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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Teufel auf Reisen 62

Der-Teufel-auf-Reisen-Dritter-BandCarl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Dritter Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Dreizehntes Kapitel – Teil 4
Schluss

Schon früh am anderen Morgen war Helferich im Restaurant.

»Eine nahe Verwandte von mir befand sich gestern wegen eines unzeitigen Scherzes, den ich verübte, in der peinlichen Verlegenheit, ihr Armband hier zurückzulassen.«

»Mein Gott, Sie, Herr Helferich?«, rief der Oberkellner, sich tief verbeugend. »Wer konnte aber auch ahnen …«

»Schon gut. Zeigen Sie mir doch einmal das hinterlegte Pfand.«

»Hier ist es.«

»Richtig, ich erkenne es. Nun, wie gesagt, sehen Sie die Sache als einen Fastnachtsscherz an. Die Dame wird noch heute die kleine Rechnung berichtigen.«

»Hat ja gar nichts zu bedeuten. Wie gesagt, wenn wir eine Ahnung hinsichtlich der Persönlichkeit der Herrschaften gehabt hätten …«

»Nun, was geschieht nicht manchmal im Übermut. Leben Sie wohl, ich wünsche nicht, dass Sie meiner gegen irgendjemand Erwähnung tun.« »Können sich darauf verlassen!« Der Oberkellner gab dem Davoneilenden durch eine tiefe Verbeugung das Geleit.

»Sie war es«, murmelte Helferich, »es besteht nun weiter kein Zweifel darüber. Ich überreichte ihr das Armband an ihrem letzten Geburtstag als Angebinde.«

Etwa zwei Stunden später erschien Gabriele.

»Eine Freundin von mir hat gestern etwas bei Ihnen liegen lassen.«

»Ach ja, ein Armband. Ich bedauere sehr, gnädige Frau, hätte es der Dame nur beliebt, sich bloß durch ein paar Worte näher zu erkennen zu geben …«

»Das wollte sie nun aber nicht. Hier ist das Geld. Apropos, war inzwischen vielleicht schon ein Herr hier?«

»Allerdings. Es ist mir zwar verboten worden, davon zu sprechen, aber Ihnen darf ich es wohl sagen. Herrn Helferich scheint der Scherz sehr zu amüsieren. Er lachte laut, als er sich das Armband von mir zeigen ließ.«

Beide Eheleute wussten nun, wie sie miteinander dran waren.

»Es mag ihm eine Warnung für die Zukunft sein«, dachte Gabriele, »inzwischen habe ich mich auch übereilt und somit will ich die Sache nicht weiter berühren, wenn er nicht selbst davon anfängt.«

»Eifersucht ist immer ein Zeichen von Liebe, und schuldig muss ich mich jedenfalls am meisten bekennen«, meinte Helferich. »Zudem wurde sie durch die Lehre, welche ich ihr gab, hinlänglich für ihre Unüberlegtheit bestraft. Ich werde also tun, als ob ich sie nicht erkannt hätte, vorausgesetzt nämlich, dass sie mich nicht zum Sprechen zwingt.«

Als die beiden Gatten später beim Mittagstisch wieder zusammentrafen, fragte unser Bekannter seine junge Frau so unbefangen wie möglich: »Wie geht es dir, mein Schatz, hast du gut geschlafen?«

»Sehr gut. Und du? Du bist wohl ziemlich spät nach Hause gekommen?«

»Allerdings. Man kann sich oft beim besten Willen von seinen Freunden nicht so schnell losreißen.«

»Was sich die Frauen doch in gewissen Fällen zu verstellen vermögen«, dachte Helferich.

»Wie doch die Männer zu lügen verstehen«, resümierte die junge Frau im Stillen.

Dabei blieb es aber. Man lächelte sich wie gewöhnlich an, man erzeigte sich Aufmerksamkeiten und Zärtlichkeiten und bei beiden machte sich immer mehr die Überzeugung geltend, dass sie sich eigentlich doch so recht von Herzen liebten.

Als wieder ein Jahr verflossen war, sagte unser Bekannter zu seiner Gattin: »Morgen ist großer Maskenball, lass uns demselben gemeinsam beiwohnen.«

»Aber ich habe eine Bedingung«, antwortete Gabriele und machte dabei ein verschmitztes Gesicht. »Nun, lass hören.«

»Du lädst keine Zigeunerin mehr zum Souper ein.«

»Willst du nicht unser Geheimnis verraten!«, rief Helferich und zog lachend seine Gattin an sein Herz.

»Ich glaube, wir haben uns beide gebessert«, erwiderte diese heiter, »und nun komm und lass uns auf den Ball gehen.«

Einige Tage nach dem hier geschilderten Fest trat Herr von Schwefelkorn eines Morgens zum Erstaunen unseres Philosophen ganz unerwartet im vollständigen Reisekostüm in das von beiden bisher innegehabte Wohnzimmer.

»Wie«, rief Schwalbe erstaunt, »das sieht ja beinahe so aus, als ob Sie mich verlassen wollten?«

»Das ist auch der Fall«, entgegnete der Teufel mit allen Anzeichen einer schmerzlichen Gemütsbewegung. »Mein Urlaub ist abgelaufen und eine Verlängerung desselben haben mir Seine Höllische Majestät trotz inständiger Bitten nicht zu bewilligen geruht. Lassen Sie uns daher die Abschiedsszene möglichst verkürzen, denn sonst passiert es mir am Ende noch, dass ich vor Rührung in Tränen ausbreche und weinen darf ein anständiger Teufel nicht, das werden Sie selbst einsehen.«

»Es ist sonderbar«, erwiderte der Doktor, »wie auch mir diese Trennung zum Herzen geht. Als Philosoph ziehe ich daraus den Schluss, dass doch manches in unserer Natur vorhanden sein muss, was mit der Ihren verwandt ist.«

»Wenn die Menschen nur immer ehrlich sein wollten«, erwiderte der falsche Baron, »so würde eine gute Portion Heuchelei weniger in der Welt sein. Ich habe Ihnen ja auch durch mein Beispiel bewiesen, dass es sehr anständige und gebildete Teufel gibt, die es unter ihrer Würde halten würden, sich mit dem gemeinen Handwerk des Halsumdrehens zu befassen. So etwas überlassen wir unseren eigens hierfür angestellten Henkern. Das aber sind leider die Kerle, welche uns unseren Kredit hier auf Erden verderben. Eine viel angenehmere, und wenn ich mich so ausdrücken darf, auch weit ästhetischere Aufgabe ist es, euch eitle Erdenbewohner so lange zu reizen und zu kitzeln, bis eure Narrheiten vollständig zum Vorschein kommen. Und hiervon haben Sie ja, während der Zeit, wo mir das Vergnügen zuteilwurde, Ihre Gesellschaft zu genießen, selbst so manches Beispiel erlebt.«

»Wohl wahr«, entgegnete Schwalbe, »denn bereitwillig erkenne ich an, dass ich ohne Ihren Beistand nie imstande gewesen sein würde, ein so reiches Material für mein beabsichtigtes Werk zu sammeln.«

»Na, lassen Sie es gut sein«, bemerkte Schwefelkorn mit einem abwehrenden Lächeln. »Was ich tat, tat ich für einen Freund, und solche Kleinigkeiten sind nicht der Erwähnung wert.«

»Nach Ihrem Anzug zu schließen«, sagte Schwalbe, »scheint es, als wünschten Sie auch auf Ihrer Rückreise völlig unerkannt zu bleiben?«

»Ich habe«, entgegnete der falsche Baron lächelnd, »unterwegs noch einige kleine Geschäfte abzumachen. Da sind so ein paar faule Kunden, denen ich ihre Scheine verlängern muss. Sie glauben nicht, mit was für allerhand Lumpenvolk man sich herumzuschlagen hat.«

»Daran zweifele ich nicht. Unsereins macht ja in dieser Beziehung hier auf Erden ebenfalls Erfahrungen genug. Doch um wieder auf Ihre Abreise zu kommen: Wenn es Ihnen sonst recht wäre, so würde ich Sie einladen, mich bei Gelegenheit später einmal in aller Stille zu besuchen.«

»Haben Sie denn einen weiten Schornstein?«, fragte der Teufel mit einem gutmütigen Grinsen.

»Oh, den können Sie mit aller Bequemlichkeit benutzen.«

»Nun, ich hoffe, es wird sich im Lauf der Zeit machen lassen.«

»Gern möchte ich Ihnen auch als Zeichen meiner Hochachtung ein Exemplar meines Zukunftswerkes »Psychologische Studien« aushändigen, aber ich weiß nicht, wie ich dies anfangen soll.«

»Nichts ist leichter als das«, bemerkte Schwefelkorn, »übersenden Sie dem Doktor Krötengift zur Rezension desselben statt eines Exemplares deren zwei. Ich bin mit demselben sehr befreundet und hole mir das Buch dann bei Gelegenheit von ihm ab.«

»Gut, ich will mir das notieren.«

»Und nun leben Sie wohl, geliebter Freund«, sagte der Teufel, indem er seine Arme ausbreitete, um unseren Philosophen an sein Herz zu drücken. »Leugnen kann ich nicht, dass ich schon am liebsten wünschte, Sie mit mir zu nehmen.«

Hierdurch wurde doch das Misstrauen Schwalbes gegen seinen Bekannten wieder angeregt. »Wenn er noch im letzten Augenblick so einen heimtückischen Streich ausführte?«, dachte er, aber zugleich erinnerte er sich auch, dass er sich für solche Fälle ja vorgesehen hatte, indem er seinen Zahn und den Holzsplitter stets auf der Brust trug.

Der Teufel mochte wohl seine Gedanken erraten, denn lächelnd bemerkte er: »Die Vorsicht hätten Sie sich ersparen können, denn abgesehen von dem Ihnen erteilten Versprechen, wissen Sie ja, dass wir uns mit einem deutschen Gelehrten nur sehr ungern befassen. Da würde es wohl alle Tage Streit und Händel geben und am Ende fiele es einem solchen Herrn noch ein, mit seiner Bücherweisheit auch in der Hölle opponieren zu wollen.«

»Na, regen Sie sich zuletzt nicht noch auf«, entgegnete Schwalbe lachend. »Das beruht auf Ansichten, aber wie gesagt, durch solche einzelne Meinungsverschiedenheiten soll unserer Freundschaft kein Abbruch geschehen. Leben Sie wohl und halten Sie sich versichert, dass ich Ihrer recht häufig gedenken werde.«

Teufel und Philosoph drückten sich sehr warm die Hand und dann verschwand Schwefelkorn aus dem Zimmer und bestieg unmittelbar darauf eine Droschke, die ihn zum Bahnhof bringen sollte. Noch einmal schwenkte der Doktor zum Abschied mit seinem Taschentuch, der falsche Baron tat unter allen Anzeichen einer tiefen Rührung ein Gleiches und im nächsten Augenblick hatte das Schicksal beide ebenso unerwartet wieder getrennt, wie sie vom Zufall plötzlich zusammengeführt worden waren.

»Was soll ich nun hier noch länger?«, so fragte sich Doktor Schwalbe eines Morgens, nachdem er sich drei Tage hindurch auf das Empfindlichste gelangweilt hatte. »Das Beste wird wohl sein, ich packe ebenfalls meinen Koffer und kehre nun endlich nach so langer Abwesenheit in die Heimat zurück.«

Gesagt, getan, der Ausführung folgte unmittelbar die Tat. Schon eine Stunde später saß unser Bekannter in der Ecke eines Coupés und überließ sich seinen stillen Betrachtungen. Es war schon ziemlich spät, als er ganz unerwartet sein Haus erreichte und das so lange vermisste Wohnzimmer betrat.

Gottlieb saß auch diesmal im geblümten Schlafrock im weichen Lehnsessel und spielte den Hauspatriarchen. Aber ein einziger Blick überzeugte den Doktor, dass zwischen ihm und Phöbe eine merkliche Kälte eingetreten sein musste. Letztere hatte ihm den Rücken zugewendet und machte ein schmollendes Gesicht, während Schnorpel hinter einer großen Tabakwolke seinen Gesichtsausdruck zu verbergen suchte.

Der Eintritt des Doktors veränderte natürlich diese Szene. Beide sprangen überrascht auf und begrüßten unseren Bekannten auf das Herzlichste.

»Nun, wie habt ihr euch vertragen?«, fragte Schwalbe mit einem humoristischen Lächeln.

Gottlieb senkte den Kopf und brummte etwas Unverständliches vor sich hin. Phöbe aber ergriff nach Art der lieben Evastochter sogleich das Wort und sagte ziemlich gereizt: »Oh, mit dem Herrn Schnorpel ist ja gar nichts anzufangen. Ich habe es gut genug mit ihm gemeint und ihm nach Kräften Anleitung gegeben. Aber der ist ja so schwer von Begriff – und kurz und gut, Herr Doktor, ich freue mich, dass Sie wieder hier sind.« Damit schlüpfte sie zur Tür hinaus, auf den verdutzten Schnorpel noch einen halb mitleidigen, halb spöttischen Blick werfend.

»Höre einmal, alter Junge«, sagte Schwalbe, »es scheint wirklich, als ob du die Zeit meiner Abwesenheit schlecht benutzt hast. Ich ließ dich doch in einem ganz warmen Nest zurück, und Phöbe scheint es auch ganz gut mit dir gemeint zu haben.«

»Die Freundschaft – die Freundschaft«, stotterte Gottlieb verlegen, »du gabst mir dein Eigentum zu hüten, – hm, begreifst du nun?«

»Lass dich nicht auslachen«, rief der Philosoph. »Phöbe gehört doch nicht zu meinem Eigentum! Nein, die Sache ist die, alter Junge, dass du zur Klasse der blöden Schäfer gehörst, was die Frauen durchaus nicht lieben. Und deshalb hat dich Phöbe wahrscheinlich auch im Stillen für einen großen Einfaltspinsel gehalten.«

»Ich hielt mich aber doch sehr tapfer«, murmelte Schnorpel, »und das innere Bewusstsein …«

»Ich kenne einen Herrn«, bemerkte der Doktor, indem er dabei an Schwefelkorn dachte, »der dir als einen Narren geradezu ins Gesicht lachen würde. Indessen wie du meinst – ich will deine Grundsätze nicht erschüttern: Der Glaube macht selig!«

Eine Antwort auf Der Teufel auf Reisen 62