Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Paraforce Band 51

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Jacob von Molay, der letzte Templer 14

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Zweiter Teil
Herr und Knecht
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Erstes Kapitel

Mit genauer Not hatte der zweiundzwanzigste Großmeister der Tempelherren, der Vorgänger des Jakob von Molay, Thibaud Gaudin, bei dem gänzlichen Verlust des Gelobten Landes, die Reliquien und einen Teil des Schatzes nach Zypern gerettet. Al-Malik al-Aschraf Salah ad-Din Chalil, Sultan von Ägypten, war es, der dem unerforschlichen Willen des Himmels zum Werkzeug diente. Die letzte Stadt, welche die Christen im Orient innehatten, das feste Akkon belagerte er im Jahre 1291 ganze sechs Wochen, eroberte, zerstörte und verwüstete es. Dreißigtausend Christen hauchten unter den Schwertern der Sarazenen ihr Leben aus. Akkon hatte sich wacker verteidigt. Seine besten Mannen waren die Tempelherren unter ihrem Großmeister Guillaume de Beaujeu, welcher jedoch sogleich zu Beginn des Sturmes auf das St.-Antons-Tor den Tod empfing. Nur zehn Tempelherren entrannen dem Tod, indem sie mit den Reliquien und einem Teil des Schatzes zu Schiff flüchteten.

In Europa war man über den schrecklichen Ausgang dieses Kreuzzuges sehr betreten. Es wurde hin und her erwogen, aber es kam nichts Erhebliches zustande. Nur Bonifaz VIII. empfahl im Jahr 1298 den Großmeister Jakob von Molay und den Orden selbst dem König Johann von Zypern mit allem Nachdruck, dessen ein Papst sich bedienen durfte. Jakob von Molay ordnete zu Nemosia in Zypern alles mit der weisesten Umsicht, sodass er nach langem Feiern endlich mit dem Beherrscher von Tyrus, Almarich, ein Bündnis schloss, in Syrien einfiel und Tortosa eroberte. Doch lange konnte er diese Eroberung nicht behaupten. Der Sultan von Kairo vertrieb ihn, doch brachte der Großmeister große Schätze von diesem Kriegszug zurück.

Um bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit wohlgerüstet den Feind wieder anfallen zu können, verhielt sich der Großmeister in Nemosia ruhig, setzte vorsichtig Stadt und Hafen in den besten Verteidigungsstand, rüstete die Seemacht des Ordens aus und waltete überhaupt, als ob er im Mutterhaus des Ordens, in Jerusalem säße. Nemosia war jetzt der Hauptsitz der Tempelherren. Von hier reichte des Großmeisters Befehl bis in den höchsten Norden Europas, welch Wunder daher, dass hier sich die Schätze aus allen Landen häuften? Aus den Provinzen des Ordens im Norden kamen zwar ungünstige Berichte, doch konnte der Großmeister nicht augenblicklich die Verlegenheiten derselben beseitigen, da er, ein wackerer Streiter für das Kreuz, bald genug den Sultan wieder anfiel und an jedem Tag neue Lorbeeren erntete.

Auch als Staatsmann musste Jakob von Molay nicht minderen Wert haben denn als Heerführer. Elf Provinzen beherrschte der Großmeister: Jerusalem mit dreizehn großen Besitzungen, Chateau Pellerin, Burg Saphet, das Tempelhaus zu Akra, die Bergfestung Dock zwischen Jericho und Bethel, Faba unweit Tyrus, einige kleinere Bergfestungen bei Akra, fünf an der Zahl, das Haus zu Gaza, die Burg beim Jakobspass jenseits des Jordans, das Haus zu Jaffa, die Burg Assur, Gerinum parvum und endlich die Burg Beaufort – von dieser Provinz besaß freilich der Orden nichts mehr, jedoch musste insofern auf sie Rücksicht genommen werden, da stets nach deren Wiederhabhaftwerden gestrebt wurde -, die Provinz Tripolis mit ber wichtigen Festung Castel Benno und den Häusern zu Tripolis, Tortosa, Laodicea, Sidon, Tyrus und Berytus. Auch zwei Festungen in der Nähe von Sidon gehörten zu dieser Provinz, welche ebenfalls dem Orden jetzt verloren gegangen waren; die Provinz Antiochien, in welcher der Orden so viel Güter hatte, dass sie zwanzigtausend Byzantinen wert waren. Auch diese Provinz ging mit den beiden Ersteren verloren und Zypern, obwohl die Tempelherren dort ihr Mutterhaus aufbauten, hatte man noch nicht mit dem Namen Provinz belegt. Sie besaßen in Zypern Nemosia, Nikosia, Gastira und die unüberwindliche Burg Colossa.

Im Abendland waren die Provinzen Portugal mit vier Besitzungen, Kastilien und Leon, von denen Kastilien allein vierundzwanzig Balleien zählte. Von diesen vierundzwanzig Balleien waren eben so viele kleinere Häuser abhängig.

Die Provinz Aragonien bestand hauptsächlich aus Festungen, und zu ihr gehörte noch die große Tempelkommende von Mallorca in der Hauptstadt Palma.

Die Provinz Frankreich und Anvergne, mit Inbegriff von Flandern und den Niederlanden; die größte, mächtigste und reichste Provinz.

Die Provinzen Normandie, Poitou und Provence. Die Hauptsitze dieser letzten vier Provinzen waren: für Frankreich der Tempel in Paris, für die Normandie la Ville Dien en la Montagne, für Poitou oder Aquitanien das Tempelhaus zu Poitiers und für die Provence das Tempelhaus zu Montpellier. Die Provinz England, welche allein zehn Balleien zählte und in welcher alle Tempelherren in England, Schottland und Irland unter einen Großpräzeptor von England standen. Wie bedeutend diese einzige Provinz gewesen sein müsse, erhellt aus dem Umstand, dass diese zehn Balleien siebenzehn Präzepturen zählten.

Die Provinz Deutschland mit ihren acht Großprioreien.

Die Provinz Ober- und Mittelitalien, welche so bedeutend war, dass ein Provinzialmeister, namens Montecuccho, über alle Besitzungen und Häuser des Ordens in der Lombardei, Toskana, dem Patrimonio Petri, Rom, Spoleto, der Mark Ancona, Kampanien und Sardinien gebot.

Die Provinz Apulien und Sizilien.

Wie ungeheuer der Wert des Tempelherrenbesitzes war, erhellt schon aus dem Umstand, dass jede Kommende mehrere Häuser und Ländereien unter sich hatte. Wenn auch nicht alle Priorate so reichhaltig waren wie das Priorat St. Gilles in der Provence, welches allein vierundfünfzig Kommenden enthielt, so ist doch ein Schluss, dass der Orden trotz irgendeines gebietenden Herrn Besitztum hatte, mit Recht zu ziehen. Die Anzahl der Kommenden im Abendland beläuft sich auf neuntausend! Überdies hatte der Orden in jeder Provinz Kirchen, Kapellen, Zehnten, Bauernhöfe, Dörfer, Meiereien, Mühlen, Holzungen, Grasungen, Fischereien, Wildbahn, wie auch das Recht, Jahrmärkte an mehreren Orten zu halten.

Konnte sich wohl ein Kaiser selbst mit all seinen Ländern, seinen Schätzen, dem Großmeister eines solchen Ordens gleich stellen? Und Jakob von Molay war zu dieser höchsten Würde, zu dieser Macht, diesem Reichtum gelangt. Sein Geist musste durch alle christlichen Staaten walten. Nicht allein musste er der vorzüglichste Krieger sein, sondern auch der tüchtigste Staatsmann. Auf alle Welthändel übte er einen großen Einfluss aus, und wie wohl überlegt er stets handeln musste, das brachte schon der Umstand mit sich, dass er ohne Beistimmung seines Konvents nichts Großes unternehmen durfte. Nur der Pabst war über ihm, und dennoch musste er seinen Mitbrüdern, die ihn zur höchsten Würde berufen hatten, Gehorsam schwören. Es ist leicht, ein unumschränkter Gebieter zu sein; aber schwer ist es, die Herrenwürde unter den Verhältnissen eines Ordensmeisters der Tempelherren zu behaupten.

Das Regiment in einer so weit verbreiteten, gliederreichen Körperschaft zu handhaben, machte auch andere Männer von hohen Würden notwendig. Die Ordnung musste alles bestehen machen und so waren denn auch Stellvertreter des Meisters. War sein Platz durch den Tod erledigt, so vertrat der Großprior seine Stelle, bis die Wahl eines neuen Meisters stattgefunden hatte. Dann aber hörte selbst der Name eines Großpriors auf. War der Meister nicht zugegen, so vertrat der Seneschall seine Stelle. Dieser musste daher um alle Angelegenheiten des Ordens wissen. Das Heer selbst führte der Marschall an, wenn es zur Schlacht ging. Das Ordenspanier hatte er, Rüstungen und Ställe standen unter seiner Aufsicht. Er ernannte einen Untermarschall und einen Pannerer. Bei einem so kriegerischen Orden war der Marschall einer der hochwichtigsten Männer. Wenn der Meister im Königreich Jerusalem verstarb, so vertrat er bis zur Wahl eines Großpriors seine Stelle.

Durch des Schatzmeisters Hände gingen alle Einnahmen und Ausgaben des Ordens. Er musste stets bereit sein, dem Meister und den ältesten Brüdern Rechenschaft zu geben. Mit ihm stand der Drapier der Kleiderkammer vor. Dieser sorgte für die Kleidung der Ritter und Brüder, für ihre Rüstungen und war im Krieg dem Marschall Gehorsam schuldig. Der Turkopolier war Befehlshaber und Anführer der leichten Reiterei. Der Turkopolier war jedoch einem Ritterkomtur, sobald dieser zehn Ritter bei sich hatte, untergeordnet. Zu den höheren Ordensoberen gehörten auch noch der Komtur der Stadt Jerusalem, dessen Hauptgeschäft darin bestand, mit zehn Rittern die zum Jordan wallfahrtenden Pilger zu beschützen, und dann die Generalvisitatoren, welche das Generalkapitel in alle Provinzen aussandte, um Dinge zu ordnen, welche sonst nur der Meister ordnen konnte.

Alle Provinzen, Balleien, Priorate, Kommenden und Häuser waren nach dieser Ordnung im verjüngten Maßstab verwaltet und jede Vernachlässigung sowohl der Amtspflicht als auch des Gehorsams wurde gesetzlich bestraft. Vorsätzliches Übertreten der Gesetze oder des Gehorsams zog die strengsten Strafen nach sich, welche sich von einer leichten Pönitenz bis zur Ausstoßung aus dem Orden, ja sogar ewiges Gefängnis erstreckte.