Arm für ein paar Tage in der Binde tragen. Luna, deine Schärpe!«

»Nein«, sagte ich, als das Mädchen eine schöne Schärpe, die sie um den Leib trug, ablösen wollte. »Das soll sie nicht. Ich werde etwas anderes finden.«

»Hier, Mr. Haller, wenn das genügt«, fiel der junge Trapper Garey ein. »Ich gebe es gern!«

»Sie sind sehr gütig! Ich danke Ihnen!«, erwiderte ich, obwohl ich wusste, weshalb das Tuch gegeben wurde. »Seid so freundlich, dies zur Vergütung anzunehmen.« Ich bot ihm einen von meinen kleinen Revolvern an – eine Waffe, zu dieser Zeit und an diesem Ort ihr Gewicht an Perlen wert.

Der Gebirgsjäger wusste dies und nahm das angebotene Geschenk mit Dank aus meinen Händen. So sehr er es aber auch schätzen mochte, sah ich doch, dass er noch zufriedener über ein einfaches Lächeln war, welches ihm von anderer Seite her zuteilwurde. Ich fühlte die Überzeugung, dass die Schärpe auf alle Fälle bald ihren Eigentümer wechseln würde.

Ich beobachtete das Gesicht El Sols, um zu sehen, ob er diese kleine Nebenszene bemerkt hatte oder billige. Ich konnte einen ungewöhnlichen Ausdruck darauf sehen. Er war mit meinen Wunden beschäftigt, die er auf eine Weise verband, welche einem Mitglied des Wundarzneikollegiums Ehre gemacht haben würde.

»Nun«, sagte er, als er fertig war, »jetzt werden Sie in ein paar Tagen wieder in den Kampf gehen können. Sie haben einen schlechten Zügelarm, Mr. Haller, aber das beste Pferd, welches ich je gesehen habe. Es wundert mich nicht, dass Sie sich weigern, es zu verkaufen.«

Der größte Teil des Gesprächs war in englischer Sprache geführt worden, die der Cocohäuptling mit einem Akzent und einer Betonung redete, welche meinem Ohr so gut erschien, als ich sie nur je gehört hatte.

Auch im Französischen konnte er sich ausdrücken wie ein Pariser und unterhielt sich mit Seguin gewöhnlich in dieser Sprache. All dies setzte mich in Verwunderung.

Die Leute waren wieder aufgestiegen, um zum Lager zurückzukehren. Wir waren jetzt von nagendem Hunger gequält, und wir begannen zurückzureiten, um das so unzeremoniös unterbrochene Mahl von Neuem zu beginnen.

In geringer Entfernung vom Lager stiegen wir ab, pflockten unsere Pferde auf dem Gras an und gingen umher, um die Steaks und Rippen zu suchen, welche wir vor Kurzem noch in Fülle gesehen hatten.

Ein neuer Schmerz erwartete uns. Es war kein Bissen Fleisch mehr vorhanden, die Kojoten hatten unsere Abwesenheit benutzt, und wir konnten um uns her nichts weiter sehen als abgenagte Knochen. Die Rippen und Schenkelknochen der Büffel waren poliert, als ob sie mit einem Messer abgekratzt wären. Selbst der hässliche Leichnam des Gräberindianers war zu einem weißen Skelett geworden.

»Pah!«, rief einer von den Jägern. »Jetzt Wolf oder nichts – auf sie!« Der Mann legte seine Büchse an die Wange.

»Halt!«, rief Seguin, der es gesehen hatte. »Seid Ihr toll?«

»Ich glaube nicht, Cap’tain!«, antwortete der Jäger, indem er mürrisch seine Büchse absetzte. »Wir werden wohl essen müssen. Ich sehe um uns her nichts als diese. Wie sollen wir sie erlangen, ohne zu schießen?«

Seguin antwortete nur dadurch, dass er auf den Bogen deutete, welchen El Sol in Bereitschaft setzte.

»Oho«, meinte der Jäger, »Ihr habt recht, Cap’tain! Ich bitte um Verzeihung; ich hatte das Knochenstück vergessen!«

Der Coco nahm einen Pfeil aus dem Köcher und untersuchte die Spitze mit seiner Flüssigkeit. Es war ein Jagdpfeil, er legte ihn auf die Sehne und sendete ihn durch den Körper eines weißen Wolfes, welcher augenblicklich tot zusammenstürzte. Hierauf nahm er den Pfeil von Neuem, wischte die Feder ab und fuhr fort zu schießen, bis die Leichen von fünf bis sechs Tieren auf dem Boden ausgestreckt lagen.

»Tötet einen Kojoten, da Ihr doch einmal dabei seid!«, rief einer von den Jägern. »Männer wie wir müssen wenigstens zwei Schüsseln zu ihrem Dinner haben.«

Die Leute lachten über diesen Scherz, und El Sol hob lächelnd den Pfeil noch einmal auf, und ließ ihn durch den Leib eines Kojoten schwirren.

»Ich glaube, dass dies wenigstens für eine Mahlzeit genug sein wird«, sagte El Sol, indem er den Pfeil wieder aufhob und in den Köcher zurücksteckte.

»Ja«, antwortete der Witzbold, »wenn wir mehr brauchen, so können wir wieder in die Speisekammer gehen. Es ist eine Art von Fleisch, die jedenfalls frisch am besten schmeckt.«

»Nun, so ist es, Old Nag! Pah, ich will ein Stück von dem Weißen nehmen. Vorwärts!«

Die Jäger lachten über den Humor ihres Kameraden, zogen ihre Messer und begannen die Wölfe abzuhäuten. Die Geschicklichkeit, womit diese Operation verrichtet wurde, bewies, dass sie ihnen keineswegs neu war.

Nach Kurzem waren die Tiere zerlegt, und ein jeder nahm sein Viertel und begann es über dem Feuer zu rösten.

»Nun, das Wolfsfleisch ist ein ganz gutes Essen. Es schält sich ungemein zart ab.«

»Es schmeckt beinahe wie Ziege – nicht wahr?«

»Meines kommt mir eher wie Hundefleisch vor.«

»Es ist gar nicht schlecht. Jedenfalls ist es besser als mageres Stierfleisch.«

»Es würde mir weit besser schmecken, wenn ich sicher wüsste, dass dieses Vieh nicht an jenem zottigen Ungeziefer auf dem Felsen gewesen wäre!« Und der Mann deutete zum Skelett des Gräbers.

Die Idee war entsetzlich und würde unter anderen Umständen wie ein Brechmittel gewirkt haben.

»Pah!«, rief ein Jäger, »Ihr habt mir beinahe den Magen verdorben. Ich wollte den Kojoten versuchen, bevor er sprach. Jetzt tue ich es nicht mehr, denn ich habe sie an ihm herumschnüffeln sehen, ehe wir wegritten.«

»Nicht wahr, alter Bursche, Ihr macht Euch nichts daraus?«

Dies wurde zu Rube gesagt, welcher mit seiner Rippe beschäftigt war und keine Antwort gab.

»Er – er kümmert sich nicht darum!«, antwortete ein anderer an seiner Stelle. »Rube hat in seiner Zeit eine Menge von merkwürdigen Leckerbissen verzehrt, nicht wahr, Rube?«

»Ja, und wenn Ihr so lange in den Bergen seid wie dieses Kind, so werdet Ihr froh sein, wenn Ihr eure Zähne an schlechteren Bissen wetzen könnt, als Wolfsfleisch – seht zu, ob Ihr es nicht tut.«

»Menschenfleisch wohl?«

»Ja – das ist es, was Rube meint.«

»Jungens«, sagte Rube, ohne auf die Bemerkung zu achten, und dem Anschein nach jetzt, wo er seinen Appetit befriedigte, in guter Laune. »Was ist außer Mannsfleisch das Schlechteste, was je einer von Euch gekaut hat?«

»Wahrscheinlich Weiberfleisch.«

»Du dickköpfiger Narr, du brauchst jetzt nicht so vorlaut zu sein und deinen Witz zu zeigen, wenn es nicht verlangt wird.«

»Nun, mit Ausnahme von Mannsfleisch, wie er sagt«, antwortete einer von den Jägern auf Rubes Frage – »so ist eine Moschusratte das Schlechteste, woran ich noch meine Zähne gesetzt habe.«

»Ich habe rohen Salbeihasen gekaut«, sagte ein Zweiter, »und ich verlange nichts Bittereres zu essen.«

»Eule ist auch nichts besonders Gutes«, fügte ein Dritter hinzu.

»Ich habe Stinktier gegessen«, fuhr ein Vierter fort, »aber es ist mir in meiner Zeit angenehmeres Fleisch oft vorgekommen.«

»Carajo!«, erwiderte ein Mexikaner; »was sagt Ihr zu Affenfleisch? Ich habe im Süden oftmals mein Mittagessen davon gehalten.«

»Nun, ich denke mir, dass Affenfleisch zäh zum Kauen sein wird. Aber ich habe meine Zähne an gedörrter Büffelhaut gewetzt, und sie war nicht so weich, wie ich wohl hätte wünschen mögen.«

»Dieses Kind«, sagte Rube, nachdem die Übrigen ihre Erfahrungen ausgesprochen hatten, »hat mit Ausnahme des Affenfleisches, alle die Kreaturen, welche bis jetzt genannt worden sind, verzehrt. Affenfleisch kenne ich nicht, da es in dieser Gegend keine gibt. Es mag zäh sein, oder nicht – es mag bitter sein, oder nicht – ich weiß nichts darüber; aber einmal hatte dieser ein Ungeziefer gekaut, welches nicht viel lieblicher gewesen sein kann.«

»Was war es, Rube?«, fragten mehrere zugleich, denn alle waren neugierig, was der alte Trapper Unschmackhafteres als die bereits genannten Speisen gegessen haben konnte.

»Nun, es war Aasgeier – das war es!«

»Aasgeier!«, wiederholten alle.

»Pah! Das war eine stinkende Pille, das lässt sich nicht leugnen. Das übertrifft meine Kost.«

»Und wann habt Ihr den Aasgeier verzehrt, alter Junge?«, fragte einer von den Jägern, welcher vermutete, dass mit diesem Ereignis im Leben des ohrenlosen Trappers eine Geschichte verbunden sein könne.

»Ja, sagt uns das, Rube, erzählt uns das! Erzählt uns das!«, riefen viele.

»Nun«, begann Rube nach kurzem Schweigen, »es war vor etwa sechs Jahren. Die Rapaho hatten mich am Arkansas, wenigstens zweihundert Meilen unterhalb des großen Waldes, auf die Füße gebracht. Die verdammten Stinktiere nahmen mir das Pferd. Die Biberfalle und alles. Hihihi!«, fuhr er kichernd fort. »Hihihi! Sie hätten am besten getan, den alten Rube ungeschoren zu lassen.«

»Das glaube ich auch«, bemerkte ein Jäger. »Sie werden schwerlich viel bei der Spekulation verdient haben – nun, wie war es mit dem Aasgeier?«

»Seht, ich war rein ausgefloht und befand mich mit nicht mehr als einer Hose gute zweihundert Meilen von Menschen. Bents Fort war das nächste, und ich folgte in dieser Richtung dem Fluss.

Ich hatte die Tiere jeder Art nie so scheu gesehen. Sie würden es nicht gewesen sein, wenn ich meine Falle gehabt hätte, aber es gab keine Kreatur, vom Gründling im Wasser bis zum Büffel auf der Prärie, die nicht ausgesehen hätte, als ob es wisse, wie es mit diesem Mistvieh stand. Ich konnte zwei Tage lang nichts als Eidechsen bekommen, und kaum die.«

»Eidechsen sind ein ärmlicher Fraß«, bemerkte einer.

»Das könnt Ihr wohl sagen. Diese Keule hier ist dagegen fettes Kuhfleisch – das ist sie!«

Rube unternahm bei diesen Worten einen neuen Angriff auf das Wolfsfleisch.

»Ich kaute die alten Hosen, bis ich so nackt wie der Chimleyfelsen war.«

»Zum Geier, war es Winter?«

»Nein, es war Kalbzeit, und was das betrifft, warm genug. Ich machte mir in der Beziehung nichts aus dem Verlieren des Leders, aber ich hätte mehr davon essen können.

»Am dritten Tag stieß ich auf eine Stadt von Sandratten. Das Haar dieses Nagers war damals länger, als es jetzt ist. Ich machte Fallen davon und fing einige von den Ratten, aber sie wurden ebenfalls scheu – zum Teufel mit ihnen! Ich musste die Spekulation aufgeben. Es war der dritte Tag von der Zeit, wo ich meinen Plunder verloren hatte, und ich wurde verwünscht schwach. Ich begann zu denken, dass die Zeit gekommen sei, wo dieses Kind untergehen müsse.

Es war kurz nach Sonnenaufgang, und ich saß auf dem Ufer, als ich plötzlich etwas Sonderbares den Fluss herab schwimmen sah. Als es näher kam, sah ich, dass es das Aas eines Büffelkalbs war, und ein paar Aasgeier auf dem Ding saßen und ihm die Augen auspickten. Es war weit drüben und das Wasser tief, aber ich entschloss mich, es an Land zu holen. Ihr könnt Euch denken, dass mir das Ausziehen nicht viel Zeit kostete.«

Hier unterbrachen die Jäger Rubes Geschichte mit einem Lachen.

»Ich ging ins Wasser und schwamm hinaus. Ich konnte das Ding riechen, ehe ich noch halbwegs da war. Als ich mich ihm näherte, flogen die Vögel auf. Ich war bald dicht dabei und sah auf den ersten Blick, dass das Kalb ganz verfault war.«

»Wie schade!«, rief einer von den Jägern.

»Ich wollte nicht umsonst geschwommen sein, nahm den Schwanz also zwischen meine Zähne und schwamm zum Ufer zurück. Ich hatte noch nicht dreimal ausgestrichen, als der Schwanz herauskam.

»Jetzt schwamm ich hinter das Aas und schob es vor mir her, bis ich es hoch auf eine Sandbank gebracht hatte. Es sah aus, als wolle es in Stücke fallen, als ich es aus dem Wasser zog. Es war ganz und gar nicht essbar.«

Hier nahm Rube von Neuem den Mund voll Wolfsfleisch und verstummte, bis er es gekaut hatte. Die Leute hatten Interesse an der Geschichte zu fassen begonnen und warteten mit Ungeduld.

Endlich fuhr er fort: »Ich sah die Aasgeier immer noch umherfliegen und frische herankommen. Es fiel mir ein, dass ich meine Klauen an einen von ihnen legen könne. Ich warf mich daher dicht neben dem Kalb nieder und spielte Opossum.

Es dauerte nicht lange, bis die Vögel sich auf die Sandbank niederzulassen begannen, und ein großer Geier an das Aas heranhüpfte. Ehe er wieder forthüpfen konnte, hatte ich ihn an den Beinen.«

»Hurra, gut gemacht! Bei Golly!«

»Das verwünschte Ding stank ebenso arg wie das andere, aber es hieß: Stirb Hund – Aasgeier oder Kalb – und ich zog den Geier also ab.«

»Aßt Ihr es roh, Rube?«, fragte einer aus dem Kreis.

»Wie konnte er es anders essen? Er hatte keinen Funken Feuer und nichts, um eines anzuzünden.«

»Du verdammter Narr!«, rief Rube, indem er sich wütend nach dem, welcher zuletzt gesprochen hatte, umwandte. »Ich könnte Feuer anmachen, wenn auch nicht näher als in der Hölle, ein Funke zu finden wäre.«

Ein wildes Gelächter folgte diesen entsetzlichen Worten, und es dauerte einige Minuten, ehe der Trapper sich hinlänglich beruhigt hatte, um seine Erzählung fortzusetzen.

»Die übrigen Vögel«, fuhr er endlich fort, »wurden scheu, als sie den alten Geier aufgerieben sahen, und hielten sich auf der anderen Seite des Wassers. Es nutzte nichts, den Spaß noch einmal zu versuchen. Jetzt aber sah ich einen Kojoten das Ufer herabkommen, und einen zweiten dicht hinter ihm, und noch zwei bis drei auf derselben Fährte.

Ich wusste, dass es kein Spaß sein würde, einen von ihnen am Bein zu nehmen, aber ich entschloss mich, es zu versuchen, und legte mich, gerade wie vorher, dicht neben dem Kalb nieder. Es ging nicht, die schlauen Dinger sahen, wie der Stock schwamm, und hielten sich von dem Aas fern. Ich wollte mich unter einem Busch verstecken und begann es auszuführen, als mir plötzlich eine neue Idee in den Kopf kam. Ich sah, dass auf dem Ufer Treibholz genug lag, holte es also herbei, und baute eine Falle um das Kalb. Im nächsten Augenblick hatte ich sechs Stück von dem Ungeziefer darin.«

»Hurra! Jetzt wart Ihr gerettet, Old Nag!«

»Ich nahm ein paar Steine und kletterte dann auf die Falle und tötete die ganze Sippschaft. Gott! Burschen, Ihr habt nie ein solches Schnappen und Knurren, Springen und Kläffen gehört und gesehen, wie ich damals, als ich die Steine auf sie hinabpfefferte! Hihihi! Hohoho!«

Und der geräucherte alte Sünder kicherte vor Freude über die Erinnerung an sein Abenteuer.

»Dann werdet Ihr wohl Bents Fort sicher genug erreicht haben?«

»Ich häutete die Kreaturen mit einem scharfen Stein ab und machte mir eine Art von Hemd und Hose. Ich hatte keine Lust, nackt hereinzukommen und den Leuten im Fort zur Zielscheibe zu dienen. Ich packte genug von dem Wolfsfleisch auf meine Schultern, um Mundvorrat bis dorthin zu haben, und kam in weniger als einer Woche hin.

Bill war selbst da, und Ihr alle kennt Bill Bent – er kennt mich! Ich war keine halbe Stunde im Fort, als ich auch nagelneu in frischen Kleidern steckte und eine neue Büchse hatte, und diese Büchse war der Bauchreißer, welcher jetzt vor Euch ist.«

»Ha, Ihr habt also dort den Bauchreißer bekommen?«

»Ja, dort habe ich ihn bekommen – und er ist eine Büchse – hihihi – hohoho! Nicht lange, nachdem ich sie bekommen hatte, versuchte ich sie – hihihi! – Hohoho!«

Und der alte Bursche begann von Neuem zu kichern.

»Worüber lacht Ihr, Rube?«, fragte einer von seinen Kameraden.

»Hihihi! Worüber ich lache? – Hihihi – hohoho! – Das war doch das Schönste an dem Witz – hihihi! – Hohoho! Worüber ich lache.«

»Ja, sagt es uns, Mann!«

»Nun, ich lache darüber«, antwortete Rube, der wieder etwas ruhig wurde, »ich war keine drei Tage bei Bent, als, – wer denkt Ihr, in das Fort kam …?«

»Wer – vielleicht die Rapaho?«

»Dieselben Indianer, dieselben Rothäute, die mich auf die Füße gebracht hatten. Sie kamen in das Fort, um mit Bill zu handeln, und ich sah dort sowohl meine alte Stute als auch meine Büchse.«

»Ihr habt sie also zurückbekommen?«

»Das war zu denken. Es waren einige Gebirgsmänner zu jener Zeit dort, und sie hatten keine Lust, dieses Kind umsonst auf die Prärie gehen zu sehen. Dort ist die Kreatur!«

Und Rube deutete auf die alte Stute.

»Die Büchse gab ich Bill und behielt dagegen den Bauchreißer, da sie ein besseres Gewehr war.«

»Ihr habt Euch also mit den Rapaho ausgeglichen?«

»Das hängt davon ab, was Ihr ausgleichen nennen würdet. Seht Ihr diese Kurven hier – die besonders stehenden?«

Und der Trapper deutete auf eine Reihe von kleinen Kurven im Schaft seiner Büchse.

»Ja, ja!«, riefen mehrere.

»Es sind ihrer fünf, nicht wahr?«

»Eins, – zwei – drei – ja, fünf!«

»Das sind Rapaho!«

Rubes Geschichte war zu Ende.