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Indianische Sagen von der Nordpazifischen Küste Amerikas Teil 5

Indianische-Sagen-von-der-Nord-Pazifischen-Kueste-AmerikasFranz Boas
Indianische Sagen von der Nordpazifischen Küste Amerikas
Sonderabdruck aus den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 1891 bis 1895
Berlin. Verlag von A. Asher & Co. 1895

I. Sagen der Shushwap. Gesammelt in Kamloops.

5. Die Moschusratte

Tsatl hatte einen Enkel, die Moschusratte. In demselben Dorf, in dem sie wohnten, lebte auch ein Häuptling, der hatte eine sehr schöne Tochter. Jeder wollte sie heiraten, und auch die Moschusratte wünschte sie zu haben. Sie war aber sehr hässlich, und alle Mädchen verspotteten sie. Das Mädchen war gerade mannbar geworden und wohnte noch in ihrem Häuschen. Eines Tages, als die Moschusratte um das Häuschen herumstrich, hörte sie das Mädchen singen: »Die Moschusratte hat kleine Äuglein. Ihr Schwanz ist platt und ihre Beine krumm. Ihr Bauch ist dick!« Kurz, sie verspottete die hässliche Gestalt der Ratte. Da beschloss diese, sich zu rächen. Sie ging nach Hause und machte sich Schneeschuhe, wie alle möglichen Stämme dieselben gebrauchen. Dann machte sie sich Pfeile von allen möglichen Stämmen. Als es Nacht wurde, legte sie nacheinander die Schneeschuhe an und lief um die Hütte herum, in der das Mädchen war. Dann nahm sie Bogen und Pfeile und erschoss sie mit all den Pfeilen. Die Mutter des Mädchens sandte am nächsten Morgen ihre jüngste Tochter Tska’noya (ein wenig töricht) zu ihrer Schwester, ihr Feuer zu bringen. Die Kleine ging zur Hütte, rief ihre Schwester, erhielt aber keine Antwort. Da öffnete sie die Tür und sah nun ihre Schwester von vielen Pfeilen durchbohrt daliegen. Sie lief zu ihrer Mutter und erzählte ihr, was sie gesehen hatte. Da liefen alle Leute zusammen. Sie sahen nun die Spuren der Schneeschuhe der feindlichen Stämme und erkannten deren Pfeile. Daher glaubten sie, diese hätten einen Überfall gemacht und das Mädchen getötet. Sie brachten den Leichnam ins Haus und riefen die Krankenbeschwörer, um zu versuchen, sie zu heilen. Doch all ihre Versuche waren vergeblich. Endlich riefen sie die Moschusratte, die bei ihrem Feuer lag und schlief. Sie hatte schon darauf gewartet und sich vorher viele Löcher am Ufer eines Sees gegraben. Sie ging ins Haus und fing gleich an zu tanzen und zu singen. Sie sang hē ōinē′ ōinē′ hē und kletterte die Leiter des Hauses hinauf. Dann kam sie wieder herunter und sprach: »Beinahe hätten die Geister etwas zu mir gesagt.«

Da riefen alle: »Tanz noch einmal.«

Sie sang wieder hē ōinē′ ōinē′ hē und kletterte die Leiter hinauf. Als sie wieder herunterkam, sprach sie wieder: »Beinahe hätten die Geister etwas zu mir gesagt.«

Sie tanzte zum dritten und vierten Male. Beim vierten Male kletterte sie die Leiter ganz hinauf und sang, als sie oben saß, hē ōinē′ ōinē′ hē. Ich habe das Mädchen getötet und rannte fort.

Da verfolgten alle Tiere sie: der Fuchs, der Hase, der Coyote, der Wolf und der Adler. Als sie die Ratte fast eingeholt hatten, sprang sie in den See. Coyote sprang ihr nach und glaubte sie gefasst zu haben. Es war aber nur ein Bündel Wasserpflanzen. Sie tauchte bald hier, bald da auf und schwamm bald zu diesem, bald zu jenem Loch und sang weiter: »Ich habe das Mädchen getötet.« Die Tiere konnten sie nicht fangen.