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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Marone – Obrigkeit und Marone

Der-Marone-Zweites-BuchThomas Mayne Reid
Der Marone – Zweites Buch
Kapitel 14

Obrigkeit und Marone

»Nun, junger Mann«, begann der Custos mit leutseligem, mildem Ton, »wenn ich nicht irre, seid Ihr einer von den Trelawney-Maronen?«

»Ja, Euer Gnaden«, antwortete Cubina einfach.

»Der Hauptmann einer Ortschaft, nicht wahr?«

»Nur von wenigen Familien, Euer Gnaden. Unsere Niederlassung ist nur sehr klein.«

»Und Euer Name?«

»Cubina?«

»Ah, den Namen habe ich schon gehört«, sagte der Custos. »Ich meine«, fügte er mit bedeutungsvollem Lächeln hinzu, »wir haben hier auf der Pflanzung ein junges Mädchen, die Euch kennt?«

Cubina errötete, als er die Frage stammelnd bejahte.

»Oh! Da ist alles in Ordnung«, sagte der Custos ermunternd. »Solange man nichts Unrechtes beabsichtigt, ist auch nichts Unrechtes getan. Herr Trusty sagte mir, Ihr hättet ein Geschäft mit mir. Hat es hierauf Bezug?«

»Worauf, Euer Gnaden?«, fragte der Marone, ein wenig über die ihm unerwartete Frage verwundert.

»Auf Eure Geliebte?«

»Meine Geliebte, Euer Gnaden?«

»Ja, Yola! Ist sie nicht Eure Geliebte?«

»Jawohl, Herr Vaughan«, versetzte der Marone, »ich will durchaus nicht leugnen, dass einiges zwischen mir und dem jungen Mädchen vorgegangen sei, aber das war es eigentlich nicht, worüber ich mit Ihnen reden wollte, obgleich nun, da ich jetzt einmal hier bin, es mir gar nicht unlieb wäre, auch hierüber mich auszusprechen, wenn es Euer Gnaden angenehm ist.«

»Ganz wohl, Hauptmann Cubina. Ich bin bereit, zu hören, was Ihr zu sagen habt.«

»Nun denn, Euer Gnaden, es ist wahr, ich möchte Yola gern kaufen.«

»Was, Eure eigene Geliebte kaufen?«

»Ja, gewiss, Euer Gnaden. Natürlich, sobald sie mein ist, gebe ich sie frei.«

»Das heißt, Ihr wollt die Fesseln, die sie nun trägt, in Ehefesseln verwandeln? Ha! Ha! Ha! Ist es so, Cubina?« Und der Custos lachte herzlich über diesen Einfall.

»Etwas der Art wohl, Euer Gnaden, erwiderte Cubina, in des würdigen Magistrates Spaß eingehend.

»Und glaubt Ihr wirklich, dass Yola wünscht, Frau Cubina zu werden?«

»Wenn ich nicht so glaubte, Euer Gnaden, so würde ich schwerlich den Vorschlag machen, sie zu kaufen, wenn sie nicht damit einverstanden wäre.«

»Also ist sie bereits damit einverstanden?«

»Ich glaube so, Euer Gnaden. Nicht, weil sie ihre jetzige junge Herrin nicht lieb hätte, Euer Gnaden, aber …«

»Aber, da ist noch ein anderer, den sie noch lieber hat, als ihre Herrin und das seid Ihr wohl selbst, werter Cubina?«

»Ja, Sie sehen, Gnaden, das ist eine ganz verschiedene Art von Liebhaben, und …«

»Wohl wahr, wohl wahr!«, unterbrach Herr Vaughan ihn, als wünsche er das Ende herbeizuführen, wenigstens über diesen Gegenstand. »Nun, Hauptmann Cubina«, fügte er hinzu, »vorausgesetzt, ich wollte mich von Yola trennen, wie viel könntet Ihr wohl für sie aufwenden? Ich willige aber damit noch gar nicht ein, denn zu allererst gehört das Mädchen meiner Tochter und sie hat hierüber unbedingt ein Wort mitzureden.«

»Ah! Herr!«, rief Cubina sanft und zuversichtlich aus, »Fräulein Vaughan ist gut und edelmütig, so habe ich oft sagen hören. Ich bin überzeugt, sie wird Yolas Glück niemals im Wege sein.«

»Glaubt Ihr denn gewiss, es würde Yola glücklich machen, wirklich?«

»Ich hoffe es, Euer Gnaden«, antwortete der Marone, bescheiden die Augen niederschlagend.

»Vor allem«, sagte der Pflanzer, »würde das eine reine Geschäftssache sein. Meine Tochter, wenn sie es auch wünschte, könnte das Mädchen doch nicht unter dem Marktpreis fortgeben, der bei Yola schon ein sehr hoher sein würde. Wie viel glaubt Ihr wohl, dass mir für das Mädchen geboten worden ist?«

»Ich habe von zweihundert Pfund gehört, Euer Gnaden.«

»Ganz richtig, und ich schlug das hohe Gebot aus.«

»Aber vielleicht, Herr Vaughan, würden Sie es einem anderen nicht abgeschlagen haben, zum Beispiel mir?«

»Das weiß ich noch nicht! Aber könnt Ihr die hohe Summe aufbringen?«

»Jetzt gerade nicht, Euer Gnaden. Leider könnte ich es nicht. Ich hatte bereits an hundert Pfund zusammengekratzt und gescharrt, in der Meinung, das würde genug sein, als ich zum größten Schrecken erfuhr, ich hätte erst die Hälfte. Doch, wenn Euer Gnaden mir nur einige Zeit lassen wollen, so hoffe ich, ich werde in ein paar Monaten wohl die andern hundert zusammenbringen und dann …«

»Dann, werter Hauptmann, wird es Zeit sein, über Yolas Kauf zu reden. Einstweilen kann ich auch nur Versprechen, dass sie an weiter keinen anderen verkauft werden soll. Seid Ihr damit zufrieden?«

»Dank, vielen Dank, Euer Gnaden! Es ist sehr gütig von Ihnen, Herr Vaughan. Ich werde Ihnen stets dankbar sein. So lange, wie Yola …«

»Yola wird bei meiner Tochter ganz sicher sein. Aber nun, mein junger Freund, da Ihr gesagt habt, dies sei nicht das eigentliche Geschäft, das Euch hergeführt hat, so habt Ihr noch ein anderes. Bitte, lasst mich jetzt hören, was es ist.«

Als der Custos dieses Gesuch stellte, setzte er sich, um noch aufmerksamer wie bisher zuhören zu können.

»Ganz wohl, Euer Gnaden!«, begann Cubina. »Ich kam eigentlich, um Sie in einer Angelegenheit um Rat zu fragen, die ich mit Herrn Jessuron habe, dem Koppelhalter, Ihrem Nachbarn.«

Herr Vaughan wurde noch viel aufmerksamer.

»Worum handelt es sich?«, fragte er kurz, damit kein Umschweif den Redner von seiner freiwilligen Erklärung abziehen möge.

»Es ist eine böse Angelegenheit, Euer Gnaden, und ich würde vielleicht gar nicht davon reden, wenn der arme junge Mann, der aller seiner Rechte aufs Schändlichste beraubt worden ist, nicht zufällig der Bruder von Yola selbst wäre. Es ist eine durchaus seltsame Geschichte, und wäre es nicht der alte Jude, der es getan hat, man möchte es kaum glauben.«

»Nun, was denn? Sprecht doch deutlich, mein Freund.«

»Ganz wohl, Euer Gnaden. Wenn Sie Geduld haben wollen, mich, anzuhören, so will ich Ihnen die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählen, das heißt, so weit, wie sie jetzt spielt, denn noch ist sie nicht zu Ende.«

»Nur immer zu!«, befahl der Custos. »Ich will geduldig zuhören. Und habt keine Angst, Hauptmann Cubina!«, fügte er ermunternd hinzu. »Erzählt mir alles, was Ihr wisst, jeden Umstand. Ist es ein Rechtsfall, so verspreche ich Euch, das Recht soll zur Geltung kommen.«

Und mit dieser, allen obrigkeitlichen Personen eigenen Belanglosigkeit nahm der Custos wieder seine vorige Haltung großer Aufmerksamkeit an.

»Ich will nichts verschweigen, Euer Gnaden, mag es mir Unannehmlichkeiten verursachen oder nicht. Ich will Ihnen alles erzählen, wenigstens alles, was zu meiner Kenntnis gekommen ist.«

Mit diesem Vorbehalt begann der Maronenhauptmann die sämtlichen, mit der Gefangennahme des Flüchtlings in Verbindung stehenden Umstände genau zu erzählen, die merkwürdige Begegnung des Bruders und der Schwester und ihre gegenseitige Wiedererkennung. Dann wurden die Eröffnungen des jungen Fellah selbst mitgeteilt, wie er ein afrikanischer Fürst war, wie er ausgesandt wurde, um seine Schwester aufzusuchen, die mitgebrachte Auslösung, seine Landung vom Schiff, wo er vom Captain Jowler der Sorge Jessurons übergeben worden war, die Behandlung und die Verräterei des Juden, das Brennen seiner Person und der Raub all seines Eigentums, seine Flucht aus der Koppel, seine bereits vorher erzählte Gefangennahme durch Cubina und endlich seine Zurückhaltung durch diesen, trotz verschiedener, von dem Juden gesandter Botschaften und Drohungen, den Mann herauszugeben.

»Gut!«, schrie Loftus Vaughan, vom Stuhl aufspringend und augenscheinlich über die von dem Maronen in höchst dramatischer Weise vorgetragene Erzählung erfreut. »Ein Melodrama, wahrhaftig! Dem nur ein Akt zur Vollendung fehlt. Ich habe große Lust, an dem Schauspiele tätigen Anteil zu nehmen, bevor es zu Ende geht. Hoho!«, rief er dann aus, als ergriffe ihn plötzlich ein besonderer Gedanke. »Das erklärt es auch, warum der alte Schurke das Mädchen kaufen wollte, obwohl ich seine Absicht hierbei nicht ganz begreife. Das wird sich aber auch aufklären.«

Dann veränderte er seine halb für sich gesprochene Redeweise und wandte sich wiederum an den Maronen.

»Vierundzwanzig Mandingos, sagt Ihr, vierundzwanzig gehörten dem Fürsten?«

»Ja, Euer Gnaden. Zwanzig wirkliche Sklaven und noch vier andere, die seine persönlichen Diener waren. Es waren noch viel mehr Sklaven da, aber die waren das gesetzmäßige Eigentum des Schiffkapitäns für seine Überfahrt.«

»Und die wurden alle zu der Judenkoppel gebracht?«

»Alle zusammen mit den anderen. Die ganze Ladung kam dahin, der Jude kaufte alles. Es waren auch einige Koromantis darunter, und einer von meinen Leuten, Quaco, der mit diesen gesprochen hatte, hörte genug, um des jungen Mannes Erzählung vollkommen zu bestätigen.«

»Ha! Wie schade nur, dass Schwarze gar kein Zeugnis ablegen können! Alle ihre Aussagen haben gar keinen Wert. Aber ich will zusehen, was ohne sie zu machen ist. Nannte Euer Prinz bestimmt den Namen des Schiffskapitäns, der ihn übers Meer brachte?«, fragte der Custos nach kurzem Nachsinnen.

»O ja, Euer Gnaden, Jowler ist sein Name. Er fährt immer nach Gambia, wo des Fürsten Vater lebt. Der junge Fellah kennt ihn ganz gut.«

»Ich glaube, ich weiß auch etwas von ihm, von demselben Jowler. Ich möchte ihn gern noch wegen etwas anderem fassen, den wertvollen Ausreißer! Aber großen Vorteil würde es doch nicht gewähren, wenn wir ihn auch wirklich hätten. Die zwei haben zweifelsohne bei dem Geschäft gemeinschaftlich gewirkt und die ganze Sache ist zwischen ihnen abgekartet. – Hum, hum! Was ist da zu tun, um einen weißen Zeugen anzuschaffen?«, fuhr der Custos fort, mehr zu sich selbst, als zu seinem Besucher redend. »Das, fürchte ich, wird eine verhängnisvolle Schwierigkeit sein. Halt! Ravener, Jessurons Aufseher, sagt Ihr, war bei der Landung der Schiffsladung zugegen?«

»O ja, Euer Gnaden! Der würdige Mann nahm an der ganzen Sache einen sehr tätigen Anteil. Er war es, der den Fürsten aller seiner Kleider beraubte und ihm alle seine Juwelen fortnahm.«

»Auch Juwelen?«

»Caramba! Ja gewiss! Er besaß viele, sehr wertvolle Sachen!«

»Das ist Raub! Wahrhaftig, offener, großartiger Raub! Nun wohl, Hauptmann Cubina!«, fuhr der Custos fort und erhob seine Stimme zu einem mehr geschäftsmäßigen, wichtigen Ton. »Ich verspreche Euch, dass dies nicht so ruhig hingehen soll. Freilich sehe ich noch nicht recht ein, wie es richtig anzufangen ist, denn bei derartigen gerichtlichen Verfolgungen sind immer viele Schwierigkeiten. Wir werden große Mühe mit den Zeugen haben, vorzüglich, da Jessuron selbst eine obrigkeitliche Person ist. Aber das soll alles nichts ausmachen. Gerechtigkeit soll hier Platz greifen, selbst wenn er der Höchste im ganzen Land wäre. Aber für den Augenblick kann eigentlich nichts getan werden, denn einen Monat dauert es noch, bis das Geschworenengericht zu Havanna zusammentritt, und dahin müssen wir uns mit dieser Sache wenden. Unterdessen aber kein Wort zu  jemandem sagen, nicht ein leises Wörtchen von allem, was Ihr wisst!«

»Das verspreche ich, Euer Gnaden.«

»Den Fellah müsst Ihr behalten, wo Ihr ihn habt. Um keinen Preis liefert Ihr ihn aus. Ich werde zusehen, dass Ihr darin beschützt werdet, ihn zu behalten. Es ist übrigens gar nicht wahrscheinlich, dass der Jude es mit Euch aufs Äußerste kommen lassen wird. Doch, er hat ein Glashaus über seinem Kopf und wir sind in der Lage, Steine darauf werfen zu können. So habt auch Ihr nicht gerade viel zu fürchten. Und nun, junger Mann«, fügte der Custos hinzu und schlug einen Ton an, der zeigen sollte, wie freundlich er gegen den gesonnen war, der ihm so angenehme Nachrichten mitgeteilt hatte, »wenn alles gut geht, werdet Ihr keine große Schwierigkeit haben, die hundert Pfund für den Kauf Eurer Geliebten vollzumachen. Das bedenkt wohl!«

»Danke vielmals, geehrter Herr Custos!«, sagte Cubina, sich freundlich vorbeugend. »Ich verlasse mich ganz auf Ihr Versprechen.«

»Das tut nur. Und jetzt geht ruhig nach Hause und wartet, bis ich nach Euch schicke. Morgen will ich mit meinem Anwalt reden. Vielleicht haben wir Euch bald nötig.«

Und Loftus Vaughan sprach am nächsten Tage schon mit seinem Anwalt. Das war sein Geschäft in Montego Bay an jenem Tag, als Smythje so unglücklich in den trockenen Baum fiel.