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Die Trapper in Arkansas – Band 3.8

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-3Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 3
Zweiter Teil – Waktehno – der, welcher tötet
Kapitel 11 – Die Gefangenen

Als die Rothäute und die Jäger das mexikanische Lager eingenommen hatten, waren die Räuber auf den Befehl ihres Hauptmannes nach allen Richtungen auseinandergestoben, um den Nachforschungen ihrer Feinde umso leichter zu entgehen.

Der Hauptmann und die vier Mann, welche den General und seinen schwarzen Diener trugen, die beide geknebelt und gebunden waren, eilten den Abhang hinunter, auf die Gefahr, sich in den Abgründen, die zu ihren Füßen lagen, zehn Mal den Hals zu brechen.

Als sie in einiger Entfernung waren und die herrschende Stille und noch mehr die überstandenen unglaublichen Schwierigkeiten sie etwas ruhiger gemacht hatten, hielten sie ein, um Atem zu schöpfen.

Es herrschte tiefes Dunkel rings umher. In ungeheurer Höhe über sich sahen sie die Fackeln der Jäger, welche sie suchten, wie bleiche Sterne blitzen, doch hüteten sich die Verfolger wohl, denselben Weg einzuschlagen.

»Glück auf«, sagte der Hauptmann. »Nun, Kinder, können wir uns ein wenig ausruhen, wir haben für jetzt, nichts zu befürchten. Setzt Eure Gefangenen nieder. Zwei von Euch mögen gehen, die nächste Umgebung zu rekognoszieren.«

Sein Befehl wurde vollzogen, wenige Minuten später kamen die Räuber zurück und meldeten, dass sie eine Höhle entdeckt hätten, die ihnen ein Obdach bieten würde.

»Teufel!«, sagte der Hauptmann, »da müssen wir hingehen.«

Er gab auch gleich selbst das Beispiel, und die anderen folgten ihm.

Bald gelangten sie zu einer Vertiefung, die ziemlich geräumig zu sein schien und noch einige Klafter tiefer gelegen war, als der Ort, wo sie zuerst waren.

Als sie sich in dem Versteck verborgen hatten, war es des Hauptmanns erste Sorge, den Eingang mittels einer Decke zu verschließen, was nicht schwer hielt, denn die Öffnung war ziemlich eng und die Räuber hatten sich bücken müssen, um eintreten zu können.

»So«, sagte der Hauptmann, »jetzt sind wir zu Hause und brauchen uns vor Zudringlichkeiten nicht zu fürchten.«

Er zog einen Feuerstahl aus der Tasche und brannte eine Fackel an, die er mit der Vorsicht, die Leute seines Schlages selbst in den kritischsten Lagen nicht verlässt, mitgenommen hatte.

Sobald sie die Gegenstände unterscheiden konnten, stießen die Räuber ein Freudengeschrei aus.

Was sie in der Dunkelheit für eine einfache Vertiefung gehalten hatten, war eine natürliche Höhle, wie man sie in jener Gegend findet.

»Was Tausend!«, sagte der Hauptmann, in sich hineinlachend, »ich muss mich doch umsehen, wo wir sind. Ihr anderen bleibt da und bewacht mir die Gefangenen sorgfältig. Ich will unseren neuen Besitz in Augenschein nehmen.«

Er brannte eine zweite Fackel an und untersuchte die Höhle.

Sie zog sich mit einer leisen Neigung nach unten in dem Berge hin. Die Seitenwände waren überall hoch und erweiterten sich an manchen Stellen so, dass sie eine Art kleiner Säle bildeten.

Die Luft schien von außen durch unmerkliche Ritze einzudringen, denn das Licht brannte hell, und der Hauptmann konnte ohne Schwierigkeiten atmen.

Je mehr der Pirat bei seinen Untersuchungen vordrang, je kühler wurde die Luft, woraus er schloss, dass er sich irgendeiner Öffnung näherte.

Schon war er zwanzig Minuten vorwärts gegangen, als ihm ein Windstoß ins Gesicht kam und die Flamme der Fackel hin und her trieb.

»Hm!«, murmelte er, »Hier ist eine Öffnung, hier gilt es, vorsichtig zu sein und das Licht auslöschen, denn man kann nicht wissen, wer einem draußen begegnen könnte.«

Er trat seine Fackel mit dem Fuß aus und blieb eine Zeit lang still stehen, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen.

Der Hauptmann war ein vorsichtiger Mann, der sein Räuberhandwerk gründlich verstand. Wenn der Plan, den er zum Angriff des Lagers entworfen hatte, misslungen war, so lag dies in einem Zusammentreffen ungewöhnlicher Umstände, die niemand hatten vorhersehen können.

Auch hatte er, nachdem der erste Ärger über sein Misslingen überwunden war, sich gut genug hineingefunden und sich damit getröstet, dass er sich bei der nächsten Gelegenheit revanchieren wolle.

Übrigens schien ihm das Glück wieder lächeln zu wollen, indem es ihm gerade in dem Augenblick, wo er dessen am dringendsten bedurfte, einen fast unzugänglichen Zufluchtsort bot.

Er wartete daher mit einem Gefühl der Hoffnung und unaussprechlicher Freude auf den Augenblick, wo sich seine Augen genug an die Dunkelheit gewöhnt haben würden, um die Gegenstände unterscheiden zu können und sich zu überzeugen, ob er wirklich einen Ausgang finden werde, der ihn zum Herrn einer fast uneinnehmbaren Stellung machen würde. Er fand sich in seiner Erwartung nicht getäuscht. Sobald die durch die Helligkeit des Lichtes verursacht gewesene Blindheit vorüber war, sah er in ziemlich großer Entfernung einen schwachen Schein vor sich. Er schritt mutig weiter und erreichte in wenigen Minuten den ersehnten Ausgang.

Das Glück war ihm entschieden wieder günstig. Der Ausgang führte an den Rand eines kleinen Baches, dessen Wasser sich in der Nähe der unterirdischen Höhle verlief, sodass die Räuber entweder schwimmend oder mit Hilfe eines Floßes aus- und eingehen konnten, ohne eine Spur zu hinterlassen und so allen Nachforschungen entgehen konnten.

Die Prärie des Westens war dem Hauptmann, der seit beinahe zehn Jahren sein ehrenwertes und einträgliches Gewerbe in derselben betrieb, zu gut bekannt, als dass er sich nicht bald hätte orientieren können und leicht gewusst hätte, wo er sich befand.

Er erkannte, dass der Fluss in ziemlich großer Entfernung vom mexikanischen Lager floss, von welchem ihn die unzähligen Kreuz- und Querzüge, die er gemacht hatte, ohnedies entfernt hatten. Er stieß einen Seufzer der Zufriedenheit aus, als er die Örtlichkeit genau erkannt hatte und sich sicher und außer Gefahr, entdeckt zu werden, wusste, zündete er seine Fackel wieder an und kehrte um.

Seine Gefährten waren, außer einem einzigen, der die Gefangenen bewachte, fest eingeschlafen.

Der Hauptmann weckte sie.

»Auf«, sagte er zu ihnen, »jetzt ist keine Zeit zum Schlafen, wir haben anderes zu tun.«

Die Räuber standen widerstrebend auf, rieben sich die Augen und gähnten aus vollem Hals.

Der Hauptmann befahl ihnen, erst das Loch, durch welches sie hereingekrochen waren, sorgfältig zu verstopfen. Dann mussten sie ihm mit den Gefangenen folgen, welchen man die Beine losgebunden hatte, damit sie gehen konnten.

Sie hielten in einem der zahlreichen Säle, welche der Hauptmann gefunden hatte, inne. Ein Mann wurde ausgewählt, der bei den Gefangenen, die man dort ließ, bleiben musste, und der Hauptmann drang mit den drei Übrigen tiefer in die Höhle ein.

»Ihr seht«, sagte er zu ihnen, indem er ihnen den Ausgang zeigte, »dass das Unglück zu etwas gut ist, denn der Zufall hat uns einen Zufluchtsort entdecken lassen, wo uns niemand suchen wird. Ihr, Franck, geht sogleich zu dem Ort, wo ich unsere Kameraden hinbeordert hatte. Ihr werdet sie herbringen sowie alle die Unsrigen, die an dem Unternehmen nicht teilgenommen haben. Du, Antonio, musst uns Lebensmittel beschaffen. Jetzt geht. Es ist unnötig, Euch zu sagen, dass ich Eure Rückkehr mit Ungeduld erwarte.«

Die zwei Räuber sprangen ohne Widerrede in das Wasser und verschwanden.

Der Hauptmann wandte sich nun zu dem noch Übrigen und sagte:

»Wir zwei, Gonzales, wollen Holz zusammensuchen, um Feuer anzubrennen und Laub, um uns ein Lager herzurichten. Schnell ans Werk!«

Eine Stunde später prasselte ein helles Feuer in der Höhle, und die Räuber lagen auf weichem Laub und schliefen.

Bei Sonnenaufgang langte der Rest der Truppe an. Sie waren noch dreißig Mann stark.

Dem würdigen Hauptmann ging das Herz auf vor Freude, als er die reiche Ansammlung von Spitzbuben erblickte, über die er noch zu verfügen hatte. Mit ihrer Hilfe glaubte er, die erlittene Niederlage nicht nur wiedergutmachen zu können, sondern auch sich blutig zu rächen.

Nach einem reichlichen, aus Wildbret mit einer guten Quantität Mezeal bestehenden Frühstück dachte der Hauptmann endlich an seine Gefangenen.

Er verfügte sich in den Raum, der ihnen als Gefängnis diente.

Der General war, seitdem er den Räubern in die Hände gefallen war, stumm geblieben und schien die schlechte Behandlung, die er zu ertragen hatte, nicht zu empfinden. Seine Wunden, die man gänzlich vernachlässigt hatte, waren in Entzündungen übergegangen und verursachten ihm fürchterliche Qualen, doch hörte man ihn nicht klagen.

Ein verzehrender Kummer nagte, seitdem er gefangen war, an seinem Herzen. Er sah das Ziel, welches ihn in die Prärie geführt hatte, ohne Hoffnung, es jemals erreichen zu können, entrückt.

Alle seine Gefährten waren tot. Er selbst wusste nicht, welches Schicksal seiner harre.

Das Einzige, was ihm in seinen Leiden einigen Trost gewährte, war, dass er die Gewissheit hatte, dass es seiner Nichte gelungen sei, zu fliehen.

Was war aber in jener Wildnis, in welcher man nur Raubtieren und Indianern, die noch grausamer sind als sie, begegnet, aus ihr geworden? Wie würde das junge Mädchen die Gefahren eines Lebens voll Entbehrungen ertragen?

Der Gedanke verstärkte seine Leiden.

Der Hauptmann erschrak über den Zustand, in welchem er ihn fand.

»Wohlan! General«, sagte er zu ihm, »nur Mut gefasst! Das Glück wechselt oft, davon weiß ich ein Lied zu singen. Zum Teufel, man muss nicht gleich verzweifeln. Niemand kann wissen, was ihm der nächste Morgen bringt! Geben Sie mir Ihr Ehrenwort, dass Sie nicht versuchen wollen, zu entkommen, und ich werde Ihnen sogleich den freien Gebrauch ihrer Glieder zurückgeben.«

»Das kann ich nicht versprechen«, antwortete der General bestimmt, »das wäre ein Meineid. Ich schwöre Ihnen im Gegenteil, dass ich alle möglichen Mittel anwenden werde, um zu fliehen.«

»Bravo! Das war gut geantwortet«, sagte der Pirat lachend, »ich hätte es an Ihrer Stelle ebenso gemacht. Nur glaube ich, dass es Ihnen jetzt beim besten Willen unmöglich sein würde, einen Schritt zu gehen. Deshalb werde ich ihnen, trotz dem, was Sie mir eben sagten, und Ihrem Diener die Freiheit Ihrer Glieder, wohlverstanden, geben.«

Er durchschnitt mit einem Hieb seiner Machete die Stricke, welche um die Arme des Generals gebunden waren. Dann erwies er Jupiter denselben Dienst. Dieser fing zu springen und zu lachen an, sobald er sich frei bewegen konnte, und zeigte dabei ein gewaltiges, blendend weißes Gebiss.

»Nun, seid artig, Schwarzer«, sagte der Räuber zu ihm, »bleibt ruhig hier, wenn Ihr nicht wünscht, eine Kugel vor den Kopf zu erhalten.«

»Ich werde nicht ohne meinen Herrn davonlaufen«, antwortete Jupiter und rollte seine großen, aufgerissenen Augen.

»So ist es recht«, erwiderte der Pirat hohnlachend, »das ist also abgemacht. Die Treue macht Euch Ehre, Schwarzer.«

Hierauf kehrte er zu dem Generale zurück, dessen Wunden er mit kaltem Wasser auswusch und sorgfältig verband. Dann ließ er den Gefangenen Speise vorsetzten, denen der Diener allein zusprach, und entfernte sich.

Ungefähr um die Mitte des Tages versammelte der Hauptmann die Angesehensten der Bande um sich.

»Caballeros«, redete er sie an, »es ist nicht zu leugnen, dass wir den ersten Einsatz verloren haben. Die Gefangenen, die wir mit uns genommen haben, ersetzen unsere Verluste bei Weitem nicht. Wir dürfen uns von einer Niederlage, die uns entehrt und lächerlich macht, nicht abschrecken lassen. Ich will einen zweiten Einsatz wagen. Wenn ich dieses Mal nicht gewinne, habe ich entschiedenes Unglück. Bewacht die Gefangenen gut während meiner Abwesenheit. Beachtet ferner, was ich Euch zuletzt noch anempfehle. Wenn ich morgen um Mitternacht nicht frisch und wohlbehalten in Eurer Mitte bin, so werdet Ihr Viertel nach zwölf die Gefangenen ohne Gnade erschießen. Habt Ihr mich verstanden? Ohne Gnade.!«

»Seid unbesorgt, Hauptmann«, antwortete Franck im Namen seiner Kameraden. »Ihr könnt gehen, Eure Befehle sollen befolgt werden.«

»Ich verlasse mich darauf, besonders aber erschießt die Gefangenen keine Minute früher oder später.«

»Es soll pünktlich geschehen.«

»Das ist also abgemacht, nun lebt wohl, erwartet meine Rückkehr nicht gar zu ungeduldig.« Hierauf verließ der Hauptmann die Höhle, um sich zu Treuherz zu begeben.

Wir wissen bereits, welches Geschäft der Räuber mit dem Trapper abgeschlossen hatte.