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Der Marone – Ein Doppelmord

der-marone-drittes-buchThomas Mayne Reid
Der Marone – Drittes Buch
Kapitel 29

Ein Doppelmord

Keiner von den dreien war eigentlich sehr erschrocken. Nach und nach hatten sich ihre früheren Ahnungen und Vermutungen bereits zur Gewissheit gesteigert.

Quaco stieß ein paar Ausrufungen aus, die bei ihm ziemlich gewöhnlich waren. Cubina ärgerte sich und zürnte sich selbst, trotz aller Anstrengungen zu spät gekommen zu sein, und Herbert war ernstlich über den Tod seines Onkels betrübt, obwohl vielleicht nicht ganz in dem Maß, als ob dieser ihn zuvor wirklich als seinen Verwandten in liebevoller Weise behandelt hätte.

Natürlich dachten sie gleich zuerst daran, die Ursachen des Todes des Custos aufzuspüren. Mit dem festen Glauben, dass er von den beiden Spaniern ermordet worden sei, begannen sie, den toten Körper genau zu untersuchen.

Aber wie höchst sonderbar und geheimnisvoll! Fast ein Dutzend mit einem scharfen Instrument ausgeführter Stiche und dennoch kein Blut! Wunden in der Brust, im Unterleibe, selbst durch das Herz und dennoch nirgends, nirgends geronnenes Blut oder eine abgesonderte Feuchtigkeit!

»Wer hat ihm diese Stiche gegeben? Ihr habt es getan, Ihr spanischen Schufte!«, schrie Herbert und wandte sich zornig zu Jessurons Abgesandten.

»Carambo! Warum sollten wir so etwas tun, Herr?«, fragte Andres unschuldig. »Der Alkade war schon tot, bevor wir kamen.«

»Leeres Geschwätz!«, rief Quaco. »Seht diese Klingen!«, fuhr er fort und hob die beiden Macheten auf, »sie sind jetzt noch feucht! Es ist nicht gerade Blut, das ist wahr, aber immerhin – seht!« Dabei hielt er den Leuchtkäfer nahe an die Wunden und brachte auch eine der Macheten ans Licht, »die passen zu den Wunden wie der Pfropfen zur Flasche! Ihr seid es gewesen, niemand anders als Ihr! Gesteht es ein, verfluchte Halunken, Ihr habt’s getan!«

»Bei der Heiligen Jungfrau, Señor Quaco!«, erwiderte Andres, »Ihr tut uns unrecht. Ich schwöre es, wir töteten den Alkalden, Custos meine ich, nicht! Wir waren ebenso verwundert wie Ihr, als wir hierher kamen und ihn hier tot liegend fanden, ganz wie er jetzt daliegt.«

In dieser Erklärung des Elenden lag ein Anschein von Aufrichtigkeit, der an seine Schuld kaum glauben ließ, das heißt, dass er und sein Kumpane wirklich nicht die eigentlichen Mörder gewesen waren, obwohl ihre Absicht, den Custos zu ermorden, Cubina mindestens ganz klar und unbezweifelt erschien.

»Carambo! Warum durchstacht Ihr ihn denn?«, sagte er zu den beiden Gefangenen. »Ihr könnt doch nicht leugnen, dass Ihr das getan habt?

»Señor Captain!«, antwortete der verschlagene Andres, der in allen misslichen Fragen der Vorredner zu sein schien. »Das wollen wir auch gar nicht leugnen. Es ist wirklich wahr, ich muss es mit Scham gestehen, dass wir unsere Degenklingen ein oder zwei Mal durch den Körper stießen.«

»Mindestens zwölfmal, du Halunke!«, verbesserte Quaco.

»Wohl, Señor Quaco«, fuhr der Spanier fort, »darüber will ich nicht streiten. Es mag immerhin ein Stich mehr oder weniger gewesen sein, denn die ganze Sache war eine Grille, ein wunderlicher Einfall meines Kameraden Manuel hier, eine kleine Wette zwischen uns beiden.«

»Eine Wette? Worüber?«, fragte Herbert.

»Nun sehen Sie, Herr, wir reisten zusammen, wie ich schon gesagt habe, nach Savanna. Wir sahen das Pferd dort an der kleinen Hütte angebunden, und deshalb gingen wir hinein, um zu sehen, wer drin ist. Carambo! Was sahen wir? Den Körper eines toten Mannes auf der Bambusbettstelle ausgestreckt! Santissima! Señores, wir waren ebenso erstaunt, wie Ihr es gewesen seid.«

»Schrecklich erstaunt, nicht wahr?«, fragte Cubina beißend.

»Ja wahrhaftig, über alle Maßen, ich kann’s versichern, Señor.«

»Fahr fort, du Schelm!«, befahl Herbert. »Lass uns hören, was du zu erzählen hast.«

»Nun wohl!«, nahm der Negerjäger seine Erzählung wieder auf. »Nach einiger Zeit überwanden wir unser Erstaunen und da sagte Manuel zu mir: ›Andres!‹

›Was gibt’s?‹, fragte ich.

›Glaubst du«, sagte er, ›dass aus einem toten Körper Blut fließt?‹

›Nein, gewiss nicht‹, sagte ich, ›nicht ein Tropfen!‹

›Ich wette fünf Pesos mit dir, es fließt‹, forderte mich mein Kamerad heraus. ›Angenommen‹, sagte ich. Und dann, um die Wette auszumachen, stießen wir, ich muss es bekennen, unsere Macheten durch den Leib des Custos, denn wir konnten ihm nun ja keinen Schaden mehr zufügen.«

»Ungeheuer!«, rief Herbert mit Abscheu aus. »Es war gerade so grässlich, als wenn Ihr ihn ermordet hättet! Was für eine fürchterliche Erzählung! Ha, ihr Elenden, wenn das auch wirklich alles wahr wäre, so wird es Euren Hals doch nicht vom Strick retten!«

»O, Señor«, flehte Andres, »wir haben ja gar nichts getan, um das zu verdienen. Ich versichere Euch, es tut uns beiden leid, was wir getan haben. Tut es dir nicht leid, Manuel?«

»Carrai! Sehr leid«, antwortete Manuel.

»Wir bereuten es auch schon gleich nachher«, fuhr Andres fort, »und um das einigermaßen wieder gut zu machen, was wir getan haben, nahmen wir den Mantel und breiteten ihn anständig über den Körper aus, damit der arme Alkalde in Frieden ruhen könne.«

»Lügner!«, schrie Quaco und brachte das Licht des Käfers nahe an den Toten. »Das habt Ihr nicht getan, Ihr habt durch den Mantel gestoßen, seht hier!« Dabei wies er auf die Löcher im Tuch, um das Falsche in des Spaniers Aussage sofort zu beweisen.

»Carrai-ai-o!«, stammelte der verwirrte und seiner Lügen überführte Andres. »Jawohl, es sind wirklich einige Löcher im Mantel. O, ich erinnere mich nun, wir bedeckten ihn gleich zuerst. Erst nachher machten wir die Wette. War es nicht so Manuel?«

Manuels Antwort wurde nicht mehr gehört, denn in demselben Augenblick wurden die Hufschläge von Pferden vor der Hütte vernommen und dicht vor der Tür konnten die dunklen Gestalten von zwei Reitern unterschieden werden.

Es war der schwarze Diener des Custos, der von Content in Begleitung des Gutsaufsehers zurückkehrte. Gleich nach ihnen erschien eine Anzahl Schwarzer zu Fuß, die eine Tragbahre trugen, in der Absicht, den kranken Mann nach Content zu bringen.

Die inzwischen eingetretenen Umstände machten nun eine andere Einrichtung nötig.