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Der Marone – Der Liebeszauber

Der-Marone-Zweites-BuchThomas Mayne Reid
Der Marone – Zweites Buch
Kapitel 27

Der Liebeszauber

Das Aussehen und die ganze Haltung des Myalmannes hatten einen feierlichen Ernst angenommen, der auf etwas höchst Wichtiges schließen ließ. Der Mulattin bemächtigte sich ein dunkles Vorgefühl, dass als Gegenleistung für seine Dienste von ihr nun etwas gefordert werden würde, das viel mehr war als eine bloße Lieferung von Gegenständen zum Essen und Trinken.

Sein geheimnisvolles Betragen, während er in der Hütte umherging, bald vor dem einen der seltsamen, die Mauer zierenden Gegenstände stehen blieb und dann vor dem anderen, bald die kleinen Beutel und Körbe befühlte und betastete, als suche er nach einem ganz besonderen Zauber, dabei aber ein feierliches Schweigen herrschte, das nur durch die schwermütigen Seufzer des Wasserfalls draußen unterbrochen wurde. Alles dies machte auf den Geist der Mulattin einen höchst unheimlichen Eindruck. Trotz ihres natürlichen, noch dazu durch eine glühende, sie verzehrende Leidenschaft vermehrten Mutes ergriff sie doch schnell eine ganz unbeschreibliche Furcht.

Nachdem der Priester des Obi jeden Fetisch nacheinander verehrt zu haben schien, widmete er seine Verehrung zuletzt der Rumflasche, vielleicht dem mächtigen Gott im ganzen Pantheon.

Abermals nahm er aus der Rumflasche einen tüchtigen Schluck, dem das gewöhnliche grunzende Humm folgte, stellte sie dann wieder auf ihren Platz, setzte sich auf eine große Schildkrötenschale, die einen Teil seiner Tempelgeräte bildete, und begann seiner Jüngerin Belehrungen zu geben.

»Nun denn,« sagte er, »um auf jemand – sei es Mann oder Frau – den Liebeszauber wirksam zu legen, ist es durchaus nötig, zu gleicher Zeit auch den Totenzauber anzuwenden.«

»Was!«, rief die Zuhörerin höchst beunruhigt aus. »Den Totenzauber? Auf Cubina, meinst du?«

»Nein, nicht auf ihn, das ist keine Notwendigkeit. Aber bevor Cubina dazu gebracht werden kann, dich zu lieben, muss  ein anderer dazu gebracht werden, zu sterben.«

»Wer?«, fragte schnell die Mulattin, der sofort jemand eingefallen war, den sie wohl geopfert wünschte.

»Wen meinst du wohl? Wer ist dein größter Feind, dessen Tod du wünschest?«

»Yola«, antwortete das Mädchen mit schwacher, leiser Stimme, aber ohne  zu zögern.

»Geht nicht – Frau geht nicht – es muss ein Mann sein, und noch mehr, es muss ein freier Mann sein. Sklave geht auch nicht. Gott Obi hat es mir gerade vorher selbst gesagt. Es muss ein Herr sein, ein weißer Herr. Nur wenn auf weißen Herrn der Totenzauber, kann ich auf Cubina Liebeszauber legen, und er liebt dich dann gewiss.«

»O, wenn er das wollte!«, stieß die leidenschaftliche Mulattin in der höchsten Entzückung wonniger Erweckung aus. »Dafür wollte ich alles tun, alles.«

»Dann musst du helfen, den Totenzauber auf einen von den Weißen zu legen. Du hast einen weißen Feind? Chakra hat denselben.«

»Wen?«, fragte das Mädchen nachdenkend.

»Wen! Ist’s nötig zu sagen, wer Chakras Feind ist und dein Feind auch! Wer hat dich lange Zeit zum Narren gehabt? Wer täuschte dich, als du ein junges Mädchen warst? Das ist doch wohl nicht nötig, dir erst zu sagen, Cynthy?«

Die Mulattin sah den Redenden mit bedeutungsvollen Blicken an. Eine alte Erinnerung schien bei seinen Worten aufzutauchen, die offenbar keine angenehme war.

»Massa Loftus?«, sagte sie halb flüsternd.

»Gewiss, Massa Loftus! Das ist der Weiße, der dein Feind und meiner auch ist.«

»Und du willst?«

»Den Zauber auf ihn lenken«, sagte der Myalmann, die Frage schon im Voraus beantworten, welche die andere ohne Umschweife vorzubringen gezögert hatte.

Das Mädchen gab keine Antwort und schien tief in Nachdenken versunken zu sein. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war dabei aber keineswegs ein ruhiger, sondern der einer wild aufgeregten Leidenschaft.

»Er muss es sein«, fuhr der Versucher fort, um sie vollständiger für seine schwarzen Absichten zu gewinnen. »Kein Anderer ist so geeignet. Gott Obi hat so gesagt, es muss der Pflanzer von Willkommenberg sein.«

»Wenn Cubina mich nur lieben wird, mir ist’s gleich, wer es ist!«, erwiderte die Mulattin mit unbekümmerter Entschlossenheit.

»Nun ist’s genug«, sprach der Myalmann ernst.

»Der Totenzauber des Obiah soll gesetzt werden auf den stolzen weißen Herrn Loftus Vaughan, und du, Cynthy, musst helfen, dass der Zauber erkenntlich wirkt.«

»Wie kann ich helfen?«, fragte das Mädchen, deren zitternde Stimme einige Unentschlossenheit verriet. »Wie, Chakra?«

»Das soll dir nach und nach gesagt werden, nicht diese Nacht. Der Zauber erfordert Zeit. Gott Obi tut nicht alles auf einmal, selbst nicht für den alten Chrakra. Du kommst wieder, wenn ich das Zeichen für dich auf dem Trompetenbaum gebe. Bis dahin schweigst du ganz still über alles dies. Du bist die Einzige, außer einem anderen, die es weiß, dass der alte Chakra noch lebt. Alle anderen sehen den Myalmann in der Maske, aber erblicken nie sein Gesicht. Noch ahnen sie, wer er ist. Wenn du sagst, wo der Myalmann eigentlich ist, dann …«

»O, niemals, Chakra«, unterbrach ihn das staunende Mädchen, »niemals!«

»Nein, niemals! Wenn du es erzählst, Cynthy, dann fühlst du sofort den Totenzauber auf dich selbst gerichtet. Nun, Mädchen«, fuhr der Mann fort, stand von seinem Sitz auf und winkte der Mulattin auch aufzustehen. »Es ist Zeit für dich zu gehen. Ich rede bald wieder mit dir, bis dahin tust du nichts und schweigst. Nimm deinen Korb und folge mir.«

So redend leerte Chakra den Korb, gab ihn dem Mulattenmädchen und führte sie aus der Hütte heraus.