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Der Brenner und der liebe Gott

Wolf Haas
Der Brenner und der liebe Gott

»Dem Leser quasi mit dem Oasch ins G’sicht fahr’n, ganz ohne Umschweife«

Der ehemalige Polizist und Detektiv Simon Brenner ist nun Chauffeur eines kleinen Mädchens namens Helena geworden, das er zwischen seinem Vater, dem Baulöwen Kressdorf, der in Kitzbühel lebt, und der Mutter, der Besitzerin einer Abtreibungsklinik in Wien, hin und her kutschiert. Beide Eltern haben viele Feinde, der Vater wegen seiner Geschäfte, und die Mutter, Medizinerin, unter Leuten, die – oft religiös motiviert – ihre Abtreibungsklinik belagern.

Eines Tages lässt Simon Brenner seinen kleinen Fahrgast an einer Tankstelle allein im Wagen zurück, und die Zweijährige wird entführt.

Der Chauffeur wird beinahe verrückt und weiß zunächst nicht, wo er suchen soll, denn viele Feinde beider Eltern könnten hinter der Entführung stecken. Endlich ermittelt auch die Polizei beziehungsweise Brenners Ex-Kollege Peinhaupt, und Brenner selbst wird zuerst verhört und zwar stundenlang.

Dabei erfährt er, dass Knoll verdächtigt wird, der Anführer der Abtreibungsgegner, die die Klinik der Mutter des Entführungsopfers belagern. Er hat nämlich im Streit einmal zu ihr gesagt, sie solle auf ihr eigenes Kind aufpassen, nicht dass Gott dieses auch einmal zum Verschwinden bringe, wie all die Kinder, die sie abtreibe.

Merkwürdig an dieser Entführung erscheint den Ermittlern, zu denen nach seiner Entlassung aus den Fängen der Polizei natürlich auch der Ex-Polizist und heutige Chauffeur Brenner gehört, dass die Entführer sich nicht melden und keine Forderung an Kressdorf oder seine Frau stellen.

Peinhaupt denkt in diesem Fall, Knoll habe bei seinem Streit mit der Mutter Helenas die Entführung absichtlich vorher angekündigt und quasi damals auch schon die entsprechende Forderung gestellt, nämlich die, die Abtreibungsklinik zu schließen.

Brenner ist eher der Ansicht, dass die Abtreibungsgegner keine Entführer sind, sondern harmlose Spinner, die ja gerade nicht gegen sondern für Kinder eintreten. Also glaubt er nicht ernsthaft an Peinhaupts Vermutung, Knoll und seine Leute seien die Täter, was sich später auch als Fehleinschätzung herausstellt. Allerdings hat die Polizei bis dahin auch noch keine andere Spur und klammert sich deshalb an jeden Strohhalm.

Dann trifft Brenner an der Tankstelle, zu der er zurückgekehrt ist, auf eine attraktive Südtirolerin. Er fragt sie, ob sie etwas bemerkt habe. Er hat nämlich auf einem Überwachungsvideo gesehen, dass sie zum Zeitpunkt der Entführung auch am Ort war und an seinem Wagen vorbei ging. Sie antwortet, er solle sich nichts denken, dem Mädchen gehe es gut, und es werde schon wieder auftauchen, das spüre sie. Brenner interessiert die Frau, und er bekommt später noch einmal mit ihr zu tun.

Schließlich trifft er, zurück in der Stadt, auf Knoll, doch dieser kann ihm glaubhaft versichern, dass er Helena nicht entführt hat. So steht der Ex-Polizist nun wieder am Anfang seiner Ermittlungen, und eine turbulente Geschichte nimmt ihren Lauf, an deren Ende sieben Tote zu verzeichnen sind …

Bei diesem Kriminalroman kann man – wie wohl bei allen Geschichten von Wolf Haas, die sich um Simon Brenner ranken – getrost davon ausgehen, dass nicht eine spannende Kriminalstory um einen möglichst coolen Ermittler und blutige Verbrechen im Vordergrund steht, sondern dass der Autor hier dem Leser eine wunderbar komische Geschichte bietet, getragen von großer Sprachkunst und feinster Satire.

Allein die Sprache, die der Erzähler hier verwendet, ist künstlerisch einzigartig und trotz ihrer vermeintlichen Unvollkommenheit ausgesprochen deutlich und treffend, und die Witze, die dieser pointiert erzählt und von denen sich einer an den Nächsten reiht, bergen feinsten Humor und großen Unterhaltungswert.

Herrlich verschrobene Gedankenwelten machen den Herrn Simon und die weiteren Charaktere aus und lassen den Leser immer wieder schmunzeln. Ganz einfach zu lesen ist diese Geschichte von Wolf Haas allerdings nicht, und man sollte schon einigermaßen konzentriert dabei zu Werke gehen, aber man wird immer wieder durch feine Späße dafür belohnt.

Wenn ich geschrieben habe, dass die Kriminalgeschichte hier nicht im Vordergrund steht, so darf man allerdings nicht denken, dass es sich hier um eine bloße Satire handelt. Natürlich wird auch eine verwickelte Mord- und Entführungsgeschichte erzählt, und man möchte als Leser natürlich auch wissen, wie Wolf Haas diese am Ende auflöst. Diese Auflösung zögert der Autor – wie seine Kollegen – bis zum Ende der Story hinaus, um dem Leser dann noch einen ungewöhnlichen Schluss zu präsentieren.

Fazit:
Der Autor verpackt in Der Brenner und der liebe Gott eine recht verwickelte Kriminalgeschichte in eine witzige, satirische, pointierte Schale, die so ungewöhnlich ist, dass mir nichts Vergleichbares einfällt. Wolf Haas ist meines Erachtens ein Humorist der Extraklasse und kann in einem Atemzug mit bekannten Satirikern genannt werden. Seine Story ist weit mehr als ein Krimi und sei dem Leser empfohlen, der gern oft herzhaft lacht.

Der Autor

Wolf – eigentlich Wolfgang – Haas wurde 1960 als Sohn eines Kellnerehepaares in Österreich geboren, genauer gesagt, in Maria Alm am Steinernen Meer, Land Salzburg.

Nach dem Besuch eines katholischen Privatgymnasiums in Salzburg studierte er an der Uni Salzburg Psychologie, dann auch Germanistik und Linguistik. Er erwarb den Doktortitel und arbeitete zunächst als Universitätslektor in Südwales, bevor er zurück nach Österreich ging. Dort war er als Texter für Werbeagenturen beschäftigt, bis er freier Schriftsteller wurde.

Der Autor lebt in Wien und gewann mit seinen Kriminalromanen drei Mal den Deutschen Krimipreis, bekam aber auch noch viele weitere Auszeichnungen. Seine Bücher, vor allem die Brenner-Krimis, wurden zu Bestsellern, in mehrere Sprachen übersetzt und für das Kino verfilmt.

Quellen:

  • Wolf Haas, Der Brenner und der liebe Gott, dtv-Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München, 6. Auflage, 2015.
  • de.wikipedia.org
  • www.krimi-couch.de
  • www.dtv.de

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der dtv-Verlagsgesellschaft.
  • Foto des Autors. Copyright privat. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der dtv-Verlagsgesellschaft.

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