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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der bayerische Hiesel – Teil 21

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Das Schätzchen in der Mühle

Auf seinen einsamen Streifzügen in den Wäldern hatte Hiesel einst in der Nähe einer Mühle, die an einem rauschenden Wildbach in schauerlicher Öde lag, ein schönes Mädchen, namens Therese, getroffen, die eben beschäftigt war, Haselnüsse zu sammeln.

Er fand Gefallen an dem schönen Mädchen, erfuhr, dass sie die einzige Tochter des Müllers sei, und erst 17 Jahre zähle.

Die liebe Unschuld sprach aus dem holden Kind, und er fand Vergnügen daran, länger in ihrer Nähe zu verweilen. Die höher stehenden Zweige der Haselnussstaude, welche mit Nüssen ganz bedeckt waren, zog ihr der schlanke Hiesel herab, um ihr das Pflücken zu erleichtern. Da entspann sich zwischen beiden folgendes Gespräch.

»Warum gehst du denn so allein in den Wald, Therese? Fürchtest du dich nicht, da es in der ganzen Gegend nicht sicher ist?«

»Warum sollte ich mich fürchten? Ich tune niemand etwas zu leide. Also wird mir wohl auch niemand etwas Böses antun.«

»An deiner Stelle hätte ich doch vom Liebhaber mich begleiten lassen.«

»Ich habe keinen Liebhaber.«

»Wie«, du hast keinen Liebhaber?«

»Gewiss nicht, der Herr darf mir’s glauben!«

»Das ist recht schade!«

»O gar nicht! Mein Vater sagt, wenn’s Zeit ist für mich, zu heiraten, so wolle er mir schon einen braven Mann verschaffen. Einen Liebhaber brauche ich nicht.«

»Der Vater hat recht. Ich wollt’, ich könnte dein Mann werden. Aber nicht wahr, Therese, du möchtest mich nicht?«

Therese lachte heimlich und bückte sich nach Nüssen, um ihre Verlegenheit zu verbergen.

»Du lachst mich aus?«

»O nein, das wäre nicht schön! Aber ich muss nur lachen, dass mich der Herr heiraten möchte, und sieht mich doch heute zum ersten Mal in meinem Leben.«

»Wer dich auch nur einmal gesehen hat, muss dich lieben. Du bist so hübsch und hast ein so gutes Gesicht, dass man dir gleich vertrauen kann.«

»Hübsch bin ich nicht viel, aber gut, ja, gut bin ich schon und habe ein reines Gewissen. O lieber Herr, ein reines Gewissen geht doch über alles!« Diese Worte, so voll Überzeugung , so herzlich ausgesprochen, drangen wie Dolchspitze in Hiesels Seele. Er fühlte die Last eines bösen Gewissens nun eben so sehr wie Therese die Wonne einer schuldlosen Seele.

Hiesel seufzte tief auf.

»Warum seufzt der Herr?«

»Weil ich fühle, wie hart es ist, dich nicht zu besitzen. Therese, könntest du mich lieben?«

»Da muss der Herr meinen Vater fragen. Der kann’s ihm aufs Haar sagen. Und sagt er ja, so sag’ ich gewiss nicht nein.«

»Gutes, liebes Mädchen!«

»Mit Erlaubnis, was ist denn eigentlich der Herr?«

»Herrschaftlicher Förster, liebes Kind. Ich könnte eine Frau wohl ernähren.«

»Wozu ist denn der schrecklich große Hund?«

»Mit diesem Hund will ich den bayerischen Hiesel fangen.«

»Tu er das nicht, ich bitte ihn recht herzlich, tu er das nicht!«

»Warum denn nicht?«

»Weil ich Mitleid mit dem Hiesel habe. Wenn er auch recht schlimm mit den Jägern umgeht, so soll er doch ein gutes Herz haben und uns Mädchen stets in Ehren halten. Tu er also dem Hiesel nichts, lieber Herr, ich könnte ihm sonst nicht mehr gut sein.«

»Wohlan, dir zu liebe, will ich den Hiesel nicht fangen. Ich werde dich nächstens auf deiner Mühle besuchen. Dann wollen wir das Weitere miteinander verabreden. Zum Unterpfand, dass du mir gut bist, musst du mir einen Kuss geben.«

»Recht gerne. Einen Kuss in Ehren kann niemand verwehren.«

Hiesel schied mit schwerem Herzen von Therese.

 

***

 

Die Liebe eines tugendhaften, hübschen Mädchens kann die leichtfertigsten Menschen zur Besserung führen, und wir haben davon überall Beispiele. Daher trachten auch viele Eltern, ihre Söhne, wenn sie merken, dass sie ein lockeres Leben zu führen anfangen, gleich zu verheiraten, und suchen ihnen reiche Mädchen aus, um ihnen eine angenehme, sorgenlose Zukunft zu bereiten. Allein so wahr es ist, dass die frei aus dem Herzen kommende Liebe auf das verkehrte Gemüt wohltätig wirken kann, und gewöhnlich so wirkt. Ebenso selten ist die nämliche Wirkung von den gemachten Ehen zu hoffen, wobei das Herz nicht befragt wird, sondern nur das Interesse, die Habsucht. Eltern sollten diese Bemerkung wohl berücksichtigen und das Glück ihrer Kinder nicht gerade durch jene Mittel untergraben, wodurch sie es zu gründen glauben.

Selbst Hiesels bereits an Blut gewöhntes Herz war noch nicht gegen die angeborenen Gefühle des Menschen verschlossen und noch nicht so verhärtet, dass nicht der Anblick der Unschuld seine starke Seele erschüttert hätte. Zum zweiten Mal lag es in seinem Willen, dem wilden Leben in Waldesnacht zu entsagen, und mit Therese in irgendeinem fremden Land ein gebessertes Leben zu führen. Allein sein Schicksal, das heißt, das Übergewicht der Leidenschaft, riss ihn unaufhaltsam seinem Verderben zu.