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Der Marone – Cynthyas Beichte

Der-Marone-Zweites-BuchThomas Mayne Reid
Der Marone – Zweites Buch
Kapitel 26

Cynthyas Beichte

Der Myalmann gewahrte den von ihm hervorgebrachten Eindruck ganz wohl. Da er sah, dass die Neugierde seiner Zuhörerin bereits befriedigt war, denn sie verlangte in Wahrheit durchaus nichts mehr von der wunderbaren Schreckenserzählung zu hören, verließ er den bisherigen Gegenstand des Gesprächs und ging zu einem natürlicheren und leichter zu begreifenden über.

»Den Korb mitgebracht, Cynthy?«

»Ja, Chakra, da ist er.«

»Gut, Mädchen, sehr gut! Guineahuhn und reichlich Gemüse für den Pfeffertopf. Nichts zu trinken, Mädchen? Hast’s vergessen! Will’s nicht hoffen. Ist’s Beste von allem.«

»Nichts vergessen, Chakra! Da ist eine Flasche Rum, da unten im Korb. Große Mühe gemacht, sie zu stehlen.«

»Wem hast du sie gestohlen?«

»Nun, dem Herrn, wem sonst? Er ist in letzter Zeit sehr eigen geworden, nimmt die Schlüssel alle selbst und lässt uns farbige Leute gar nicht mehr zur großen Speisekammer, als ob wir alle stehlen wollten!«

»Macht nichts, Cynthy, macht nichts. Chakra wird ihn schon kriegen. Ha, da!«, sagte er vergnügt, zog die Rumflasche aus dem Korb und hielt sie gegen das Licht. »Der weiße Priester sagte, gestohlenes Wasser sei süß. Ich denke, gestohlener Rum ist es auch. Muss mal sehen, ob es wahr ist.«

So redend, zog der Chakra den Pfropfen aus, brachte die Flasche an die Lippen und steckte den Hals derselben tief in seinen mächtigen Schlund. Verschiedenes Glucken zeigte deutlich an, wo die Flüssigkeit hinkam, und nicht früher setzte er die Flasche vom Mund ab, als bis er einen großen Teil ihres feurigen Inhalts hatte verschwinden lassen.

»Humm!«, rief er in einem Ton aus, der vollkommen dem Grunzen eines wilden Schweines glich. »Humm!«, wiederholte er und strich sich den Bauch mit der ungewöhnlich großen Hand. »Der weiße Priester hat schön reden, dass gestohlen Wasser süß, aber lasst mir den gestohlenen Rum. Du gutes Mädchen, Cynthy. Du sehr gutes Mädchen, dem alten Chakra diesen schönen Korb voll zu bringen. Er oft hungrig, sehr hungrig. Kann alles brauchen!«

»Ich will mehr bringen, wenn ich aus dem Buff wegkommen kann.«

»Das ist recht, mein Täubchen! Aber nun, Mädchen«, fuhr der Myalmann fort, veränderte den Ton und sah die Mulattin mit fragendem Blick an. »Weshalb besuchst du mich eigentlich heute Nacht? Du hast doch einen besonderen Zweck? Nicht wahr, Mädchen?«

Cynthya zögerte mit der Antwort. Es gibt Geheimnisse, die eine Frau stets nur ungern, ja nur mit äußerstem Widerstreben eingesteht. Ein solches Geheimnis ist ihre Liebe. Und diese will sie nur dem allein eingestehen, der ein Recht hat, das Geständnis zu hören.

Dies war der Grund von Cynthyas Zögern und Stillschweigen.

»Warum du nicht sprechen?«, fragte der grimmige Beichtvater. »Hast du Furcht vor altem Chakra! Hast gar nicht nötig, ihm zu sagen, er weiß dein Geheimnis schon. Du liebst Cubina, den Maronenhauptmann? Ist es nicht so? Heh?«

»Ja, Chakra, es ist wahr, dir will ich nichts verhehlen.«

»Das ist recht, denn du kannst dem alten Chakra auch nichts verhehlen. Er weiß alles! Kleiner Vogel sagt ihm. Und nun, was ist denn aber jetzt zu tun? Du glaubst, Cubina liebt dich nicht?«

»Ach, leider bin ich dessen gewiss«, erwiderte die Mulattin und ihr keckes Aussehen nahm einen höchst betrübten Ausdruck an. »Einst glaubte ich, er liebe mich, jetzt glaube ich es nicht mehr.«

»Du glaubst, er liebt ein anderes Mädchen?«

»Ich bin dessen gewiss. O, ich habe Grund dazu.«

»Wer ist die andere?«

»Yola.«

»Yola! Der Name ist mir neu. Wo gehört sie hin?«

»Sie gehört nach Willkommenberg, sie ist Fräulein Käthes Mädchen.«

»Kleine Quasheba nenne ich sie«, murmelte der Myalmann listig grinsend. »Aber diese Yola?«, fügte er hinzu, »wo kommt sie her? Diesen Namen habe noch nie gehört.«

»Es ist wahr, Chakra, ich habe dir noch nie von ihr erzählt. Sie wurde von Jessuron gekauft und kam nach Willkommenberg, nachdem du die Pflanzung verlassen hattest.«

»Nachdem ich die Pflanzung verlassen, um auf dem Jumbéfelsen zu sterben, ha, ha, ha! Das meinst du, Cynthy?«

»Ja, sie kam bald danach.«

»Und du meinst, Cubina liebt sie?«

»Ja, das weiß ich.«

»Und sie erwidert seine Liebe?«

»O, ganz gewiss! Wie sollte sie auch anders?«

Diese letzte Frage verriet den Glauben der Mulattin, dass der Maronenhauptmann unwiderstehlich sei.

»Wie denn, Cynthy, was soll ich dabei tun? Willst du dich an Cubina rächen? Soll ich den Totenzauber auf ihn legen?«

»O, nein, nein! Das nicht, Chakra, um des Himmels willen nicht! Das nicht!«

»Da willst du wohl den Liebeszauber haben?«

»Ach, wenn er dazu gebracht werden könnte, mich wieder zu lieben, wie er mich einst geliebt, das heißt, wie ich es von ihm geglaubt hatte. Ist es möglich, guter Chakra, ihn mich wieder lieben zu machen?«

»Alles ist altem Chakra möglich. Und um das zu beweisen«, fuhr er mit entschlossener Miene fort, »verspricht er dir, den Liebeszauber auf Cubina zu legen.«

»O, Dank, Dank!«, rief das Mädchen und streckte ihm ihre Hände entgegen und sprach mit der tiefgefühlten Dankbarkeit. »Was kann ich für dich tun, Chakra? Ich dir bringen, was du so gern trinkst, Rum und Wein. Ich jede Nacht kommen mit etwas Gutem zu essen.«

»Nun, Cynthy, das ist sehr gut von dir. Aber du musst noch mehr tun, als das.«

»Alles, was du willst. Was denn mehr?«

»Du musst bei dem Zauber helfen. Du bist ebenso nötig dabei, wie ich.«

»Sag mir nur, was zu tun ist und vertraue mir, Chakra, ich will deinen Befehlen folgen.«

»Nun denn, höre, ich will dir alles darüber sagen. Aber setze dich da auf die Bambusbank. Es braucht Zeit.«

Das Mädchen nahm auf der Rohrbettstelle Platz und verblieb schweigend und aufmerksam, während sie jede Bewegung des fürchterlichen, Mannes beobachtete, da sie nicht ganz ohne Misstrauen bei dem nun zwischen ihnen festzusetzenden Übereinkommen war.