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Slatermans Westernkurier 04/2016

Chu-Ar-Ru-Um-Peak-and-family-Paiute-1873Auf ein Wort, Stranger, wenn wir uns heute dem Schicksal eines Indianerstammes annehmen, der inzwischen fast in Vergessenheit geraten ist.

Zugegeben, sie waren längst nicht so berühmt wie ihre Vettern, die Apachen, Comanchen oder Sioux, und während heute noch fast ein jeder Geronimo oder Sitting Bull kennt, sind ihre Namen so gut wie unbekannt.

Wer kennt noch Winnemucca, Numaga oder Wovoka, wobei letzterer Name den Kennern der Szene eigentlich bekannt vorkommen müsste.

Aber egal, trotz allem waren die Paiute ein fester Bestandteil der amerikanischen Pioniergeschichte.

Sie waren eng mit den Utes und Shoshonen verwandt und zählten zu ihrer Zeit zu einer der am weitesten verbreiteten Stämme des Großen Beckens. Eine Tatsache, die hauptsächlich dem Umstand geschuldet war, dass es bei ihnen keine großen Unterstämme gab wie beispielsweise die Mescaleros, die Chiricahuas und die Jicarillas bei den Apachen oder die Oglala, Hunkpapa und Santee bei den Sioux.

Die Paiute unterteilten sich in sogenannte Bands (englisch, Stammesgruppierungen) oder Local Bands (Lokalgruppen), die manchmal nicht mehr als zwei Dutzend Seelen zählten. Um überhaupt einen Überblick über die unzähligen Gruppierungen zu bekommen, wurden sie von den Historikern erst einmal pauschal in vier Gruppen, den Himmelsrichtungen entsprechend, eingeteilt.

Da waren die Nördlichen Paiute, die sich selber Numa (Das Volk) nannten, die Owens Valley Paiute im Osten, die Mono im Westen und die südlichen Nuwuvi. Allein die nördlichen Paiute waren noch einmal in fast dreißig sogenannte Bands unterteilt, was die Vielzahl der einzelnen Clans und damit die weite Verbreitung der Paiute wohl am besten erklärt.

Doch trotz ihrer Vielzahl und ihrer weiten Verbreitung waren sie jenes Volk des Großen Beckens, das technologisch am wenigsten entwickelt war. Sie entsprachen am ehesten der Vorstellung einer steinzeitlichen Gesellschaft.

Ihre Nahrung bestand aus Beeren und Wurzeln, die sie aus dem Boden gruben. Die weißen Siedler, die in ihr Stammesgebiet eindrangen, nannte sie verächtlich Diggers, und auf der Jagd nach Tieren benutzten sie Fallen, Netze oder Keulen. Die Paiute gingen jedem Streit aus dem Weg, was wiederum die Bewohner von Kalifornien und Nevada dazu veranlasste, sie verächtlich Yutas Cobardes (feige Utes) zu nennen.

Doch sie waren nicht feige, sie wollten nur, dass man sie in Frieden leben ließ, was bis zum Frühjahr 1858 auch der Fall war. Aber dann wurden in Nevada, im Gebiet der südlichen Paiute, die ersten Silberfunde bekannt.

 

***

 

Wurden die ersten Weißen, Händler und Jäger, von den Paiute noch in aller Freundschaft empfangen, so änderte sich dies mit dem dramatischen Anschwellen der Emigrantentrecks nach der Kunde der Goldfunde in Kalifornien.

Tausende von Wagen und Menschen durchquerten ihr Stammesgebiet, reduzierten das Wild und verunreinigten Flüsse und Wasserstellen. Unter den Paiute wuchs die Erbitterung.

Winnemucca, Häuptling der Honey Lake Paiute, schloss 1858 mit den Weißen einen Friedensvertrag, in dem eine der zentralen Bedingungen war, dass beide Parteien in den eigenen Reihen dafür sorgten, dass Gewalttätigkeiten unterblieben oder geahndet wurden. Winnemucca versprach zudem, den Weißen gegen Überfälle der Pit River Indianer und Washoe beizustehen.

Zu diesem Zeitpunkt lebten in den dünn besiedelten Regionen Nevadas etwas über 6.000 Paiute, ein Machtfaktor also, den man nicht so einfach zur Seite schieben konnte, wenn man, so wie die Regierung in Washington, daran interessiert war, gewisse wirtschaftliche Expansionen wie den Pony Express im Land zu etablieren.

Daher wurde der Vertrag ungewöhnlich rasch ratifiziert.

Das anfänglich gute Verhältnis änderte sich jedoch schnell, als den Paiute ein Mord angelastet wurde, den sie nicht begangen hatten. Es handelte sich dabei um zwei Miner, die man mit mehreren Pfeilen im Körper tot in der Nähe der Comstock Lode von Washoe tot aufgefunden hatte. Den Männern fehlten sämtliche Wertsachen, nicht aber Ausrüstung, Proviant und Werkzeuge, die für jeden Paiute viel wertvoller gewesen wären als das Geld. Die Täter waren betrunkene Washoe, die das Geld in den umliegenden Siedlungen sofort in Alkohol umsetzten. Aber das interessierte niemanden, die Täter waren Indianer und damit waren die Paiute die Hauptverdächtigen. Ein Umstand, der hauptsächlich daher rührte, dass die Siedler die Mitglieder der einzelnen Indianerstämme voneinander nicht unterscheiden konnten.

Der extrem harte Winter 1859/1860 tat ein Übriges dazu.

Als schließlich im Januar 1860 einige Paiute-Krieger aus Frust, Hunger und Verzweiflung heraus am Willow Creek den Farmer Dexter Demig töteten, eskalierte die Lage.

Isaac Roop, der Gouverneur des Nevada-Territoriums, setzte sofort ein Kommando von Rangern unter dem Befehl von Lieutenant J. W. Tutt in Marsch.

Die ganze Sache endete aber ähnlich wie das Hornberger Schießen. Die Paiute ließen ihren Gegner in dem unwirtlichen Land ins Leere laufen, und so kehrten die Ranger schließlich wieder unverrichteter Dinge zurück.

Im April 1860 trat am Pyramid Lake ein Paiute-Stammesrat zusammen.

Die weißen Siedler waren inzwischen in die besten Jagdgründe des Stammes vorgedrungen, hatten das Wild vertrieben, Hütten gebaut und, was noch viel schlimmer wog, Tausende von Pinon-Nussbäumen gefällt, die zu den wichtigsten Nahrungsmitteln der Paiute zählten. Dies führte dazu, dass bis auf Numaga alle anderen anwesenden Häuptlinge zum Krieg gegen die verhassten Weißen aufriefen.

Bei der Versammlung waren auch ein Shoshonen-Häuptling und ein Bannock-Halbblut mit dem Namen Mogoannoga zugegen. Beide, den endlosen Debatten überdrüssig, verließen den Versammlungsort mit ihren Gefolgsleuten recht bald und überfielen am 7. Mai 1860 die Pony-Express-Station der Gebrüder Williams.

Sie töteten David und Oscar Williams, James Fleming und Dutch Phil, zwei Männer, die sich ebenfalls im Stationsgebäude befanden, und Samuel Sullivan, den Stallgehilfen, als dieser zu fliehen versuchte. Danach brannten sie die Station bis auf die Grundmauern nieder.

Am Morgen des 8. Mai kehrte J. O. Williams zu seiner niedergebrannten Station zurück, fand die Toten und flüchtete nach Virginia City. Kurz darauf sprengten von dort aus Kuriere in alle Himmelsrichtungen, um die anderen Siedlungen zu warnen.

In der Zwischenzeit wurden am Honey Lake und am Truckee River weitere zehn weiße Männer von den Indianern getötet.

Inzwischen hatte es sich herausgestellt, dass die Angriffe und das Morden keinesfalls willkürlich erfolgt waren.

David und Oscar Williams hatten zwei junge Paiute-Frauen in der Nähe der Station aufgegriffen, sie verschleppt und gemeinsam mit den anderen mehrere Tage lang missbraucht.

Die Rückkehr der siegreichen Krieger in das Paiute-Lager am Pyramid Lake und ihr Bericht über die tatsächlichen Ereignisse gaben den Ausschlag für einen ebenso kurzen wie heftigen Krieg, der den Staat Nevada kurzzeitig an den Rand seiner Existenz brachte.

 

***

 

Unter dem Eindruck des Geschehens entstand in den Städten Virginia City, Genoa, Carson City und Golden Hill innerhalb kürzester Zeit eine Bürgermiliz, die über 100 Mann stark war. Allerdings gab es weder eine Kommandostruktur noch klare Ziele über das Vorgehen, sondern nur die wütende Entschlossenheit, die Paiute für ihre Taten zu bestrafen.

Unter der Führung von Mayor William Ormsby, einem Mann, der Siedler, Prospektor und Hotelbesitzer war und sich den Mayortitel nur dadurch verdient hatte, dass er bei Aufmärschen der Staatenmiliz und diverser Bürgerwehren zugegen war, preschten die Männer wie ein Schwarm wütender Hornissen ins Indianerland.

Ohne Späher und ohne schlüssigen Plan war das Unternehmen bereits von Beginn an dem Untergang geweiht.

Und so kam es, wie es kommen musste.

Die Paiute, diese nach Wurzeln grabenden, Beeren sammelnden und Kaninchen jagenden Steinzeitmenschen brachten den weißen Eindringlingen eine der bittersten Niederlagen in der Historie der Indianerkriege bei.

Als sich Ormsbys Männer einer Dampfwalze gleich dem Indianerlager näherten, das sich am südlichen Ende des Pyramid Lakes in einer von Felsen umschlossenen Niederung befand, wurden sie bereits erwartet. Die Indianer hatten im dichten Strauchwerk der umliegenden Hänge und Felsen längst Stellung bezogen.

Keiner aus der Bürgerwehr dachte daran, dass die Paiute außer Jäger und Sammler sehr wohl auch stolze Krieger waren.

Als die Miliz das Indianerlager vor sich auftauchen sah und mit Hurra darauf zuritt, war es längst zu spät. Die Männer wurden vom Lager und den Hängen aus von einem wahren Pfeilhagel empfangen und ritten, als sie versuchten, den Weg, den sie gekommen waren, zurückzureiten, bereits in den nächsten.

Ormsby wurde von den Pfeilen in Arme, Beine und Mund getroffen. Als sein Pferd unter ihm zusammenbrach, erschlugen die Indianer den selbsternannten Offizier, der hilflos wie ein Käfer auf dem Rücken lag.

Danach brach die ohnehin kaum erkennbare Ordnung der Miliz völlig zusammen.

Die Männer kämpften nicht mehr, sondern flüchteten.

26 von ihnen starben beim ersten Angriff der Indianer, weitere 20 während der Flucht.

Dutzende von Siedlern, Pony-Express-Stationen und einsam gelegene Gehöfte wurden im Sog der Schlacht am Pyramid Lake von der Landkarte gefegt.

Nevada befand sich im Ausnahmezustand.

Dass die Lage nicht vollständig eskalierte, hatten die Bewohner des Landes nur einem Colonel namens John C. Hays zu verdanken, der ihnen mit 200 regulären Soldaten und 600 Freiwilligen von Kalifornien aus zu Hilfe kam.

Doch auch er musste trotz der Stärke seiner Truppe bereits bei den ersten Kampfhandlungen einsehen, dass die Paiute mehr als nur ebenbürtige Gegner waren.

Das erste Zusammentreffen in der Nähe der unseligen Williams Station endete unentschieden. Die Soldaten hatten zwei, die Indianer sechs Tote zu beklagen.

Inzwischen hatte Winnemucca, der von Anfang an gegen den Krieg war, erkannt, dass sich das Blatt zu wenden drohte. Geschickt nahm er den Großteil der Paiute-Krieger aus dem Feldzug zurück. Er hatte eingesehen, dass sie weder die Siedler vertreiben noch einen Vorteil aus ihren bisherigen Siegen ziehen konnten.

Dieser Krieg kannte nur Verlierer.

Nachdem Hays an der Mündung des Carson Flusses Fort Churchill errichtete und damit das Land kontrollierte, gaben die Paiute den Kampf auf.

Gleichzeitig stellte die Armee ihre Bemühungen ein, die Kampfhandlungen fortzusetzen.

Eine Tatsache, die wohl auch dem Beginn des amerikanischen Bürgerkrieges geschuldet war.

Jedenfalls dürfen sich die Paiute noch heute damit brüsten, einen Krieg mit den weißen Eindringlingen und der US-Armee wesentlich besser überstanden zu haben als ihre berühmteren Vettern. Die Schlacht am Pyramid Lake wird zwar nie die Berühmtheit von Little Big Horn, Sand Creek oder Adobe Walls erreichen, aber sie hat diesen eine entscheidende Sache voraus.

Mit den oben erwähnten Schlachten wurde das unabdingbare Ende der beteiligten Indianerstämme eingeleitet. Nicht so bei den Paiute. Es gibt heute noch keinen umfassenden Friedensvertrag. Ein Umstand, auf den die immer als verächtlich bezeichneten Wurzel- und Beerensammler zu recht stolz sein können.

Dass von einem der ihren, gemeint ist Wovoka, der Sohn von Tavibo dem Propheten, die bis heute noch berühmte Geistertanzbewegung ausging, sei nur am Rande erwähnt.

Numaga und Winnemucca traten noch einmal während des sogenannten Snake War 1864 bis 1868 in Erscheinung, und auch dabei machte die Armee alles andere als eine glückliche Figur.

Aber die Paiute vollbrachten auch auf anderen Ebenen Dinge, die man nicht vergessen sollte. So war es zum Beispiel Sarah Winnemucca, die Tochter des Häuptlings Winnemucca, die sich dafür einsetzte, den Indianern die US-Staatsbürgerschaft zu geben, was 1924 tatsächlich erfolgte.

Damit ist wohl klar, warum es die Paiute mehr als verdient haben, nicht in Vergessenheit zu geraten.

In diesem Sinne,

euer Slaterman

Quellenangaben:

  • Dietmar Kügler: Pony Express. Verlag für Amerikanistik. 1997
  • Archiv des Autors
  • Joachim Hack: Das große Buch der Indianer. Edition Lempertz, Berlin. 2002
  • www.utahpaiutes.org