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Aëlita – Teil 12

Alexej-Tolstoi-AelitaAlexej Tolstoi
Aëlita
Ein utopischer Roman

Losj blickt auf die Erde

Der Schatten des Luftschiffes war verschwunden. Losj kletterte auf die feuchte Hülle des Apparats, steckte seine Pfeife an und sah hinauf zu den Sternen. Eine leichte Kälte ließ seinen Körper erschauern. Innen, im Apparat, hantierte und murmelte Gussew. Er betrachtete und verstaute die gefundenen Dinge. Dann steckte er den Kopf zur Luke hinaus.

»Was Sie auch sagen, Mstislaw Sergejewitsch, aber das ist alles Gold, und was die Steinchen anbelangt – die sind gar nicht zu schätzen. Da wird sich mein Dummchen aber freuen.« Sein Kopf verschwand, und bald verstummte er ganz. Ein glücklicher Mensch war Gussew.

Aber Losj konnte nicht schlafen. Er saß da, blinzelte zu den Sternen hinauf, sog an seiner Pfeife. Weiß der Teufel, was das war! Wie kamen die goldenen Masken auf den Mars, mit diesem charakteristischen dritten Libellenauge? Und die Mosaike? Die im Meer ertrinkenden, zwischen Sternen fliegenden Riesen? Und das Zeichen der Parabel: die rubinrote Kugel – die Erde, und die ziegelrote – der Mars? Das Zeichen des Herrschens über zwei Welten? Unfassbar. Und das singende Buch? Und die merkwürdige Stadt, die sie im Spiegel gesehen hatten? Und weshalb, weshalb nur war dieses ganze Gebiet verlassen, verwahrlost?

Losj klopfte die Pfeife am Absatz aus. Wenn doch der Tag schneller anbräche! Der marsianische Flieger würde sicher im bevölkerten Zentrum Meldung erstattet haben. Vielleicht suchte man sie jetzt schon, und das unter den Sternen vorbeifliegende Luftschiff war ausgeschickt, um sie zu holen.

Losj überschaute den Himmel. Das Licht des rötlichen Sterns – der Erde – verblasste. Er näherte sich dem Zenit – ein kleiner, von ihm ausgehender Strahl traf ihn mitten ins Herz.

In einer schlaflosen Nacht hatte Losj ebenso wie jetzt, am Tor des Schuppens stehend, mit kalter Trauer zum aufgehenden Mars emporgeblickt. Das war in der vorgestrigen Nacht gewesen. Nicht mehr als vierundzwanzig Stunden trennten ihn von jener Stunde, von der Erde.

Erde, grüne Erde, bald hinter Wolken, bald im durchbrechenden Licht, üppige, wasserreiche, die du so verschwenderisch-grausam bist zu deinen Kindern, und trotz allem geliebte Heimat …

Eisige Kälte presste ihm das Hirn zusammen. Diese rötliche kleine Kugel da oben war wie ein heißes Herz … Ein Mensch, eine Eintagsfliege, die für einen Augenblick zum Leben erwacht, er, Losj, er allein hatte sich kraft seines wahnwitzigen Willens von der Heimat losgerissen, und nun saß er wie ein verzagter Satan einsam in dieser Einöde. Da war sie, ja, da war sie, die Einsamkeit. Hast du das gewollt? Bist du dir selber entflohen? …

Losj verzog die Schultern vor Kälte, steckte die Pfeife in die Tasche. Er kletterte in den Apparat und streckte sich neben dem schnarchenden Gussew aus. Dieser schlichte Mann hat die Heimat nicht verraten. Er ist hierher geflogen, in den Weltenraum bis in den neunten Himmel, und ist der Gleiche, hier wie dort, bei sich zu Hause … Ruhig schläft er, sein Gewissen ist rein.

In der Wärme schlummerte Losj vor Müdigkeit ein. Im Schlaf überkam ihn Tröstung. Er träumte vom Ufer eines Erdenflusses, von Birken, die im Winde rauschten, von Wolken, Sonnenfunken auf dem Wasser, und von der anderen Seite winkt ihm jemand in hellen leuchtenden Gewändern zu, ruft ihn, lockt ihn. Losj und Gussew wurden von dem lauten Geräusch surrender Luftschrauben geweckt.