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Der Welt-Detektiv Band 6

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Rübezahl – Der große Holzknecht

Rübezahl
Der Berggeist des Riesengebirges
Sagen und Schwänke neu erzählt nach R. Münchgesang
Der große Holzknecht

Der Winter hatte sich zeitig eingestellt und brachte gewaltige Schneemassen und bittere Kälte. Da besah ein armer Bauer seinen Holzvorrat und sagte zu seiner Frau.

»Es hilft nichts, ich muss auf den Berg, um Holz zu schlagen, denn was wir hier haben, reicht keine Woche mehr, und der Winter ist noch lang.«

Da antwortete die Frau: »Du wirst aber mit dem Schlitten da oben deine liebe Not haben, denn das Wetter schlägt um, und es taut allerwärts.«

»Ich will’s probieren«, antwortete er und ging.

Wirklich hatte sich der Wind launisch gewendet, der Schnee schmolz mit Macht, und die schwarze, erweichte Erde kam zum Vorschein. Dennoch schaffte der Bauer fleißig, bis sein Schlitten hoch beladen war. Das reichte nun für lange Zeit. Stundenlang hatte er sich brav abgemüht, aber jetzt hieß es die gewaltige Last zu Tal befördern, denn der kurze Wintertag neigte sich bereits seinem Ende zu. Der Bauer griff frisch zu, um den stark befrachteten Schlitten hinabzubringen. Bald zog er vorn, bald stemmte er von hinten, aber nach ein paar Schritten fuhren sich die Kufen fest, sodass der fleißige Mann nicht sah, wie er heimkommen sollte. Als er nun so betrübt dastand und keinen Rat wusste, kam Rübezahl daher, sah aus wie ein Holzknecht, hatte auch einen schönen Schlitten voll geschlagenen Brennholzes, der noch schwerer beladen war als der des Bauern.

»Nun, Mann, es wird Zeit heimzufahren«, sagte Rübezahl, »sonst kommt dir die Nacht auf den Hals.«

»Glaube wohl, guter Freund«, meinte jener. »Wenn ich nur wüsste, wie ich’s anfangen sollte, um vom Fleck zu kommen. Der Weg ist gar zu schlecht.«

»Dann wär’s wohl klug«, rief Rübezahl, »wenn wir die beiden Schlitten zusammenbänden. Ich ziehe vorn, du schiebst hinten. Versuchen wir’s.«

Der Bauer versprach sich nun zwar nicht viel davon, aber er ging auf den Vorschlag ein. Rübezahls Schlitten war vorn, seiner hinten, und nun ging es los. Anfangs schob der Bauer ganz redlich mit aller Kraft, denn er wollte den Holzknecht vorn nicht allein arbeiten lassen. Aber bald merkte er, dass der Vordermann seiner Hilfe gar nicht bedurfte, denn die Fahrt ging immer schneller und zuletzt mit Windeseile, dass er sich auf die Kufen stellen und an seinem Holz festhalten musste, wenn er überhaupt mitkommen wollte. Manchmal schien es ihm, als ob die Schlitten den Boden gar nicht berührten. Sie schienen zu fliegen.

Es dauerte darum auch nicht lange, so hielt Rübezahl vor dem Haus des Bäuerleins, kippte den Schlitten des Letzteren um, sodass die Holzmassen krachend zur Erde fielen, warf sein eigenes Holz dazu, hängte sich das Tragband seines Schlittens über die Schulter und ging trotzig davon.

Aber der Bauer lief ihm nach, fasste ihn am Ärmel und sagte: »Halt, guter Freund, seid nicht so ungestüm und nehmt erst unsern Dank für Eure große Mühe! Kommt herein und wärmt Euch in meinem Stübchen, wo Euch meine Frau ein Süpplein auftischen soll. Gern gäbe ich Euch Lohn, aber woher soll man das Geld nehmen in dieser Winterzeit!«

Da drehte sich Rübezahl um und sagte zornig: »Kein Geld? Das sind nur Ausflüchte. Ich will dir zeigen, wie du einen tüchtigen Fuhrwerker abzulohnen hast. Schau her, jetzt bin ich der Bauer und du bist der zweibeinige Schlittengaul. Von dem Schöndanksagen und dem Süpplein wird keiner fett! Hier!« Bei diesen Worten drückte er dem Bauern ein paar Goldstücke in die Hand. »Da hast du etwas für deine Plackerei, damit du ein frohes Fest feiern kannst.« Sprach’s und ging eilig davon.

Der Bauer stand ganz verblüfft da, besah die glänzenden schweren Münzen. Auf einmal wurde ihm klar, wer ihm aus Not und Verlegenheit geholfen hatte. Beglückt ging er zu den seinen, denen er in heller Freude von Rübezahls Großmut berichtete. Nun konnten die armen Leute – es war am Tag vor Weihnachten – mit gutem Recht ein frohes Fest feiern.