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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Teufel auf Reisen 53

Der-Teufel-auf-Reisen-Dritter-BandCarl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Dritter Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Elftes Kapitel – Teil 4
Das verwechselte Bild

Bisher hatte er Rosa schon im Stillen als sein Eigentum betrachtet und deren Heimführung nur als eine Frage der Zeit angesehen. Jetzt, da sie ihm entrissen werden sollte, loderten bei ihm alle Flammen der Eifersucht hoch auf, die Sinnlichkeit des Unholdes erwachte im verstärkten Maße und er überzählte die Mittel, welche ihm zu Gebote standen, um gegen das junge Paar einen tödlichen Streich zu führen. Er kannte die Menschen, mit denen er es zu tun hatte. Er wusste auch, dass Rosa, wenn es zum Äußersten kam, nicht die Kraft haben würde ihrer Mutter entschiedenen Widerstand zu leisten. So erhob er sich denn eines Tages mit grinsendem Gesicht und stattete Frau Elsner und deren Mann einen Besuch ab. Der Letztere schlug verlegen die Augen nieder, als sein Verführer so plötzlich eintrat, denn Quirks hatte ihn ja bereits im Netz und er wusste, um was es sich handelte. Die Dame aber mit den langen Locken und der koketten, freilich bereits etwas verblichenen Busenschleife bot ihm sehr entgegenkommend einen Stuhl an, denn auch sie besaß ihre Gründe, dem Nachbarn äußerst höflich zu begegnen, da der schlaue Quirks gerade in der letzten Zeit den bereits früher geleisteten baren Vorschüssen noch weitere in sehr freigebiger Weise hinzugefügt hatte. Nachdem Frau Elsner das bereits hundert Mal gehörte Kompliment über ihre »wunderbare jugendliche Frische« gnädigst entgegengenommen und dadurch in eine sehr heitere Laune verletzt worden war, rückte der schlaue Quirks schließlich mit seinen wahren Absichten heraus.

»Was zum Kuckuck«, begann er spöttisch, »welch ein Vogel hat sich denn seit einiger Zeit hier eingenistet, Frau Nachbarin?«

»Ein Vogel? Meinen Sie das Spatzenpaar unter dem Dach?«

»Ha, ha, mag allerdings wohl nicht viel mehr sein, als so ein Spatz, der auch nichts weiter sein nennt, als die Federn, welche er auf dem Leib trägt. Scheint aber die besten Absichten zu haben, sich sein Nest hier zu bauen.«

Jetzt wurde es bei Frau Elsner Tag. »Sprechen Sie etwa von dem langen Werner, dem Herrn Architekten?«, fragte sie ziemlich missgelaunt. »Freilich, es ist kein Prinz, aber man macht auch nicht alle Tage die Bekanntschaft eines Prinzen.« »Die Gabe, einen solchen zu fesseln, fällt auch nicht jeder in den Schoß«, bemerkte Quirks, indem er dabei entgegenkommend seinen breiten Mund fletschte, wogegen die ehemalige »schöne Handschuhmacherin« sehr befriedigt lächelte.

»Wollen Sie nicht einen Schnaps trinken?«, fragte der Kommissionär, welcher bereits seit längerer Zeit mit der vor ihm stehenden Flasche geliebäugelt hatte. »Nein, ich danke. Was ich sagen wollte, Frau Nachbarin, welche Vorstellungen machen Sie sich denn eigentlich über den langen Windbeutel?«

»Windbeutel? Ein angehender Baurat wollen Sie sagen.«

»Ein angehendes Nichts und wahrscheinlich auch ein bleibendes Nichts«, höhnte der Produktenhändler.

»Aber er sagte mir doch …«

»Es gibt Leute, welche vieles sagen, und doch sehr wenig halten. Ein armer Schlucker, ohne alle Aussichten ist er, der, wenn es hochkommt, einmal als Bauschreiber in irgendeinem Büro angestellt wird.«

»Du mein Gott«, rief die Dame, »wenn das so ist …«

»Dass es so ist, darauf können Sie sich verlassen, denn ich habe mich über das Herrchen genau erkundigt und das Resultat war, dass er die Miete für das Dachstübchen, welches er bewohnt, kaum aufzubringen vermag.«

»Für das Dachstübchen?« Frau Elsner machte eine Bewegung des Abscheus. »Ein Dachstübchen? … Na, das fehlte gerade noch, so einen Hungerleider mehr an den Tisch zu bekommen!« Sie warf dabei ihrem Mann einen bezeichnenden Blick zu.

»Ich will Ihnen etwas sagen«, begann Quirks nun wieder, »ich bin zwar gerade nicht der Schönste.«

»Nun, Sie sind immer noch ein recht stattlicher Mann«, würgte Frau Elsner mit einer Augenverdrehung heraus.

»Aber ich habe ein gutes Herz«, fuhr der Produktenhändler fort, »und ich bin auch imstande, eine kleine Zurücksetzung zu verzeihen.«

»Zurücksetzung? Ich wüsste doch nicht …«

»Nun, lassen Sie es gut sein. Frauen sind leichtgläubig, der windbeutliche Patron hatte Ihnen etwas in den Kopf gesetzt.«

»Es ist aus mit ihm«, rief Frau Elsner, »er darf nicht mehr meine Schwelle überschreiten!«

»Ich besitze ein Vermögen von zwanzigtausend Talern«, begann Quirks wieder.

»Ei ja, Sie sind ein Mann, vor dem man Respekt haben muss.«

»Alles mühsam und redlich erworben«, bemerkte der Schiefe, sich die Hände reibend.

»Wir rechnen es uns auch zur besonderen Ehre an, Sie unter unsere Freunde zu zählen.«

»Die Vorschüsse, die ich Ihnen leistete, machen schon eine ganz hübsche Summe aus«, fuhr der Kobold grinsend fort.

»Freilich, wir erkennen das mit Dank an. Sobald es die Verhältnisse gestatten, werden wir das Geld zurückzahlen.«

»Hat gar keine Eile«, erwiderte Quirks großmütig, »ich erwähne dies nur so nebenbei. Endlich ist da auch noch eine fatale Geschichte wegen eines Wechsels …« Der Kommissionär trat dem Sprecher heimlich auf den Fuß und warf ihm einen bittenden Blick zu.

»Wegen eines Wechsels?«, wiederholte dessen Frau. »Ich wüsste doch nicht, dass wir Ihnen einen solchen ausgestellt hätten.«

»Sie nicht, aber ein gewisser leichtsinniger junger Herr brauchte Geld und da gab er denn Ihrem Mann als Kommissionär den Auftrag, ihm denselben zu versilbern. Als guter Nachbar wollte ich es ihm nicht abschlagen und zahlte ihm für das unsichere Papier ein hübsches Sümmchen, obgleich ich sonst derartige Geschäfte nicht mache. Na, kann mir’s wohl denken, das Geld ist richtig abgeliefert und das junge Herrchen wird hoffentlich auch zahlen, wenn ich ihm das Papier am Verfallstag präsentiere.«

»Mann, was hast du getan?«, rief jetzt Frau Elsner, von einer unsäglichen Angst befangen. »Gestehe, was du mit dem Geld angefangen hast. Du hast es vertan, vertrunken, ich lese es auf deinem Gesicht!«

Dieser schlug verlegen den Blick nieder. »Es wird sich wieder herbeischaffen lassen«, stotterte er, »ja, es wird sich wieder herbeischaffen lassen …«

»Es wäre auch sehr schlimm, wenn dies nicht möglich sein sollte«, grinste wieder der Kobold und fletschte die Zähne. »Nehmen’s verdammt streng mit solchen Sachen am Gericht, sehen’s gleich als Betrug an und diktieren Zuchthaus.«

»Oh ich arme unglückliche Frau!«, schrie darauf hin die Mutter Rosas, die Hände über dem Kopf zusammenschlagend. »Pfui über den Trunkenbold, der sich nicht scheut, eine Familie in Schande und Elend zu stürzen!«

»Na, soweit soll es nicht kommen, Nachbarin«, bemerkte der Produktenhändler begütigend. »Ich gebe den Wechsel zurück, ich lösche Ihr Konto, aber eine Bedingung stelle ich dabei.«

»Sprechen Sie, alles ist mir recht!«

Der kleine missgestaltete Kerl rieb sich behaglich die Hände. »Man hat auch so seine Passionen«, sagte er, »man hat eben auch kein Fischblut in den Adern und kurz und gut, geben Sie mir Rosa zur Frau und ich will Ihnen dann sogar noch eine Leibrente aussetzen.«

Dieser unerwartete Antrag fiel doch wie ein Schlag auf das Herz der hochaufhorchenden Frau. Einen Augenblick sah sie erstaunt auf. Aber der Kummer und die Sorgen und auch die sie quälende Eitelkeit hatten schon längst jedes bessere Gefühl bei ihr beseitigt. Nun, wo sich ihr auf einmal die Aussicht eröffnete, nicht bloß der Armut und der Schande zu entfliehen, sondern auch noch ihre Zukunft gesichert zu sehen, bedurfte es nur eines kurzen Kampfes, um sich zu entscheiden.

»Nachbar Quirks«, sagte sie, »ich wüsste nicht, wie meine Tochter besser versorgt sein könnte, als bei Ihnen, und eine gute Versorgung ist die Hauptsache für eine Frau. Diese Erfahrung habe ich an mir selbst leider zu meinem Nachteil gemacht. Ich nehme also Ihren ehrenvollen Antrag an und die Spielerei mit dem Architekten werden Sie wohl meiner Tochter verzeihen.«

»Hat gar nichts zu bedeuten«, antwortete dieser, »über solche Lappalien bin ich hinweg. Ist Rosa erst meine Frau, dann wird sie selbst über derartige Kindereien lachen. Aber darum bitte ich, in drei Monaten ist die Hochzeit, denn einen langen Bräutigamstand liebe ich nicht.«

»Und wegen der Leibrente?«

»Die wird notariell festgesetzt. Den Wechsel kann sich Papa Elsner noch heute bei mir abholen.«

Keine Ahnung hatte die arme Rosa, als sie am Abend heimkehrte, dass sie in so schmählicher Weise verhandelt worden war. Bleich, zitternd, mit gerungenen Händen und unter hervorstürzenden Tränen hörte sie ihr Todesurteil, denn dem verwachsenen Ungetüm in die Arme geführt zu werden, war so gut wie der Tod unter langsamen Qualen. Aber Vater und Mutter blieben ungerührt, denn es handelte sich dabei um deren eigene Existenz, und alle Proteste des jungen Mädchens wurden rau, ja zeitweise sogar unter Drohungen beseitigt.

Wir wissen, dass Rosa nicht die Energie besaß, einen so schmählichen Handel mit Entschiedenheit zurückzuweisen. Die Furcht vor der Mutter, der Mangel an eigener Kraft verhinderte sie daran. Ihre Waffen waren Tränen und vielleicht würde sie in ihrer Verzweiflung den unseligen schon mehrere Male gefassten Entschluss des Selbstmordes ausgeführt haben, wenn Otto Werner sie nicht getröstet und durch seinen Mut und seine beharrliche Ausdauer aufrechterhalten hätte.

So musste sie es denn freilich dulden, dass der widerliche unheimliche Geselle, aus dem düsteren Haus gegenüber, mit seinem gekrümmten Rücken wie ein Raubtier, das seine Beute im Auge hält, um sie herumschlich und ihr feine Schmeicheleien aufdrängte. Aber ihre volle Verachtung zeigte sie demselben wenigstens unverhohlen und welche Behandlung ihm zuteilwurde, als er einmal den Versuch machte, sich ihr zu nähern, haben die Leser bereits zu beobachten Gelegenheit gehabt.