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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Kommandant des Tower 42

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Drittes Buch
Der Lordgroßadmiral von England
Fünfzehntes Kapitel

Wie der König des Admirals Brief kopiert

Nach dem, was in dem vorigen Kapitel erzählt worden ist, wird man es begreiflich finden, dass bei dem jungen König von Liebe zu seinem älteren Oheim keine Rede mehr war. Edwards größtes Verlangen ging nun dahin, sich von des Lordprotektors Vormundschaft freizumachen, und das hoffte er mithilfe des Admirals zu erreichen.

Am Ende war beschlossen worden, einen Beschwerdebrief ans Parlament zu richten. Fowler, der die Unterhandlungen darüber mit dem Admiral gepflogen hatte, wartete, bis sich der König in sein Kabinett zurückzog, und übergab ihm dann das Schreiben. Er bemerkte dabei, dasselbe käme vom Admiral, und wenn Seine Majestät es billige, so möge er geruhen, es abzuschreiben und zu unterzeichnen.

»Lasst mich sehen, Fowler«, antwortete Edward, indem er das Papier entfaltete und seinen Inhalt überflog. »Es ist gut abgefasst«, fügte er hinzu, »und ich denke, man kann mir mein Gesuch nicht abschlagen.«

»Ich hoffe, nicht,« erwiderte Fowler. »Wenn der Admiral Euer Vormund wird, ist alles gut. Wie anders ist er, als Euer ältester Oheim! Der eine ist die Leutseligkeit und Herablassung selbst, großmütig, edel und gut. Der andere finster, streng, habsüchtig und karg.«

»Nein, Fowler, du musst den Lordprotektor nicht schmähen.«

»Ich schmähe ihn nicht, gnädiger Herr«, erwiderte Fowler. »Ich spreche nur die Wahrheit. Aber ich kann es nicht ertragen, dass Eure Majestät so behandelt wird. Von dem Lordadmiral würdet Ihr nicht so beschränkt werden, dass Ihr nur zu bestimmten Zeiten ausgehen dürftet, dass Ihr aller angenehmen Geselligkeit beraubt wäret und nur zum Lernen, Lernen und abermals Lernen angehalten würdet, bis Euch der Kopf wüst wird.«

»Nein, es ist nicht ganz so schlimm, wie du es machst, guter Fowler«, entgegnete Edward, »aber in der Tat, ich fange an, das Leben, welches ich führe, etwas langweilig zu finden. Es ist mir unerklärlich, warum mir der Lordprotektor immer so entgegen tritt. Es scheint ihm Vergnügen zu machen, meine Wünsche zu durchkreuzen. Habe ich irgendeine Bitte, so bin ich sicher, dass er sie mir abschlägt. Will ich das eine, so soll ich das andere. Will ich hierhin, so will er, ich soll dorthin. Er verweigert mir Geld, weil er sagt, ich verschleudere es. Jeden Tag muss sich mir irgendeine Einschränkung gefallen lassen, bis mir endlich, wenn das so weiter geht, nicht die geringste Freiheit mehr übrig bleibt.«

»Das ist ganz gewiss«, bemerkte Fowler.

»Um wie viel Uhr soll ich den Admiral morgen Abend sehen, Fowler?«

»Um neun Uhr, Eure Majestät. Sobald Euer Kaplan und die Lehrer fort sind, wird er zu Euch geführt werden. Es würde gut sein, den Brief vorher abzuschreiben.«

»Ich will ihn sofort abschreiben«, entgegnete der König. »Bleib unterdessen hier.«

Damit setzte sich Edward vor ein Pult, auf dem Schreibmaterialien lagen. Er hatte kaum mit dem Schreiben begonnen, als Xit hastig eintrat und meldete, dass der Lordprotektor käme.

»Wenn er den Brief sieht, so ist es um mich geschehen!«, rief Edward. »Wo soll ich ihn verbergen?«

»Gebt ihn mir, Sire«, sprach Fowler, nahm rasch das Papier und steckte es in sein Wams. Kaum war das geschehen, als der Herzog von Somerset ohne Meldung eintrat. Er machte nur eine flüchtige Verbeugung und blickte seinen königlichen Neffen streng und fragend an.

»Eure Majestät scheint verwirrt«, sprach er.

»Das mag wohl sein, wenn Eure Hoheit so ohne alles Zeremoniell eintritt.«

»Ich wollte nicht, dass die Diener mich anmelden sollten, weil bei einem flüchtigen Besuch wie dieser, die Förmlichkeit unnötig ist. Ich habe Eurer Majestät nur wenige Worte zu sagen.«

»Bitte, so sagt sie«, entgegnete Edward.

»Was ich zu sagen habe, betrifft den Admiral. Es ist mir zu Ohren gekommen, dass er sehr beleidigt sei, weil ich ihm verwehre, sich Eurer Majestät zu nähern.«

»Eure Hoheit kann sich kaum darüber wundern. Ich hoffe, Ihr seid gekommen, mir zu sagen, dadd das Verbot zurückgenommen sei.«

»Im Gegenteil, ich bedaure, dass noch strengere Maßregeln nötig sind. Es dürfen keine Briefe mehr von Eurer Majestät an den Admiral geschrieben oder deren von ihm an Euch abgegeben werden. Hört Ihr wohl?«, fügte er, zu Fowler gewendet, hinzu.

»Jawohl«, erwiderte der Kammerdiener, sich verbeugend.

»So seht zu, dass meinen Befehlen pünktlich Gehorsam geleistet werde!«, rief Somerset drohend.

»Warum diese neue Strenge?«, fragte Edward. »Was hat mein Onkel getan, was ich, um das zu verdienen?«

»Es sind Dinge vorgekommen, durch die der Admiral das Conseil beleidigt hat, und bis er das wieder gut macht, werde ich mit aller Strenge gegen ihn verfahren. Für den Augenblick, wie gesagt, muss ich alle Korrespondenz zwischen ihm und Eurer Majestät verbieten.«

»Ich wollte, Eure Hoheit bewiesen mehr brüderliche Liebe gegen meinen Oheim«, bemerkte Edward.

»Ich beweise ihm mehr Liebe, als er verdient«, erwiderte Somerset. »Ich verabschiede mich jetzt von Eurer Majestät.«

Und er verließ das Gemach.

»Bei meines Vaters Haupt! Ich will nicht so behandelt werden!«, rief Edward, indem er vor Wut auf den Boden stampfte. »Er meint, ich sei ein Kind, aber er soll gewahr werden, dass ich den Sinn eines Mannes habe. Ich will diese Behandlung nicht länger dulden!«

»Ich freue mich, Eure Majestät so reden zu hören«, sprach Fowler. »Tretet ihm fo fest entgegen, und er muss nachgeben.«

»Mir ins Gesicht zu sagen, ich dürfe nicht an meinen Oheim schreiben!«, rief Edward, hastig auf- und abgehend. »Aber ich will schreiben – ich will ihn sehen. Und ich will meine Base Jane sehen. Ich bin halb und halb gesonnen, heute nach Chelsea zu reiten.«

»Tut nichts übereilt, ich beschwöre Euch, oder Ihr möchtet es bereuen«, sagte Fowler. »Ihr habt Grund zu zürnen, das gebe ich zu, aber wenn Ihr den Befehlen des Lordprotektors direkt zuwiderhandelt, so rechtfertigt Ihr damit anscheinend sein Verfahren. Wartet, bis Ihr morgen den Lordadmiral gesehen habt, und tut, was er Euch rät.«

»Du hast recht, Fowler. Ich muss klug zu Werke gehen, oder ich verderbe meine Sache und bringe mich gegen den Lordprotektor in Nachteil. Ich will nichts tun, bis ich den Admiral gesehen habe. Aber gib mir das Papier, dass ich die Abschrift vollende.

Darauf setzte er sich wieder ans Pult und brachte den Brief ohne weitere Unterbrechung zu Ende.