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Aëlita – Teil 8

Alexej-Tolstoi-AelitaAlexej Tolstoi
Aëlita
Ein utopischer Roman

Die Landung

Die silbrige, hier und da gleichsam von Wölkchen überzogene Marsscheibe wurde merklich größer. Der vereiste Südpol funkelte grell. Unterhalb davon breitete sich ein gewölbter Nebelfleck aus. Dieser reichte im Osten bis zum Äquator, ging in der Nähe des Mittelmeridians in die Höhe, machte einen Bogen um eine etwas hellere Fläche, teilte sich und bildete am Westrand der Scheibe einen zweiten Vorsprung.

Längs des Äquators verteilten sich fünf dunkle Punkte: deutlich sichtbare runde Flecken. Sie waren durch gerade Linien verbunden, die zwei gleichseitige Dreiecke und ein drittes mit verlängerter Basis bildeten. Die Basis des östlichen Dreiecks war von einem regelmäßigen Bogen eingefasst. Von seiner Mitte bis zum äußeren westlichen Punkt ging ein zweiter Halbkreis aus. Einige Linien, Punkte und Halbkreise befanden sich in unregelmäßigen Abständen östlich und westlich von dieser äquatorialen Gruppe. Der Nordpol verschwamm im Nebel.

Mit angespannter Aufmerksamkeit blickte Losj auf dieses Netz von Linien: Da waren sie, die geometrisch regelmäßigen, sich ständig ändernden, unerforschlichen Kanäle des Mars, die die Astronomen um den Verstand brachten. Losj konnte jetzt hinter dieser klar hervortretenden Zeichnung ein zweites, kaum erkennbares, gleichsam verwischtes Liniennetz unterscheiden. Er begann rasch eine Skizze davon in sein Notizbuch zu zeichnen. Plötzlich fing die Marsscheibe an zu zittern und bewegte sich vorübergleitend im Okular des Gucklochs.

Losj stürzte zu den Rheostaten: »Wir sind da, Alexej Iwanowitsch, der Mars zieht uns an, wir fallen!«

Der Apparat wandte seinen Hals dem Planeten zu. Losj bremste und schaltete dann den Motor ganz aus. Die Änderung der Geschwindigkeit war jetzt weniger schmerzhaft. Doch es trat eine so qualvolle Stille ein, dass Gussew das Gesicht mit den Händen bedeckte und sich die Ohren zuhielt.

Losj beobachtete, auf dem Boden liegend, wie die silberne Scheibe größer und größer wurde und schließlich eine konvexe Form annahm. Es schien, als flöge der Planet jetzt selber aus dem schwarzen Abgrund auf sie zu.

Losj schaltete die Rheostate aufs Neue ein, und der Apparat erzitterte, die Anziehungskraft des Mars überwindend. Die Fallgeschwindigkeit verlangsamte sich. Der Mars verdeckte jetzt den ganzen Himmel, er wurde trüber, und seine Ränder formten sich zu einer Schale.

Die letzten Sekunden waren furchtbar. Es war ein schwindelerregendes Fallen. Die Scheiben der Ausgucke waren mit einem Mal beschlagen. Der Apparat durchschnitt die über einer farblosen Ebene gelagerten Wolken und glitt jetzt, unter Donnern und Erschütterungen, langsam abwärts.

»Wir setzen auf!«, konnte Losj nur noch rufen, als er den Motor ausschaltete. Ein heftiger Stoß warf ihn gegen die Wand und drehte ihn um. Der Apparat setzte schwerfällig auf und legte sich auf die Seite.

Den Marsfahrern zitterten die Knie und die Hände, das Herz stockte. Schweigend und eilig brachten Losj und Gussew das Innere des Apparates in Ordnung. Durch die Öffnung eines der Ausgucke hielten sie eine kaum noch lebende, von der Erde mitgebrachte Maus hinaus. Die Maus kam allmählich zu sich, hob die Nase, schnupperte und fing an, sich das Schnäuzchen zu waschen. Die Luft war zum Atmen geeignet.

Nun schraubten sie die Eingangsluke auf. Losj leckte sich die Lippen und sagte mit einer noch etwas belegten Stimme: »Alexej Iwanowitsch, ich gratuliere zur wohlbehaltenen Ankunft. Steigen wir aus.«

Sie entledigten sich der Filzstiefel und der kurzen Pelze. Gussew hängte sich (für alle Fälle) eine Mauserpistole an den Gürtel, grinste und öffnete die Luke.