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Schwäbische Sagen 31

Schwäbische-Sagen

Der Schlangenbeschwörer
Eine mündliche Überlieferung aus Wurmlingen

In der Rohrhalde bei Kiebingen befand sich früher eine Meierei, in der es außerordentlich viele Schlangen gab. Es waren Ottern, vier Schuh lang und armdick, aber nicht giftig. Sie lagen sowohl im Hof als auch im Haus überall umher und sogen oftmals den Kühen die Milch aus. Deshalb ließ man endlich einen Schlangenbeschwörer kommen, dass er sie fortschaffen sollte. Da ließ der Mann das »Scheuerloch« (die Bodenluke) mit Brettern zumachen, ließ dann grad unter diesem Loch ein Feuer anzünden, ging selbst auf den Boden. Nachdem er sich in einen Kasten hatte einschließen lassen, machte er auf einer Pfeife den Ton des Schlangenkönigs nach, worauf alsbald alle Schlangen aus der Umgegend herbeigeschossen kamen, in die Scheuer liefen und durch das Scheuerloch auf den Boden springen wollten, von woher der Pfiff kam. Weil die Öffnung aber verdeckt war, so fielen sie alle zurück in das Feuer und kamen darin um. Seitdem sind alle Schlangen dort verschwunden. Hätten die Schlangen aber den Mann bekommen, so würden sie ihn umgebracht haben. Deshalb hatte er sich einschließen lassen.


Die niesende Schlange
Eine mündliche Überlieferung aus Heubach

Im Wald zwischen Heubach und dem Dorf Lauterburg traf ein Glaser aus Heubach, der öfters in dem Dorf zu tun hatte, eine bunte Otter. Die nieste wie ein Mensch und stets drei Mal, so oft er vorbeikam. Er traf sie immer an derselben Stelle bei einer Eiche und hörte jedes Mal das dreimalige Niesen, wagte aber nicht, etwas darauf zu sagen, und erzählte die Geschichte seinen Kameraden. Die meinten, das sei wohl keine gewöhnliche Otter. Er solle den Pfarrer um Auskunft bitten. Das tat er auch sogleich, worauf der Pfarrer ihm riet: Wenn die Schlange das nächste Mal wieder niese, solle er einmal »Gott helf dir!« sagen.

Da begab er sich eines Tages mit mehreren Gefährten auf den Weg. Als sie sich dem bewussten Platz genähert hatten, blieben die Begleiter zurück und ließen ihn allein bis ans Ziel gehen. Dort erschien nun sogleich die Schlange und nieste wie sonst drei Mal, worauf er jedes Mal sein »Gott helf dir!« sprach.

Als er dies aber zum dritten Male gesprochen hatte, kam sie plötzlich mit feurigem Leib und gewaltigem Gerassel hervorgeschossen und jagte ihm einen solchen Schrecken ein, dass er die Flucht ergriff.

Da eilte die Schlange ihm nach und rief, sie tue ihm nichts zuleide. Er solle nur das Schlüsselbund ihr abnehmen, was sie an einer Kette am Hals trug, doch nicht mit bloßer Hand. Dann möge er ihr folgen. Sie werde ihm den Weg zu großen Schätzen zeigen und ihn glücklich machen.

Allein er ließ sich nicht halten. Als seine Gefährten ihn laufen sahen, flohen sie ebenfalls. Darauf sprach die Schlange, jetzt müsse sie noch so lange »schweben«, bis jener kleine Eichbaum groß geworden und eine Wiege aus seinen Brettern gemacht werde. Durch das erste Kind, welches man da hineinlege, könne sie dann erlöst werden.

Der Pfarrer tadelte den Glaser, dass er sein Erlösungswerk nur halb gewagt und nicht auch das Schlüsselbund genommen habe. Übrigens starb der Mann vier Wochen danach.

Der bezeichnete Eichbaum ist indes dick geworden, bisher aber noch nicht gehauen, weshalb der Geist wahrscheinlich noch umgehen muss.


Der Lindwurm im Ammertal
1.
Eine mündliche Überlieferung aus Derendingen

Ehe noch die Ammer vor mehr als dreihundert Jahren bei Tübingen in den Neckar geleitet wurde, war das ganze Ammertal ein großer Sumpf. Darin hauste lange Zeit ein schrecklicher Lindwurm, dem täglich von Schwärzloch, Wurmlingen und den übrigen Ortschaften des Tals ein Schaf geliefert werden musste. Unterließ man dies, so fiel er die Menschen an. Niemand aber konnte ihn bezwingen. Da kam endlich ein fremder Ritter, behängte sich rund um mit Spiegeln und ging so auf ihn los. Als der Lindwurm nun in dem Spiegelkleid sich selbst erblickte, glaubte er, es sei ein Kamerad und kam freundlich und schmeichelnd heran, worauf der Ritter eine günstige Stelle erkennen konnte und ihn durchbohrte. In Schwärzloch, an der alten, vorgotischen Kapelle ist das Bild des Lindwurms, wie er ein Schaf zerreißt, in Stein gehauen. Die alten Herren von Wurmlingen führten ihn im Wappen.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Wurmlingen

Der eigentliche Lindwurm des Ammertals soll bei Wurmlingen am Fuß der »Wandelburg« in einer Höhle sich aufgehalten haben. Die Wandelburg aber ist ein ebener Absatz des Remigiusberges, die eben daher ihren Namen hat, weil der Lindwurm daselbst gehaust hat und herumgewandelt ist. Ein Riese, andere sagen der starke Herr von Presteneck, soll sich am Eingang der Höhle verborgen und den Wurm durch ein angezogenes Spiegelkleid zu sich hergelockt und getötet haben. Ein Kamerad dieses Lindwurms soll bei Schwärzloch in einer Klinge, wo jetzt ein Brunnen ist, erlegt worden sein.

3.
Eine mündliche Überlieferung aus Lustnau

Eine Gräfin von Tübingen wollte einmal zu Fuß nach Jesingen gehen. Allein alsbald kam der Lindwurm des Ammertals auf sie zu, worauf sie schnell zurückfloh und mit Mühe noch das Tübinger Stadttor erreichte. Hier stand ein Ritter und befragte sie über den Grund ihrer ängstlichen Flucht. Nachdem sie ihm alles erzählt hatte, begab sich der Ritter ins Ammertal, erstach den Lindwurm und heiratete nachher die Gräfin.

Die Kinder kennen noch folgenden Spruch über den Lindwurm:

Lindwurm, Lindwurm, grausig’s Tier,
hast schaun drei, vier g’fresse,
den fünfte hast im Rache,
Dem sechste wirsts au so mache.

4.
Eine mündliche Überlieferung aus Hirschau

Man erzählt auch, zu Wurmlingen habe der weibliche Lindwurm gehaust, das Männchen aber habe sich auf der Weilerburg bei Rotenburg aufgehalten, und beide seien öfters zusammengekommen.

An dem Kalkweiler Kirchlein ist ein Drache abgebildet, von dem es heißt, er habe alle Tage ein Weib und ein Schaf verzehrt, bis die Reihe an des Kaisers Töchterlein gekommen war. Da habe der heilige Georg den Drachen erstochen, und deshalb sei ihm zu Ehren die Kapelle erbaut worden.


Der Lindwurm auf Limburg
1.
Eine mündliche Überlieferung aus Owen

Der Limberg im Neidlinger Tal mit der alten Limburg darauf heißt eigentlich Lindberg, wie ihn das Volk auch noch zuweilen ausspricht. Dieser Name rührt von dem Lindwurm her, der hier in einer Felsenhöhle gehaust hat. In der Nähe liegt ein Dorf Lindorf oder Lintorf, und ein Bach, die Lindach, fließt an dem Limberg vorbei. Früher hat dieser Berg auch Michelsberg geheißen. Jener Lindwurm war ein furchtbares Ungeheuer, vor dem kein Mensch sicher war. Er kam in alle umliegenden Orte, griff die Leute an und verschlang sie, bis endlich der Kaiser befahl, man solle ihm alle Tage zwei Menschen liefern, einen des Morgens und den anderen des Abends. Seitdem dies geschah, ließ er die übrigen Bewohner unangetastet ziehen. Auf die Art aber wurde nach längerer Zeit die Gegend ganz entvölkert und die Reihe kam zuletzt an des Kaisers eigene Tochter. Wie diese nun eben dem Lindwurm übergeben werden sollte, so erschien der heilige Georg auf seinem Schimmel vor dem Kaiser und versprach, das Ungeheuer zu erlegen und die Jungfrau zu erretten, wofern der Kaiser ihm dieselbe zur Gemahlin geben wolle. Nachdem der Kaiser ihm dies gern zugesagt hatte, ritt er vor die Höhle des Lindwurms, und als er ihn hervorkommen sah, legte er seine Lanze in die Öffnung, spornte seinen Schimmel an, und es gelang ihm, das Untier zu durchbohren und zu töten. Darauf erhielt er des Kaisers Töchterlein zur Frau.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Weilheim a. d. Teck

Nach einer anderen Erzählung soll der Lindwurm eine schöne Jungfrau auf dem Lindberg gefangen gehalten haben, bis der heilige Georg vom Jörgenberg aus (der gewöhnlich Erkenberg, auch Merkenberg heißt), ihn mit seiner Lanze geworfen, getötet und die Jungfrau befreit habe.


Der Drache auf Drackenstein
Eine mündliche Überlieferung aus Owen

In einem tiefen, wilden Albtal, dem sogenannten Drackensteiner Tälchen, das in das Filstal mündet, liegt das Dorf Drackenstein. Ehemals stand hier auch ein Schloss, das denselben Namen führte. In dem freistehenden Felsen, auf welchem die Kirche erbaut ist, befindet sich eine Höhle, das »Totenloch«, und dem gegenüber liegt eine zweite Höhle, das »Drachenloch«. Darin soll noch immer ein Drache hausen. Von diesem erzählt man sich folgende Geschichte.

Einst hatte der Drache eines Kaisers Tochter geraubt und hielt sie fünf Jahre lang hier gefangen, indem er sie zu heiraten gedachte. Aber sie wollte sich ihm nicht ergeben, wie sehr er sich auch um sie bemühte. Er schenkte ihr zum Beispiel drei prachtvolle Kleider. Auf dem einen war die Sonne abgebildet, auf dem anderen der Mond, auf dem dritten die Sterne. Aber seine Bewerbungen wies sie immer zurück. Da geschah es, dass sich ein Schneider, der aber nichts als Bälle machen konnte, in dieser Gegend verirrte, die Jungfrau allein auf dem Drackenstein antraf und sie fragte, ob sie sich auch verirrt habe. Da erzählte sie ihm, sie sei die einzige Tochter des Kaisers von Marokko. Eines Tages nämlich, als sie eben ihr Haar gemacht und sich geschmückt habe, sei ein Drache durchs Fenster geflogen, habe sie gefasst und sei mit ihr übers Wasser geflogen und habe sie hierher gebracht, wo er sie nun schon fünf Jahre lang festhalte.

Darauf beredete sich die Jungfrau mit dem Schneider, dass sie fliehen wollten. Sie versprach demselben, wenn er sie glücklich von hier wegbringe, so wolle sie ihn heiraten und er solle dann Kaiser werden. Nun passten sie auf, zu welcher Zeit der Drache am längsten ausblieb. Als sie das wussten, gingen sie eines Abends miteinander fort. Der Schneider hatte die drei schönen Kleider der Prinzessin in seinen Ranzen gesteckt, und so wanderten sie munter und rüstig dahin, bis sie sicher waren, dass der Drache sie nicht mehr einhole. Da wurde die Reise aber dem Ballmacher zu lang und er sagte zu der Prinzessin, sie solle einstweilen nur allein nach Hause gehen, er wolle schon nachkommen. Und so trennte er sich von ihr und zog auf einer anderen Straße weiter, lebte lustig und guter Dinge, bis er sein Geld vertrunken hatte. Dann reiste er gleichfalls zu der Kaiserstadt. Da sah er vor einem Haus ein Netz mit Bällen hängen und bekam plötzlich wieder Lust zu seinem Gewerbe und ließ sich sogleich als Geselle annehmen. Dann las er nach einiger Zeit, wie der Kaiser ausschrieb: Wer binnen drei Monaten drei Kleider machen könne, auf denen Sonne, Mond und die Sterne stünden, der solle zehntausend Gulden bekommen. Es müsse aber jeden Monat eins fertig werden. Zugleich wollte der Kaiser für jeden Monat tausend Gulden als Vorschuss geben. Da fielen dem Ballmacher die drei Kleider wieder ein, die er noch in seinem Ranzen hatte. Weil sich sonst niemand fand, der solche Kleider zu machen verstand, so sagte er endlich zu seinem Meister, er könne die Kleider für des Kaisers Tochter machen, worauf der Meister es sogleich dem Kaiser meldete und tausend Gulden im Voraus erhielt. Die übergab er seinem Gesellen, damit er sich kaufen könne, was er nötig hätte. Allein der Geselle ging alsbald ins Wirtshaus und aß und trank mit seinen Kameraden und fuhr in schönen Wagen umher, bis der letzte Tag des Monats heranrückte. Da wurde es dem Meister himmelangst, als er noch nichts von dem Kleid sah. Er dachte: Wird es nicht fertig, so kann dir es den Kopf kosten. Deshalb stellte er den Gesellen zur Rede.

Der aber gab ihm gute Antwort und sprach: »Ich kann nur bei Nacht, wenn ich einen Rausch habe, an dem Kleid arbeiten, und deshalb muss ich den Tag über im Wirtshaus zubringen.«

Und richtig übergab er auch dem Meister am folgenden Morgen das erste Kleid, auf dem die Sonne dargestellt war.

Wie das des Kaisers Tochter sah, sprach sie: »Es ist gerade so wie das Kleid, das der Drache mir gegeben hatte.«

Darauf erhielt der Meister abermals tausend Gulden als Vorschuss, die er wieder seinem Gesellen gab. Der machte es nun ebenso wie im ersten Monat und verjubelte das Geld. Nach vier Wochen aber übergab er dem Meister das zweite Kleid mit dem Mond.

Als er dies dem Kaiser brachte, sagte die Tochter wieder: »Es ist ganz so wie das, was der Drache mir geschenkt hatte«, und verlangte, dass der Geselle das letzte Kleid, sobald es fertig sei, selbst überbringen solle.

Das war gut. Der Geselle bekam noch einmal tausend Gulden, lebte lustig davon und überbrachte dann nach vier Wochen das Sternenkleid selbst der Prinzessin. Die erkannte alsbald ihren Retter, fiel ihm um den Hals, herzte und küsse ihn. Nicht darauf hielten sie Hochzeit, und dann ist der Ballmacher noch Kaiser geworden.